900 Jahre Linden

Offizielles Logo (Urheber Florian Metzler)
Offizielles Logo (Urheber Florian Metzler)

Hannover besteht aus 51 Stadtteilen. Drei davon bilden Linden: Nord, Süd und Mitte. Dort leben derzeit rund 38.000 Menschen. Als Linden im Jahr 1920 der Stadt Hannover zugeschlagen wurde, waren es doppelt so viele. Achtzig Jahre zuvor hatte das „Dorf Linden“ gerade mal 3.200 Einwohner. Das lässt auf eine bewegte Vergangenheit schließen, die ihren Ursprung im Jahr 1115 haben soll. Das sind 900 Jahre leben und sterben.

Sterben ist für alle gleich, aber wie verhält es sich mit dem Leben? Lindener waren schon immer anders als die Anderen. Das hat sich bis heute bewahrt. Und so wundert es nicht, dass wir uns den „etwas anderen Schachverein“ nennen, denn wir haben in Linden unseren Standort, hier wohnen die meisten Mitglieder, hier befinden sich unsere Wurzeln.

Unser Verein hat zwei Wurzeln. Die ältere Wurzel hat ihren Ursprung im Jahr 1919. Unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg wurde der „Arbeiter-Schachklub Hannover“ gegründet, der sich nach Ende des 2. Weltkriegs „Schachvereinigung Hannover“ nennen durfte und sich im Jahr 2000 mit der zweiten Wurzel, aus der ich entsprang, vereinigte. Die zweite Wurzel hieß ursprünglich „Schachfreunde Badenstedt“ (Gründungsjahr 1949). Bad Enstedt, wie Spötter zu sagen pflegen (Bad Endorf gibt es wirklich), ist sozusagen der vorgelagerte Kurort von Linden. Wir Badenstedter brauchten eine Odyssee durch Kneipen und Klubräume bis wir zur Jahrtausendwende unsere Heimat im Freizeitheim Linden fanden. Die ehemaligen Arbeiterschachfreunde waren schon eher in Linden präsent. Deren Neuanfang nach dem 2. Weltkrieg begann 1946 in der Gaststätte Mertens mit selbstgebastelten Brettern und selbstgeschnitzten Figuren.

So wie es unserer Badenstedter Wurzel erging, erging es auch mir persönlich. Über Umwege fand ich vor 33 Jahren meine Heimat in Linden-Mitte. Gleichwohl hat mich Linden schon in meiner Jugend geprägt. Hier bin ich zur Schule gegangen; im Fössebad habe ich das Schwimmen und im Keller des 1961 eröffneten Freizeitheims das Tischtennisspielen gelernt; meine Kröten trug ich zur Lindener Volksbank. Ohne Linden wäre mein Leben anders verlaufen. Viele sehnen sich nach der eigenen Scholle. Oft landen sie dabei an der gesichts- und geschichtslosen Peripherie. Tauschen möchte ich mit denen nicht. Ich gucke tagtäglich auf über 100 Jahre alte Häuser und alternde Bäume, die immer dann, wenn sie neu erblühen, ein Häuflein ewig gurrender Ringeltauben anlocken, die ihre Notdurft schamlos über geparkten Autos verrichten.

Über Linden gibt es viele gute Internetseiten, über die ihr euch bestens über diesen außergewöhnlichen Stadtteil informieren könnt. Diese möchte ich euch aus aktuellem Anlass besonders ans Herz legen:

http://www.linden-entdecken.de/

http://www.stadtteil-hannover-linden.de/

Wer tiefer in die Lindener Seele einsteigen möchte, möge sich den Film „Linden-Ein Arbeiterlied“ aus dem Jahr 1991 ansehen. Autoren des Films sind Wilfried Wallat und Wolfgang Jost. Mit dem langjährigen Kameramann des NDR, Wolfgang Jost, verbindet mich ein halbes Jahr meines Lebens. Während unserer Bundeswehrzeit in Rotenburg (Wümme) (hieß damals noch „Rotenburg in Hannover“) habe ich ihn auf den Hin- und Rückfahrten stets in meinem Ford 12M mitgenommen. Die lustigsten Momente erlebten wir auf dem Exerzierplatz, wenn übereifrige Rekruten in den Passgang verfielen. Das war zum Brüllen komisch. So ähnlich schauen echte Lindener auf den Rest der Welt. Für diejenigen, die sich der Obrigkeit anbiedern, haben sie nur ein mildes Lächeln übrig.

