Aale, Altbier, Altersschwäche

Wer verliert, bezahlt die Zeche. (Kalenderspruch des Tages)

20 Gedanken zu „Aale, Altbier, Altersschwäche“

  1. Vor acht Jahren lockte uns der „kleine Vorsitzende“ mit den Worten Astra, Absurdes, Aljechin zum Stammtisch ins Debakel. Der Stammtisch ist inzwischen verwaist. Was verspüren die ehemaligen Stammtischbrüder heute? Richtig: Heimweh. Dieser Schlager machte Freddy Quinn 1956 zu einem Superstar in Deutschland. Hier ein Auszug:

    So schön, schön war die Zeit
    So schön, schön war die Zeit
    Brennend heißer Schachverstand (so schön, schön war die Zeit)
    Fern, so fern dem Ihmestrand (so schön, schön war die Zeit)
    Kein Gruß, kein Herz, kein Kuss, kein Scherz
    Alles liegt so weit, so weit (so schön, schön war die Zeit)
    So schön, schön war die Zeit
    So schön, schön war die Zeit

    1. Landungsbrückentag

      Am Freitag habe ich einen Ausflug nach Hamburg gemacht. Mit dem ICE hin und zurück (hat nur 20 € gekostet). Vor Ort habe ich mir ein HVV-Tagesticket gekauft und mit der S-Bahn mehrere Stadtteile aufgesucht, die ich nicht näher kannte; z.B. Wilhelmsburg. Gegen 13:00 Uhr landete ich bei den St. Pauli-Landungsbrücken. Von der Brücke, die zur S-Bahnstation führt, hat man einen Panoramablick auf die Elbe: links Richtung Elphi, rechts Richtung Fischauktionshalle. Unter mir standen dicht gedrängt Tausende Menschen. Offensichtlich warteten die meisten auf Boote zwecks einer Hafenrundfahrt.

      Ich machte davon Fotos mit meinem Smartphone und stellte zwei in meinen WhatsApp-Status. Darunter schrieb ich nur ein Wort: „Landungsbrückentag“. Ein Schachfreund war von meiner Wortschöpfung derart begeistert, dass er mir antwortete: „Einfach genial!“ Zur Erinnerung: Für Werktätige war der Freitag ein Brückentag.

      1. Leserbrief in der HAZ

        In eigener Sache möchte ich meinen Leserbrief verdeutlichen, der gestern in der HAZ veröffentlicht wurde. Anlass ist die Nachfrage eines Schachfreunds. Mein Leserbrief nimmt Bezug auf „Die Informationsfrage“. Das Wort ist dermaßen beliebig, dass niemand etwas damit anfangen kann. Der Artikel erschien vor vier Wochen in der HAZ. Es handelte sich um eine Rezension über ein Buch des Soziologen Andreas Knie mit dem Titel: „Wo kommen bloß die vielen Autos her und wie werden wir sie wieder los?“ In der Online-Ausgabe gab es dazu noch die treffende Überschrift des Autors: „Warum Autos ein Problem sind – und das kaum jemand bemerkt.“ Ich habe das bemerkt und deshalb den Leserbrief geschrieben, der ansonsten einwandfrei abgedruckt wurde.

    1. Lieber Peter, da ich gestern einen Ausflug nach Rastatt gemacht habe, kann ich dir erst heute antworten. Vlastimil Hort bin ich nie begegnet, gleichwohl hat er mich mein Schachleben lang begleitet. Er gehört zu der Generation ruhmreicher Schachspieler, die mit mir älter wurde und nun mehr und mehr ausdünnt: in diesem Jahr noch Robert Hübner und Boris Spassky. Ein bisschen hat mir Helmut Reefschläger über Vlastimil Hort erzählt. Die beiden spielten Anfang der 80er Jahre für die SG Porz. In der Saison 1981/82, das war die zweite Spielzeit der deutschen Schachbundesliga, gewannen die beiden die deutsche Mannschaftsmeisterschaft; Hort am ersten, Helmut am dritten Brett, dazwischen Tony Miles.

