Bielefeld!

Vor zwei Wochen habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben getraut, den ICE in Bielefeld zu verlassen. Ihr wisst schon wegen der Bielefeld-Verschwörung. Als die Menschheit zu Columbus‘ Zeiten noch glaubte, die Erde sei eine Scheibe, war die Befürchtung groß, am Rand derselben in die Tiefe zu fallen. Das war auch meine allerdings unbegründete Sorge, denn ich hatte tatsächlich nach Verlassen des Bahnhofs festen Boden unter meinen Füßen. Und als mir dann noch ein Fan von Arminia Bielefeld über den Weg fuhr, wusste ich, sowas kann man nicht erfinden.

Ist Bielefeld schön? Ich weiß es nicht. Die Innenstadt ist etwas unaufgeräumt, etwa so, als hätte jemand die Schachfiguren nach dem Random-Prinzip aufgestellt. Mit rund 340.000 Einwohnern liegt Bielefeld auf Platz 18 der größten deutschen Städte (Hannover liegt auf dem 13. Platz). Mit Touristen rechnet man dort eher nicht, jedenfalls wurde ich das Gefühl nicht los, trotz Kaiserwetters der einzige zu sein. Natürlich gibt es schöne Plätze in Bielefeld. Die Sparrenburg gehört dazu. Die Anlage ist sehr gepflegt und vom dortigen Turm hat man einen wunderbaren Ausblick auf die real existierende Stadt.

Die Frage, was der einst ruhmreiche SK Bielefeld von 1883 (Schachbundesliga in den Neunzigerjahren) heute macht, hat mich auch beschäftigt. Antwort: Abstieg der 1. Mannschaft aus der NRW-Liga. Abstiege liegen neuerdings im Trend. Ich steige deshalb lieber auf, z.B. in Kirchtürme von Dresden, in den Wasserturm von Lüneburg vor einer Woche oder halt in den Turm der Sparrenburg. – Warum erzähle ich euch diese Geschichte? Weil mich gestern jemand kontaktiert hat, der in Bielefeld seine Wurzeln hat. Damit sind alle Zweifel an der Existenz Bielefelds ausgeräumt.

Beim Nachdenken: Jürgen Juhnke

Es freut mich, dass Jürgen Juhnke auf der Website des HSK Lister Turm an die glorreiche Zeit des HSK erinnert, als es das Anhängsel „Lister Turm“ noch nicht gab. Der Höhepunkt war der Titel „Deutscher Mannschaftsmeister“ im Jahr 1959. Eine Bundesliga gab es noch nicht. Ich war damals 10 Jahre alt und hatte von Schach keine Ahnung. Später habe ich gegen 6 der genannten 9 Spieler selbst Turnierpartien gespielt. Ich erinnere mich gern daran. – 25 Jahre später war der HSK nach langer Dominanz in Niedersachsen in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Von den Meisterspielern aus dem Jahr 1959 waren lediglich Manfred Heilemann und Dieter Stern noch dabei. „Junge Wilde“ hatten die Plätze der Alten eingenommen. Einer davon war Jürgen Juhnke. Die HAZ berichtete am 16.10.1984 nicht nur über den Sieg des HSK über die Hamburger SG, sondern auch über die hannoverschen Schachvereine, die in der Oberliga Niedersachsen/Bremen und der Landesliga Nord vertreten waren. Einige der vor 40 Jahren in dem Artikel genannten Schachfreunde sind noch immer aktiv. Ein bisschen Nostalgie kann nicht schaden. Dann wissen wir, warum wir gelebt haben.

Der HAZ-Artikel vom 16.10.1984 ist leider nicht mehr sichtbar.

Cheating wird legalisiert

Der Verlust von Schachpartien gefährdet die Gesundheit. Das muss nicht sein. Die Ethik-Kommission der FIDE hat deshalb einen 7-Punkte-Plan erstellt, wonach cheaten unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist:

  1. Der/die/das Schachspieler*in wohnt nicht in Bayern.
  2. Der Gewinn der letzten Schachpartie drei Tage zurückliegt.
  3. Zwei Niederlagen mit Weiß in Folge.
  4. Zehn Niederlagen mit Schwarz in Folge.
  5. Der Rechner mit <1 Trillion Schachpartien gefüttert wird.
  6. Die Hanfsammlung auf der Fensterbank vertrocknet ist.
  7. Schiedsrichter den Kölner Keller nicht verlassen können.