Guckt ihr hier 80 Minuten für 6 €, den Trailer gibt’s umsonst:

http://www.agdok.de/de_DE/movies_detail/19533

Linden hat nicht nur weltweit die größte Kioskdichte, nein, dass Lindener wirklich anders ticken, seht ihr an diesem Kommunal-Wahlergebnis aus dem Jahr 2011. Die bundesweit führende CDU lag zwar in Linden mit 10,2% der Stimmen vor den Piraten 6,4%, aber hinter den Linken 11,6%, hinter der SPD 29,6% und hinter den Grünen 37,6%. Die FDP holte 1,1%. Yuppies gehören demnach nicht zum Straßenbild. Die leben vermutlich alle in der List. Kleiner Scherz. – Einen Scherz erlaubte sich auch Stefanie Kaune (HAZ-Lokalredakteurin). Im LindenLimmerBuch (Ausgabe 1998) empfahl sie uns Lindenern: „Haltet die Klappe!“ Wir sollten vorsichtiger sein mit dem, was wir über unseren Stadtteil sagen. Schluss mit dem entrückten Schwärmen über Lindens Liebens- und Lebenswürdigkeit. Erst würden Schaulustige unsere Straßen verstopfen, dann kämen womöglich Menschen aus den spießigen Stadtteilen Hannovers mit der Absicht, hier zu wohnen. Nicht auszudenken! Der Bezirksrat müsste für Linden notgedrungen einen Einwanderungsstopp erlassen. Spaß beiseite. Hat Stefanie Kaune vor 17 Jahren bereits an die Gentrifizierung gedacht?

Das große Festwochenende steht unmittelbar bevor. Vom 1. bis zum 3. Mai 2015 gibt es zahlreiche Veranstaltungen. Das traditionelle Radrennen am Lindener Berg gehört ebenso dazu wie die 1.Mai-Demo, die im Anschluss auf dem Faust-Gelände zum gemütlichen Teil übergeht. Am 3. Mai steppt der Schwarze Bär auf dem Lindener Markt. Beteiligt sind viele Lindener Vereine. Schachspieler, die sich mit ihrem Spielgerät outen, sind meines Wissens nicht dabei. Nichtsdestotrotz wird eine Menge geboten. Auch Nichtlindener werden ihre Freude daran haben. Dieser Flyer hilft euch bei Auswahl:

http://www.900jahrelinden.de/wp-content/uploads/2014/09/900Jahre-03MaiFlyerWeb.pdf

Mein Beitrag zu Lindens Jubiläum besteht in zwei Gedichten. Das eine (ein Frühwerk aus dem Jahr 2007) handelt vom Radrennen am Lindener Berg, an dem ich selbst einige Male teilgenommen habe. Das Rennen ist knüppelhart. Genießen kann man es nur mit der entsprechenden Einstellung:

Col du Linden
Col du Linden

Ereilt hat uns der Monat Mai,
wir prüfen das Befinden,
die Form ist uns nicht einerlei,
so sehr wir uns auch winden.
Das Ego wählt die Quälerei,
drum startest du in Linden,
am Berge heißt’s: „Dawai, dawai!“
Wohl auf, zum frohen Schinden!

 

 

Das zweite Gedicht ist eine Erstausgabe. Es handelt von einem armen Wicht, dessen bedauernswertes Schicksal sich am besten in einem Limerick ausdrücken lässt:

Es war ein Schachfreund aus Linden,
der konnte seine Figuren nie finden.
Drum blieb sein Schachbrett stets leer
in Nord, Süd, Mitte und am Schwarzen Bär.
Mit Gerstensaft musst‘ er den Schmerz überwinden.

Prösterchen!
Prösterchen!

 

004-Linden-BlogSeid ihr jetzt in der richtigen Stimmung? Okay, dann habe ich noch ein paar Lindener Impressionen für euch. Die Auswahl ist mir nicht leichtgefallen, weil Linden unglaublich viele Facetten hat. Hier geht’s lang zu meiner Galerie.

 

 

 

12 Gedanken zu „900 Jahre Linden“

  1. Eine schöne Fotostrecke! – obgleich Linden-Süd ein wenig kurz kommt.

    Selbst junge Lindener fahren auch heute noch nach „Hannover“ – ohne Worte!

    Gut leben kann man übrigens auch als regelmäßiger LindenTOURIST 🙂

    Bis Donnerstag am Berg…

    1. Uwe, du hast ja recht. Bevor es zu diplomatischen Verwicklungen mit Spanien kommt, habe ich meine Fotostrecke um 6x Linden-Süd erweitert.

  2. In eigener Sache habe ich drei weitere Fotos hinzugefügt. Auf den Tag genau bin ich seit einem Jahr Rentner. Da liegt es nahe, denen zuzugucken, die den Tag der Arbeit hochhalten. Dabei bin ich zwei illustren Schachfreunden begegnet. Aber Vorsicht! Die Fotos sind noch ganz warm.