  2. Das Wort zum Sonntag

    Heute Morgen bin ich aus dem Krankenhaus entlassen worden. Mir wurde ein Nierenstein entfernt, der so groß war wie eine Murmel. Dafür waren in zeitlichen Abständen 3 OPs erforderlich. Die Prozedur erstreckte sich über ein Vierteljahr. Währenddessen hatte ich stets eine schmerzhafte Schiene im Unterleib. Nichtsdestotrotz bin ich meinem neuesten Hobby nachgegangen: Städtereisen mit der Bahn. Zuletzt war ich in Salzwedel. Die Stadt hat mich angenehm überrascht.

    Ich war in einem Zweitbettzimmer untergebracht. Neben mir lag ein noch älterer Mann. Er wurde nach mir an der Blase operiert. Er hatte einen harmlosen Eingriff erwartet und bereits für die nächste Woche eine Auslandsreise geplant. Daraus wird nichts. Gestern Morgen standen 4 Ärzte an seinem Bett und verkündeten ihm die Diagnose: Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium. Mit fester Stimme antwortete der alte Mann: „Ich bin 87 Jahre alt und habe so viel erlebt!“ Mit anderen Worten: „Der Sensenmann kann kommen. Ich habe mein Leben genossen.“ Die Ärzte machten ihm Mut. Weitere Untersuchungen und OPs seien erforderlich. Noch gibt es Hoffnung auf eine Heilung.

    Ich verbrachte noch 24 Stunden mit ihm allein im Krankenzimmer. Wir unterhielten uns über dieses und jenes. Nicht einmal hatte ich den Eindruck, dass in ihm Selbstmitleid aufkam. Der alte Mann hat mir imponiert. – Wir wissen nicht, wann in unserem eigenen Leben der Vorhang fällt. Aber wenn wir in dem Moment sagen können: „Ich habe viel erlebt!“, müssen wir uns über Versäumnisse nicht grämen.

  3. Halbjahresbilanz

    Hirn und Muskeln lassen nach. Das ist ein natürlicher Prozess namens Altersschwäche. Was tun? Meine Antwort: Lebensfreude bewahren. Manche Schachspieler eilen von einem Seniorenturnier zum nächsten. Mein Ding wäre das nicht. Stets alte Leute um mich herum, nein danke. Es reicht, wenn ich morgens in den Spiegel gucke. Deshalb zieht es mich hinaus in deutsche Landen. Dort treffe ich auf alle Altersgruppen. Von meinen Städtereisen habe ich bereits berichtet. Im vergangenen Jahr waren es 52 Städte, die ich besucht habe. Inzwischen habe ich alle deutschen Großstädte der Top 50 besucht, zuletzt Ludwigshafen und damit die hässlichste (tut mir leid). Von den insgesamt 80 deutschen Großstädten (>100.000 Einwohner) fehlen mir nur noch wenige.

    Meine Reiseziele richten sich nach Motiven und Sonnenstunden. Am Ende des Jahres werden daraus Fotobücher. Im letzten Jahr waren es zwei: die schönsten historischen Rathäuser sowie die schönsten und höchsten Kirchtürme Deutschlands (jeweils 90). Dafür zog es mich z.B. nach Alsfeld (Hessen) und Ulm (Baden-Württemberg). Die Besteigung des höchsten Kirchturms der Welt gehörte dazu. Im ersten Halbjahr 2025 habe ich bereits 35 Städte besucht. Es begann am 14. Januar in Darmstadt und endete am vergangenen Mittwoch in Erlangen. Erlangen gehört zu den schönsten kleinen Großstädten, die ich bislang besucht habe. Vor Beginn meiner Bahnreisen stehe ich um 4:30 Uhr auf und komme am frühen oder späten Abend zurück. Nur einmal habe ich mir in diesem Jahr eine Hotelübernachtung in Mannheim gegönnt.

    Auf meine Reisen bereite ich mich akribisch vor. 90 % meiner Vorbereitung kann ich vor Ort umsetzen. 10 % bleiben fürs Improvisieren. Bei Schachspielern ist das umgekehrt. 90 % der Vorbereitung auf den nächsten Gegner sind für die Katz. Und Niederlagen hagelt es so oder so. Ich gewinne immer! Dazu passt dieser Satz von Friedrich Nietzsche: „Kein Sieger glaubt an den Zufall.“ Dennoch frage ich mich manchmal: „Wie kann das sein? Heute Nachmittag warst du noch in Cottbus (am 6. März) und sitzt jetzt wohlbehalten auf deinem Sofa.“ Das grenzt fast an ein Wunder, denn kaum ein ICE war annähernd pünktlich. – Übrigens fahre ich morgen nach Neuburg an der Donau.