Ziehen Lister den Bayern die Lederhosen aus?

Was ist List? Ein Synonym lautet „Schachzug“. Wie ihr wisst, habe ich mich schon mit den Fragen beschäftigt: „Was ist Linden?“ und „Was ist Ricklingen?“. Hannoveraner wissen: List ist ein Stadtteil der niedersächsischen Landeshauptstadt. Aus unerfindlichen Gründen wurde List mit Vahrenwald zu einem Stadtbezirk vereint. Von den insgesamt 72.000 Einwohnern sind 47.000 Lister. Acht von denen mit Zusatzzahl verbringen ihr Wochenende in München. Sagen wir mal: deren Vertreter. Echte Lister dürften Mangelware sein. Den Münchnern geht derweil „der Arsch auf Grundeis“. Das ist auch ein Synonym. Eins von der derben Sorte. „Wer Lister nicht schlägt, steigt ab!“, ist die Ansage von Gerald Hertneck. Wir dürfen gespannt sein. Am Sonntagabend wissen wir mehr. Ich als Lindener drücke den Listern die Daumen getreu dem Motto: „Nur die Harten kommen in den Englischen Garten.“ Und wegen der aktuellen Wetterlage: „Wo kein Schnee liegt, darf gelaufen werden!“

Männersache

Okay, der Deutsche Schachbund hat erstmals in seiner Geschichte eine Frau an der Spitze. Die Gründe sind bekannt. Mann hatte versagt. Man(n) kommt angesichts grauer Novembertage ins Grübeln. Ich zumindest. Wieso heißt es eigentlich noch Mannschaft? Warum nicht Frauschaft? Oder Diversschaft? Gewohnheiten lassen sich nicht ausradieren. Auch nicht mit Hilfe des Gendern. Ein Doppelpunkt hinter dem Mannschaftsführer ist gut gemeint, allein, das „Führen“ von Mannschaften bleibt Männersache: Von den 60 Mannschaften in den zwei Niedersächsischen Landesligen und den vier Verbandsligen werden nicht einer einzigen Frau Führungsqualitäten zugetraut. Im Schachbezirk Hannover haben von 48 Mannschaften immerhin zwei Frauen das Zeug und/oder den Mut dazu.

Warum erzähle ich das? Weil ich es merkwürdig fand zu lesen:

Verbandsliga Ost / SC BS Gliesmarode 2
Mannschaftsführer:in
Michael S. Langer

Unser Präsident ist zweifellos männlich. Und Führungsqualitäten hat er auch. Deshalb habe ich einen Verbesserungsvorschlag: Ändert die Textschablone! Wenn tatsächlich eine Mannschaftsführerin – was in Niedersachsen derzeit nicht der Fall ist – gemeldet ist, nennt sie so ohne Doppelpunkt. Echte Männer mit Doppelpunkt wirken drollig. Bitte nicht falsch verstehen: Grundsätzlich habe ich nichts gegen das Gendern, aber wenn dafür mangels Frau die Geschäftsgrundlage fehlt, sollte man(n) nicht so tun, als wäre der Gleichberechtigung damit Genüge getan.

Spieglein, Spieglein…

Heute vor einem Jahr habe ich euch von meinem Ausflug nach Siegen berichtet. Die Stadt und deren Schach-Protagonisten haben mich nachhaltig beeindruckt. Das beruht anscheinend auf Gegenseitigkeit. „Siegen auf einen Streich“ gehört seitdem zum Repertoire des dortigen Apollo-Theaters. In der vergangenen Woche war ich in Unterfranken; genauer gesagt in der Schneewittchenstadt „Lohr am Main“. Warum erzähle ich das? Weil Schneewittchen die perfekte Allegorie zu uns Schachspielern ist (weibliche inbegriffen).