  3. „Sechstagerennen ist toll, nur die Radfahrer stören.“ Diesen Spruch kennt ihr. Linden ist auch in diesem Punkt anders. Die Radfahrer haben überhaupt nicht gestört! Als Beleg habe ich meine Galerie um drei weitere Fotos ergänzt. Beim Lindener Bergrennen am 1. Mai war die Stimmung unter den dort anwesenden Schachfreundinnen und Schachfreunden prächtig. Trotz der Radfahrer im Rücken. Nur die Temperaturen hätten etwas höher sein können. Irgendwie zischte der Gerstensaft nicht so richtig.

    Ab 11:00 Uhr geht’s heute auf dem Lindener Marktplatz mit den Feierlichkeiten weiter. Diesmal ohne Radrennfahrer. Aber vielleicht kann ich wieder ein paar Schachspieler ausfindig machen. Inkognito geht auch…

  4. Es gibt einen aktuellen Kommentar, der vermutlich von Jörg Schimke (parteiloser Abgeordneter im Bezirksrat) stammt. Da Kommentare von Externen gesondert freigegeben werden müssen, mache ich das mal unter meinem Namen:

    „Sogar bei meiner Blogparade hat sich was getan und es gibt einen Beitrag: Gerhard Streich hat einen klasse Text zum Linden-Gefühl spendiert. Wer noch mitmachen will, ich kann die Blogparade gerne noch verlängern (kleiner Wink mit dem Zaunpfahl).“

    Dessen Webseite guckt ihr hier: http://klickhin.de/linden-feiert-was-sonst/

    Über das Kompliment freue ich mich sehr. Es zeigt, dass wir über den Tellerrand unseres Schachvereins hinaus etwas fürs Gemeinschaftsgefühl tun können.

  5. Weder inkognito noch mit einem Schachbrett unterm Arm: Schachfreunde konnte ich gestern nicht auf dem Lindener Markt ausfindig machen. Trotzdem war die Jubiläumsparty gelungen. In den einschlägigen Medien (NDR, HAZ, NP) und engagierten Webseiten (z.B. http://klickhin.de/) gibt es zahlreiche Berichte mit vielen Bildern, die etwas von der ausgelassenen Stimmung herüberbringen. Ich kann mich deshalb auf drei Fotos beschränken, um die ich meine Galerie wiederum erweitert habe. Das erste davon zeigt die Partygäste vor der großen Bühne auf dem Lindener Markt, das zweite eine Kleinkunstveranstaltung am Lichtenbergplatz. Halb Linden war auf den Beinen. Gelimmert wurde auch.

    Besonders beeindruckt haben mich jedoch die 5 im Stadtbezirksrat Linden-Limmer vertretenen Parteien. Die hatten ihre Zelte derart eng nebeneinander aufgebaut, dass dazwischen nicht einmal ein Wahlzettel gepasst hätte. Von Berührungsängsten keine Spur! Witziges Detail: Die Parteien waren in der aufsteigenden Reihenfolge ihrer Stimmenanteile (siehe meinen Beitrag) platziert: Piraten, CDU, Linke, SPD und Grüne. Die 21 Mitglieder des Bezirksrats aus den vorgenannten Parteien und Einzelvertreter Jörg Schimke hatten ab 16:00 Uhr zum Freibier eingeladen. Als ich gegen 17:00 Uhr an den Verkaufswagen trat, war das „Freibier-Fässchen“ bereits leer. Vermutlich war das Kontingent der kommerziellen Konkurrenz geschuldet und nicht den zu engen Spendierhosen. Übrigens: Ist „Herri“ in Linden kein Fauxpas!?

  6. Während im Freizeitheim Linden das „Finale furioso“ unserer diesjährigen Blitzserie in die vorletzte Runde ging, waren am Küchengarten nur unwesentlich mehr (ca. 2.000) Radfahrerinnen und Radfahrer zur Velo-City-Night gestartet. Linden steht damit weiterhin im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. In der NP gibt es vom Start zur Nachtfahrt eine Bilderserie, die von deren Haus-und-Hoffotografen Rainer Dröse stammt. Guckt ihr hier:

    http://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Hannover-Velo-City-Night-hier-die-Bilder

    Von mir bekommt ihr einen Blick hinter die Kulissen geliefert. Welches Risiko die Mitarbeiter des Madsack-Verlags eingehen, um den geneigten Leser authentisch zu informieren, zeigt die stuntreife Platzierung von Rainer Dröse beim Fotografieren. Um diesen Stunt und eine weitere sensationelle Entdeckung habe ich meine Fotostrecke erweitert. Ihr kennt alle die legendäre Geschichte vom Schachtürken. Was ist nun, wenn ein Grieche einen Türken versteckt? Und das in einem mobilen Roboter?