    1. Roßrennen – Katapultschießen – Schach

      Mein Ausflug nach Neuburg an der Donau hat sich gelohnt. Die Stadt ist schön abgesehen vom ätzenden Autoverkehr unterhalb des Schlosses. Am vergangenen Wochenende gab es ein dreitägiges Schlossfest, das am nächsten Wochenende wiederholt wird. Das Motto lautet: „Renaissance erleben!“ Offenbar ist der Andrang sehr groß. Das Equipment lässt dies vermuten.

      Ein Holzschild mit den Hinweisen (siehe oben) hat mich neugierig gemacht. Die 30.000 Einwohner zählende Stadt hat tatsächlich einen Schachklub mit immerhin 67 Mitgliedern. Wer Lust hat, kann an deren Aktivitäten am kommenden Freitag und Sonntag teilnehmen. Vorausgesetzt, ihr fallt vorher nicht vom Pferd und werdet nicht vom Katapult getroffen. Anschließend dürft ihr jubeln:
      „Am Sonntag ziehen wir im Umzug mit und nehmen gerne Jubelrufe entgegen.“

  4. Auf der Website der Schachfreunde Ricklingen (ihr wisst schon) habe ich eine nette Spielerei aus dem Jahr 2024 gefunden. Die soll KI generiert sein. Ich habe mal meine natürliche Intelligenz (was davon noch übrig ist) bemüht und das Lied um drei Strophen ergänzt. Vorsingen kann ich leider nicht.

    Trick und Track sind hier auf Zack,
    schieben Klötze hin und her,
    nehmen Damen Huckepack
    und sind dieselben noch so schwer.

    Ist die DWZ im Keller,
    scheint die Sonne anderswo,
    statt Rumpsteak gibt´s ´nen Kinderteller,
    das macht Veganer ziemlich froh.

    2025 ist zur Hälfte rum,
    das Brett vorm Kopf ist noch komplett,
    wir bohnern das Linoleum,
    verlieren ja, doch das adrett!

  5. Borussia Neunkirchen 2:1 Hannover 96

    Das war in der Spielzeit 1964/65 der im Vorjahr gegründeten Fußballbundesliga. Wart ihr da auf der Welt? Ich schon. Deshalb kann ich mich daran erinnern. Die heutigen Ergebnisse sind indes im Nu aus dem Kopf. 96 war zusammen mit Borussia Neunkirchen in die Bundesliga aufgestiegen. Nach zwei sensationellen Auftaktsiegen gegen den 1. FC Köln und Borussia Dortmund belegte 96 den 1. Tabellenplatz. Am Ende war es der 5. Platz. Die Euphorie in Hannover war entsprechend groß. Borussia Neunkirchen wurde währenddessen Zehnter. Ein Jahr später kam der Abstieg, im Folgejahr der Wiederaufstieg. Nach der Saison 67/68 verabschiedete sich Neunkirchen für immer aus dem Oberhaus des deutschen Fußballs.

    Gestern am Ruhetag der Tour de France habe ich einen Ausflug nach Neunkirchen gemacht. Das liegt bekanntlich im Saarland – unweit von Elversberg. Das Wetter hat erstaunlicherweise mitgespielt. Insofern kann ich nur Gutes über die Stadt berichten. Den Heimsieg über 96 habe ich den Neunkirchenern längst verziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Hannover 96 und Borussia Neunkirchen jemals wieder gemeinsam in der Fußballbundesliga spielen, ist sehr, sehr gering. Deshalb dachte ich mir, ich erzähle euch ein bisschen aus der Vergangenheit.