Die Haut so weiß wie Schnee und die Haare so schwarz wie Ebenholz; die Lippen so rot wie Blut. Das ist der Idealfall: vor einer Schachpartie und wenn wir jung sind! Das Leben hält uns jedoch unweigerlich den Spiegel vor: nach einer Verlustpartie und wenn wir alt sind! Auf das Alter komme ich deshalb zu sprechen, weil es von Franz Jittenmeier (84) in seinem Schachticker thematisiert wurde: Schach als Hobby für Rentner bringt nicht nur Freude und Spaß, sondern (kann!) auch eine Vielzahl von positiven Auswirkungen auf die geistige Gesundheit, soziale Interaktion und Lebensqualität haben. Die zweite Satzhälfte steht im Konjunktiv. Zu Recht.

Wenn wir jung sind und die (Miss)Erfolge noch vor uns haben, wünschen wir uns ein Ebenbild wie das von diesem Schneewittchen auf der Parkbank. Die Zeitfenster werden indes immer enger. Die Spanne zwischen einem Wunderkind mit 12 Jahren und einem Loser (was, noch kein Großmeister!?) mit 20 Jahren ist gering.

Früher oder später oder nach einem Partieverlust siehst du dann aus wie dieses Schneewittchen. Als diese Skulptur im Jahr 2016 aufgestellt wurde, ging ein Aufschrei durch die Medienlandschaft. Die Lage hat sich beruhigt. Ich konnte mich ganz allein mit ihr beschäftigen. Sie hat mir gefallen. Warum? Weil sie Charakter hat.

Aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe! Der nächste Gegner kommt bestimmt mit der Absicht, dich am Schachbrett zu skalpieren…

 

 

 

Achat im Michel

Heute findet der NSV-Kongress 2023 in Braunschweig statt. Unser Präsident Michael S. Langer hat dazu eingeladen. Dem Vernehmen nach kann man den Kongress via Zoom verfolgen. Um 10:30 Uhr geht’s los. Für diejenigen, die leibhaftig anreisen wollen, habe ich folgenden Hinweis: Das Hotel befindet sich gegenüber vom Braunschweiger Hauptbahnhof. Lasst euch nicht täuschen. Wo noch Michel dransteht, ist jetzt Achat drin (siehe Foto). Wer mit dem Fahrrad anreist, könnte jedoch Probleme mit einem Stellplatz bekommen…

Braunschweig: Blick auf das Achat-Hotel im Michel (aufgenommen am 11.09.2023)
Braunschweig: Birke im Viewegsgarten (gegenüber vom Achat-Hotel)

Chaos in der Schachbundesliga

Nachdem bekannt geworden war, dass Peter Orantek (SK Kirchweyhe) den Rechtsstreit mit der Bundesliga e.V. krachend gewonnen hat, herrschte eine Weile Funkstille. Dank Conrad Schormann ist nun die Katze aus dem Sack. Wir erfahren, dass mit dem Gerichtsurteil nichts entschieden ist, die von Jürgen Kohlstädt vorgenommenen Klasseneinteilungen fraglich sind, und die Rechtsstreitigkeiten voraussichtlich weitergehen werden.

Als ich davon hörte, dass der HSK Lister Turm als drittplatzierte Mannschaft in die Bundesliga aufgestiegen sei und nicht der SV Glückauf Rüdersdorf, dachte ich an einen freiwilligen Verzicht. Mitnichten! Denen wurde aufgrund des § 8 der Turnierordnung der Aufstieg verwehrt. Mit der gleichen Begründung sollte der SK Kirchweyhe aus der Bundesliga absteigen, obwohl der Klub den Klassenerhalt locker geschafft hatte. Abgesehen davon, dass die Bundesligavereine für die Gerichtskosten aufkommen müssen, fühlen sich weitere Vereine ungerecht behandelt und drohen mit Klagen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Bundesliga in der Saison 2023/24 in der derzeitig geplanten Form ablaufen wird. Es gibt einen Vorschlag des SV Deggendorf und der Schachfreunde Berlin, wonach die Bundesliga auf 20 Mannschaften aufgestockt und in zwei Staffeln aufgeteilt wird. Die jeweils fünf besten Mannschaften würden dann in einer Endrunde um den Titel kämpfen.

Das Hauen und Stechen hinter den Kulissen wird weitergehen. Das bekommt auch des HSK Lister Turm zu spüren. Theoretisch können auch die Mannschaften in den 2. Bundesligen und den Oberligen betroffen sein.

