Wie Ihr gewiss auf der Homepage gesehen habt, ist unser langjähriger Vereinskamerad und ehemaliger Vorsitzender Jürgen Schulz verstorben. Während die Homepage unsere offizielle Traueranzeige ist, möchte ich hier auf das schachliche Wirken von Jürgen eingehen. Er war schließlich nicht nur ein guter Funktionär sondern auch am Brett umtriebig und spielstark. Rund 500 Gewinnpartien aus meinen Datenbanken lassen sich eindeutig unserem Jürgen zuordnen (Anm.: Der Name „Jürgen Schulz“ ist – auch in den Schachdatenbanken – nicht ganz einmalig)
Als Intro könnte ich die gleichen Worte wie Michael verwenden. Während Michael bereits von Beginn seiner Laufbahn an bei der Schachvereinigung spielte, bin ich zeitgleich mit Jürgen im Jahre 1985 in einen (erneut) aufstrebenden Verein dazugestoßen. Jürgen war ein sehr erfahrener Spieler, der sein Eröffnungsrepertoire selten variierte. Seine Liebe in Weißpartien galt ganz klar dem Zug 1.d4. Er folgte schnell der in den 80ern aufkommenden Mode, den Zug c2-c4 zurückzuhalten oder gar nicht zu spielen. Das passte ganz gut in seine Idee vom Schachspiel: Erst sichern, dann kleine Vorteile sammeln und schließlich mit scharfem Schwert die Beute erlegen.
Bei Vereinsturnieren hat Jürgen sowohl in Neustadt als auch bei uns zahlreiche Titel und gute Platzierungen errungen. Ein schönes Beispiel ist seine Partie gegen Reinhard Brodhuhn, die letztlich als Hängepartie gewonnen wurde.
In Mannschaften hat Jürgen stets gern gespielt. Das betraf nicht nur den Ligabetrieb, sondern auch die NSV-Pokale. In den 80ern gab es zudem den Hannover-Cup für Vereinsmannschaften, hernach aufgeteilt in den Hohlfeld-Pokal (höhere Ligen) und den Pinnel-Pokal (tiefere Ligen). Die Schachfreunde haben sich an den lokalen Pokalen schon lange nicht mehr beteiligt. Dass die Teilnahme in anderen Zeiten Ehrensache war, belegt die Partie gegen Frank Naumann.
Eine weitere von Jürgen praktizierte Disziplin ist das Fernschach. Ebenso wie bei mir folgte auf eine Deutsche Jugendfernschachmeisterschaft eine längere Pause. Diese wurde beendet, als sich in der Schachvereinigung vier Spieler zusammenrotteten, sich für die neu geschaffene Fernschachbundesliga zu qualifizieren: Neben Jürgen waren dies noch Gerd Branding, Heiko Willke und meine Wenigkeit. Diese Pionierzeit war gekennzeichnet durch dauerhafte Telefonate um Varianten und Pläne, das Spielen per Postkarte (der Postweg galt jedem Berufstätigen als Erholungszeit!) und Computerprogramme, die zwar kurzfristige Einsteller vermeiden konnten, vom Schachspiel an sich aber noch nicht so viel verstanden. Jürgen hat sich in der Gemeinschaft der Fernschächer stets wohlgefühlt und auch an zahlreichen Fernschachtreffen teilgenommen. Die Partie gegen Erik Blosze – gegen den er auch bei den Fernschachtreffen am Brett die Klingen kreuzte – zeigt beständige dynamische Scharmützel beider Spieler. Eine solche Fernpartie wäre heute kaum mehr möglich. Zu sehr prägt die Gnadenlosigkeit der Rechenknechte und der Anti-Strategien das Geschäft. Der erzielte Fortschritt ist im Fernschach prägend.
In den Kommentaren findet Ihr die drei genannten Partien.
„Der Mann mit der Cordhose“ – Jürgen pflegte ein geregeltes Leben mit Konstanten. Cordhose und ein häufig kariertes Hemd gehörte für ihn im Privatleben dazu, ein Eigenheim (erst in der Döhrener Wolle, später in Berenbostel) ebenso. Der zunächst sichere Job bei einer Bank (hier: im Anzug!) rundete dieses Bild gut ab. In der heutigen schnelllebigen und konformen Zeit findet man immer weniger authentische Persönlichkeiten, die an scheinbaren Anachronismen festhalten. Dazu gehört eine gewisse persönliche Stärke. Leider hatte sich Jürgen in den letzten Jahren persönlich sehr zurückgezogen. Zuletzt gestaltete auch seine fortschreitende Krankheit mögliche Gemeinsamkeiten schwierig. Ich werde ihn – und das gilt gewiss für all seine Weggefährten – jedoch vermissen und stets in bester Erinnerung behalten!
Seid willkommen, hier im Blog zu kondolieren und zu kommentieren!
Wen braucht der Vorstand eines Verein? Einen Vorsitzenden, einen Kassierer, einen Spielleiter (in Schützenvereinen heißt der Festausschuss) und einen für interne und externe Kommunikation. Schön wäre es natürlich auch wenn diese Aufgaben auf jeweils mehr als zwei Schultern lasten. Wenn diese Posten nicht besetzt werden sieht es für den Verein schlecht aus.
Heutzutage wo die Vereine allgemein an Mitgliederschwund leiden, kann man froh sein, wenn jemand diese meist unbezahlten Vereinsposten übernimmt. Zum kostenlosen Einsatz für den Verein kommt dann noch manchmal die Kritik anderer, wenn umstrittene Entscheidungen gefällt werden.
Jürgen war unser Kassierer und teilweise auch Spielleiter (zumindest kenne ich ihn in keinen anderen Funktionen). Er war nicht unumstritten. Er war ein Mann mit Prinzipien (man kann es auch als unflexibel bezeichnen). Aber die meisten von uns waren sicherlich froh, dass es ihn gab, den Mann, der die Verantwortung für die Kasse übernahm und viele Jahre Mannschaftsführer der zweiten Mannschaft war.
Jedenfalls habe ich nie einen anderen erlebt, der Kassierer werden wollte bis es aus Krankheitsgründen nicht mehr ging mit Jürgen.
Vereine brauchen Leute wie Jürgen, die Aufgaben und Verantwortung übernehmen und wir werden es erfahren, ob sich solche Personen auch in Zukunft finden.
Dafür bin ich Jürgen dankbar.
Wie soll ich Jürgen Schulz würdigen? Ich weiß es nicht. Er hat mich immer gesiezt, auch nachdem wir Clubkameraden wurden. Nun ist er gestorben. Viel zu früh. Es gibt eine rührende Szene aus dem Hauptmann von Köpenick, als sich der Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt vorstellt, dass ihn Gott bei seinem Ableben fragt: „Was hast gemacht mit dei’m Leben!?“ Wir sollten uns selbst diese Frage stellen, bevor es zu spät ist. Wer zu Lebzeiten mit der Antwort zufrieden ist, hat alles richtig gemacht. Ich hoffe, dass Jürgen zu denen gehört hat.