  6. Kölner Treff

    „Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen.“ Matthias Claudius hatte recht. Rund zweieinhalb Stunden dauerte meine Rückfahrt mit der Regionalbahn von Neunkirchen nach Frankfurt. In Mainz wurde der Zug richtig voll. Ich saß an einem Vierertisch. Die gerade freigewordenen Plätze wurden sofort belegt. Zwei Ehepaare, geschätzt Mitte Fünfzig, waren zugestiegen. Eine der Frauen setzte sich auf ihren Koffer, die andere öffnete eine Box und zauberte eine Flasche Freixenet hervor. Sektkelche aus Plastik waren dabei. Sie schenkte ein und fragte mich, ob ich ein Gläschen mittrinken wolle. Ich bejahte, und so kamen wir ins Gespräch.

    Die Vier stammen aus Köln. Ich ahnte es. Deren Fröhlichkeit ließ keinen anderen Schluss zu. Ich fragte nach deren Reiseplänen. Eine Übernachtung am Frankfurter Flughafen, dann für 10 Tage auf die Philippinen, dann nach Singapur und zum Abschluss nach China. Wow! Man gönnt sich ja sonst nichts. Das Wort „Flugscham“ habe ich selbstredend nicht in den Mund genommen. Hoffentlich reicht deren Sektvorrat, dachte ich mir und wünschte ihnen eine gute Reise.

    Ab Frankfurt ging es mit dem ICE zurück nach Hannover. Diesmal saß ein Ehepaar aus Stade neben mir. Ich musste sofort an Peter Moje denken. Die beiden waren allerdings „not amused“. Sie kamen von einem Kurzurlaub mit dem Flugzeug aus Rom zurück. In Frankfurt musste der Flieger sozusagen notlanden, weil über Hannover angeblich ein Gewitter tobte. Gewitter gab’s woanders. In Hannover war das Wetter friedlich. Das wussten die Stader, und deshalb ärgerten sie sich, dass sie mit dem ICE, der eine halbe Stunde Verspätung hatte, zum Hauptbahnhof Hannover fahren mussten. Von dort aus sollte es mit dem Taxi zum Flughafen Langenhagen gehen. Ihr PKW stand dort im Parkhaus. Vermutlich waren sie um Mitternacht statt um Zwölf Uhr Mittag zuhause. Mehrmals hörte ich das geflügelte Wort: „Servicewüste Deutschland“.

    Mein geflügeltes Wort lautet: „Ein Leben ohne Schach ist möglich, aber viel aufregender.“ Fairerweise möchte ich ergänzen: „Ohne Schach wäre aus mir ein armseliger Wicht geworden.“

  7. Tumult am Vierertisch

    Bevor ihr ins Sommerloch fallt, möchte ich euch eine Bahngeschichte erzählen, die ich im vergangenen August erlebt habe. Ich hatte einen Tagesausflug nach Chemnitz gemacht. Bekanntlich ist Chemnitz in diesem Jahr Europas Kulturhauptstadt. Vorher wollte ich nach dem Rechten sehen und war durchaus angetan.

    Auf meiner Rückfahrt nach Hannover war ich auf die Mitteldeutsche Regiobahn angewiesen, die von Chemnitz nach Elsterwerda fährt. Etwa 8 Minuten vor Abfahrt stieg ich in den Zug ein, der aus drei Wagen bestand. Zu dem Zeitpunkt war der Zug bereits ziemlich voll. Deshalb war ich froh, einen Sitzplatz an einem Vierertisch gefunden zu haben. Schräg gegenüber saß eine Dame Mitte 50, Gewichtsklasse Édith Piaf. Ihr Handgepäck bestand aus zwei Taschen, die sie neben sich auf dem Sitz platziert hatte. Das entspricht der Verkehrssitte und ist normalerweise nicht zu beanstanden. Was jetzt folgte, war indes filmreif.