Grundsätzlich halte ich die Schachbundesliga für reformbedürftig. Der Weg über das Punktesystem gemäß § 8 TO ist jedoch hanebüchen. Das vernichtende, 20-seitige Urteil im Schiedsverfahren sagt alles. Insofern gebe ich Peter Orantek völlig recht. Man mag sein Modell für falsch halten, aber dann muss es faire Zulassungsbedingungen geben, die keinen Verein von vornherein benachteiligen. Der § 8 TO war dafür ungeeignet.

Was ist Ricklingen?

Was ihr schon immer über Ricklingen wissen wolltet, aber bisher nicht zu fragen wagtet, hat nun ein Ende. Das Stadtteilzentrum Ricklingen hat gemeinsam mit dem Historischen Museum ein Projekt verwirklicht, das die persönlichen Sichtweisen einiger Stadtteilbewohner in Form von Zeichnungen und Fotos widerspiegelt. Morgen findet die Ausstellungseröffnung um 17:00 Uhr neben dem Stadtteilzentrum statt. Wer will, kann sich die Einladung auf Hannover.de anschauen und natürlich vor Ort dabei sein.

Da ich eine persönliche Einladung erhalten habe, werde ich an der Eröffnung teilnehmen. Einige von euch wissen, dass ich beim Projekt „Was ist Linden?“ mitgemacht hatte. Im vergangenen Jahr wurden die Arbeiten im „Von-Alten-Garten“ ausgestellt. Mein Thema waren meine regelmäßigen Besuche bei einem Kartoffelhändler auf dem Lindener Markt. Dazu gab es Fotos und eine Geschichte. Wenn ich das richtig sehe, wird diesmal auf Worte verzichtet.

Ein Blog lebt von Worten. Gleichwohl verzichte ich vorerst darauf, meinen Blick auf Ricklingen und – womöglich – dessen Schachklub in selbige zu fassen. „Erblicken Sie Ricklingen in einer großen Open-Air-Ausstellung mit ganz neuen Augen!“, lautet der Aufruf der Veranstalter. Da will ich nicht vorgreifen. Für alle, die nicht wissen, dass die Sonne im Winter in den Ricklinger Kiesteichen versinkt, habe ich indes dieses Foto herausgesucht. – Im Sommer geht die Sonne aus gutem Grund am Ende der Limmerstraße unter.

Sonnenuntergang in Ricklingen (Dezember 2022)

Bad Wildungen

Wusstet ihr, dass Bad Wildungen den größten Kurpark Europas hat? Und den längsten!? Die Hälfte der 7,5 km langen Strecke bin ich am Mittwoch rauf und runter gelaufen. Warum erzähle ich das? Weil Bad Wildungen neuerdings zum Mekka für Amateurschachspieler*innen und Senior*innen wird. Henning Geibel rührt derzeit die Werbetrommel für die mehr oder minder Betagten. Vom 17. bis 25. Juli werden dort die 35. Deutschen Seniorenmeisterschaften ausgetragen. Ich möchte an dieser Stelle im Sinne von Sarah Connor für die Schönheit der Kleinstadt werben, die etwa halb so groß ist wie Hannover-Linden: „Weißt du denn gar nicht, wie schön du bist?“

Über allem thront das Schloss Friedrichstein:

Gegenüber vom Spiellokal, dem Maritim-Hotel, befindet sich diese Konzertmuschel:

Blick auf den Kurpark von der Kurparktreppe Richtung Stadtmitte:

 

 

 

Auch die Altstadt ist schön. Marktbrunnen mit Blick auf die Brunnenstraße.

Mal ehrlich. Eigentlich habe ich Bad Wildungen aufgesucht, weil dort meine Zugfahrt endete. Mein Ziel war der Edersee. Mit dem Bus kann man den in etwa 30 Minuten erreichen. Also nichts wie hin nach Beendigung eurer Schachpartien. Derzeit ist der Anblick erfreulich. So viel Wasser gab’s schon lange nicht mehr.

Gut gefüllter Edersee. Im Hintergrund Schloss Waldeck.

Die Sperrmauer von hinten ist immer ein Hingucker:

Auch in Richtung Kassel gibt es ein lohnendes Ausflugsziel. In einer halben Stunde erreicht man mit dem Bus oder mit der Hessenbahn die Domstadt Fritzlar. Die Altstadt ist wirklich sehenswert:

Der „Graue Turm“. Mit 38,5 m Deutschlands höchster historischer Wehrturm.