  7. Morgen ist mal wieder 1.Mai.
    Vielleicht der 400.000-Tag?!?

    Auf jeden Fall aber der Tag, an dem das Radrennen am Lindener Berg zum 49. Mal stattfindet. Wer ihn wenigstens ein Mal selbst hinauf gefahren ist, der weiß um die kleinern schmerzenden Stiche gerade im letzten Teilstück. Die Mädels und Jungs im Hauptrennen sind satte 80x dabei 😀

    Dabei sind traditionell auch die Schachfreunde, auf der Wiese kurz vor dem Gipfel. Das Wetter sollte uns hold sein. Meine Sonnenbrille liegt bereit 😀

    Sucht das Brett und die Uhr!
    Fordert die Landesligameister!

    …und natürlich: Reist mit dem Radl an…

  8. Lübecker stimmen über Linden ab

    Diese Meldung auf NDR-Online hat mich heute Morgen schockiert. Werden wir selbstbewussten Lindener demnächst fremdbestimmt? Ausgerechnet von Lübeckern? Deren Bürgermeister ist ein Saxe und die Stadtpräsidentin heißt Schopenhauer. Yeah! Sollen wir Lindener nun zum Gegenschlag ausholen und die Lübecker Marzipankartoffeln vom Weihnachtsteller verbannen? Dann las ich das Kleingedruckte und war beruhigt:
    http://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Luebecker-stimmen-ueber-Linden-ab,linden296.html

    Hannover hat die Diskussion über Linden längst hinter sich gebracht. In den Jahren 1972-74 wurden in der Herrenhäuser Allee insgesamt 1.300 Kaiserlinden erneuert. Dafür wurden auch die gesunden Bäume gefällt. Das löste heftigen Widerstand aus. Vierzig Jahre danach hat sich der Sturm gelegt. Guckt ihr hier das Titelbild: http://www.schachfreunde-hannover.de/calm-after-the-storm/

    Neulingen unseres Blogs empfehle ich meine Bilderserie über Linden anzuklicken.

  9. Are You dreaming of a white Christmas? Kein Problem. Auf Lindens höchstem Berg liegt schon Schnee. Guckt ihr das neueste Foto in meiner Bildergalerie. Die schlechte Nachricht: der Biergarten hat deshalb geschlossen. Die gute Nachricht steht heute in der HAZ: Das Kultbier „Lindener Spezial“ gibt’s demnächst auch vom Fass. – Okay. Es handelt sich um Schnee von gestern (25.12.2010). Man wird ja wohl träumen dürfen.

  10. Blaues Wunder

    Kinder, wie die Zeit vergeht. Vor drei Jahren wurde Linden 900 Jahre alt. Abgesehen von runden Geburtstagen gibt es jedes Jahr etwas zu feiern. Zum Beispiel: Das Blaue Wunder. Das blieb bislang mangels Scillablüte aus, was einen echten Lindener nicht aus der Feierlaune bringt. Am vergangenen Sonntag ließen sich Lindener und Zugereiste nicht lumpen; siehe neuestes Bild oben. – Wie es sich tatsächlich anfühlt, wenn die Scilla am Lindener Berg aus dem Boden sprießt, hat ein berühmter Heimatdichter in diesem Gedicht namens „Laues Wunder“ zum Ausdruck gebracht:

    Laues Wunder

    Abbruchreif ist deine Villa.
    Du orderst einen Caterpillar.
    Die Party rockt ein Auftragsgriller.
    Für Sicherheit sorgt ein Gorilla.
    Plötzlich vibriert der Boden. Alle schauen sich erschrocken an.
    Kommt jetzt Godzilla?
    Nein. Am Lindener Berg erblüht die Scilla!

    P.S. Das Gedicht ist einem lindenaffinen Schachfreund gewidmet, der heute die 50+3-Regel hochhält.

  11. Warum in die Ferne schweifen?

    Wie schön Linden auch nach 903 Jahren ist, möchte ich euch mit einem aktuellen Blick von meinem Balkon zeigen (siehe oben). Die Robinien stehen in voller Blüte. Mauersegler ziehen ihre Kreise. Eintracht Braunschweig ist abgestiegen. Der Dino auch. Hannover atmet auf. Ein Nordlicht hat den ESC aufgemischt. Das Ihme-Zentrum wird saniert. Markus Söder ist weit weg. Das Leben ist schön. Besonders in der Heimat der Schachfreunde Hannover.

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