    Der Zug wurde immer voller. Plätze, die vorher durch Rucksäcke und dergleichen belegt waren, wurden anstandslos freigemacht. Nach kurzer Zeit gab es keinen Sitzplatz mehr. Deshalb fragten mehrere Fahrgäste die mir gegenübersitzende Dame, ob der Platz frei sei. „Besetzt!“, war stets ihre Antwort. Eine Dame Mitte 40, Gewichtsklasse Steffi Graf, wollte das nicht glauben: „Wann kommt denn diese Person?“ „Das geht Sie gar nichts an!“, antwortete sie barsch in breitem Sächsisch. Der Dame Mitte 40 wurde das zu bunt. Sie griff sich die beiden Taschen, legte diese auf den Tisch und setzte sich auf den Platz. Die Gegenwehr fiel heftig aus. Die Dame Mitte 50 wurde hysterisch. Sie schubste, rangelte und schrie mehrmals: „Die Frau stinkt. Die Frau hat Alkohol getrunken. Die Frau stinkt aus dem Mund!“ Es war oberpeinlich. Mehrere Fahrgäste schalteten sich verbal ein und wollten die Bahnpolizei holen. In dem Moment fuhr der Zug los. Die Dame Mitte 40 blieb tapfer aus dem erkämpften Platz sitzen.

    Eine Viertelstunde später stieg die Dame Mitte 50 in Mittweida mit entsprechender Begleitmusik aus. Die Dame Mitte 40 sagte kein Wort mehr. Sie vertiefte sich stattdessen in ein Buch: „Kairos“ von Jenny Erpenbeck. Kairos ist ein Begriff, der aus dem Altgriechischen stammt. Es geht um den günstigen Zeitpunkt einer Entscheidung, dessen ungenutztes Verstreichen nachteilig sein könnte. Quod erat demonstrandum! – Ich hatte nicht den Eindruck, dass diese Dame alkoholisiert war.

    1. Es freut mich, dass wir auch in Belgien gelesen werden. Wenn Ihr Anliegen nicht vertraulich gedacht ist, können Sie das gern an dieser Stelle äußern.

  8. Liebe Moerser und Moerserinnen

    Gestern war ich in Bergisch Gladbach. Die Stadt hat kaum jemand auf dem Schirm. Und dennoch handelt es sich um eine der 80 Großstädte in Deutschland. Dort sind Caroline und Wolfgang B. beheimatet. Aber das erwähne ich nur, weil am kommenden Sonntag in NRW die Kommunalwahlen stattfinden.

    Die Zugbegleiterin war schon um 5:30 Uhr gut gelaunt. „Dieser Zug ist ein ICE“, tönte es aus dem Lautsprecher, „das Deutschlandticket und das Mein-Handy-ist-leer-Ticket haben deshalb keine Gültigkeit!“ Yeah! Ich bin Oldschool. Mein Online-Ticket drucke ich immer aus. Dann sieht jeder ohne Akkuzustand schwarz auf weiß, wo ich hinwill. Erstaunlicherweise komme ich mit meinem „Mein-Kopf-ist-leer-Ticket“ stets ans Ziel. Noch.

    Bergisch Gladbach liegt im Bergischen Land rechtsrheinisch auf der Höhe von Köln. Mit der S- oder U-Bahn ist man in gut zwanzig Minuten dort. 1975 gab es eine Gebietsreform. Bei der Gelegenheit wurde die bis dahin selbständige Stadt Bensberg eingemeindet. Für Bergisch Gladbach war das ein Gewinn; u.a. wegen des überregional bekannten Schlosses, in dem sich ein 5* Hotel inkl. Sterne-Koch befindet.

    In Köln habe ich mich auch ein paar Stunden aufgehalten. Wir hatten Kaiserwetter. Die sympathischen Fans der Nordiren trudelten ein, Triathleten nutzten den Rhein für ihre erste Disziplin und 160 Organisationen hatten ihre Stände anlässlich des Ehrenamtstags aufgebaut. Ob Funktionäre aus der Schachszene dazu gehörten? Eher nicht.

    Wie immer stellt sich die Frage: Warum erzähle ich das? Die erste Antwort kennt ihr: Altersschwache Schachspieler müssen nicht auf dem Sofa verharren oder von Seniorenturnier zu Seniorenturnier tingeln. Die zweite Antwort richtet sich an die Einwohner von Moers: Die kleinste und damit letzte der 30 Großstädte (ca. 101.000 Einwohner) in NRW fehlt noch auf meiner To-do-Liste. Putzt eure Stadt heraus! Ich komme! Demnächst in diesem Lichtspielhaus. Nee, das war früher…

    1. Moerser, ihr seid die Allerletzten!

      Gestern und vorgestern habe ich die drittletzte und zweitletzte Großstadt besucht, die mir noch in meiner Sammlung fehlten. Ihr wisst schon: Pforzheim und Reutlingen. Dafür habe ich in einem Stuttgarter Hotel übernachtet. Bei der Gelegenheit habe ich mir auch Tübingen angesehen. Den Tübingern fehlen rund 8.000 Einwohner an der Schwelle zur Großstadt. Die Altstadt hat mindestens so viel zu bieten wie Rothenburg ob der Tauber mit dem Unterschied, dass Tübingen lebendiger ist. Die Touristenströme sind ungezwungen. Guides mit Schildern, denen organisierte Semirentner aus allen Herren Ländern geduldig folgen, habe ich nicht gesehen.

      Reutlingen hat auch eine schöne Altstadt. Dort gibt es die engste Straße der Welt. Maximale Breite: 31 cm. Das ist nichts für vollschlanke Schachspieler und -Spielerinnen. – Um Pforzheim zu lieben, muss man dort geboren sein. Die Schmuckstadt ist ziemlich schmucklos. Gleichwohl gibt es auch dort Stellen mit einem Wohlfühlfaktor. Dass Pforzheim städtebaulich nicht mehr zu bieten hat, hat historische Gründe. Wir Hannoveraner kennen das Problem.

      Um die Städte aufzusuchen, war ich 6x auf eine Regionalbahn angewiesen. Fünfmal waren die Züge so rappelvoll, dass ich froh war, diese lebend verlassen zu können. Am schlimmsten war es auf meinem Rückweg am Freitagnachmittag von Tübingen. Abends spielte der VfB Stuttgart gegen St. Pauli in der Fußballbundesliga. An jedem Unterwegsbahnhof stiegen weitere Fans hinzu. Die waren zwar friedlich, aber so muss der Vorhof zur Hölle aussehen: eng, laut und heiß.

      Auf meinem Rückweg am Samstag von Reutlingen fuhr der Zug am Spiellokal der Schachfreundinnen Deizisau vorbei. Gestern und heute werden dort in der Frauenbundesliga die ersten beiden Runden ausgetragen. Im Vorbeifahren habe ich wie verrückt gewunken, aber mich hat wohl niemand bemerkt. Schachspieler und Schachspielerinnen sind bei solchen Gelegenheiten wie in einem Tunnel, wenn sie nicht gerade auf ihr Smartphone starren.

      Bleibt noch Moers übrig. Dafür werde ich mir einen goldenen Oktobertag aussuchen.

  9. Geschafft!

    Gestern war ich in Moers. Der Name leitet sich von Morast ab. Der Rhein hatte Schuld. Heute ist die Stadt in trockenen Tüchern. Meistens. Mit 101.500 Einwohnern liegt Moers an der unteren Großstadtschwelle. Etwa die gleiche Einwohnerzahl hat Salzgitter. Salzgitter ist allerdings ein Kuriosum. Stadtkern: Fehlanzeige. Stattdessen: 7 Ortschaften, die aufs Land verteilt sind. Flächenmäßig ist Salzgitter mit 225 km² indes eine der größten Städte Deutschlands. Hannover hat rund 20 km² weniger.

    Bis vor kurzem galt auch Hildesheim als Großstadt. Dann kam der Zensus, dessen Fehlerquote bei Plusminus 50 % liegt, und degradierte Hildesheim mit rund 98.500 Einwohnern zu einer Mittelstadt. In Hannover lag der Schwund bei 25.000 Einwohnern. Zum Glück ist unser Polster groß genug, sonst wären wir womöglich in die dritte Liga abgestiegen. Niedersachsen hat übrigens 7 Großstädte: Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück, Wolfsburg, Göttingen und Salzgitter.

    Bei Sonnenschein sind alle Städte schön – ob groß oder klein. Moers macht dabei keine Ausnahme. Einen gediegenen Charme hat die ehemalige Bergarbeitersiedlung Meerbeck. Häuser und Straßen sind herausgeputzt. Hier könnte auch ich mich wohlfühlen; Gelsenkirchener Barock mal ganz anders. Am schönsten ist der Schlosspark. Lister Veganer müssen jetzt stark sein: Neben dem Schloss kann man im Grafschafter Wirtshaus die beste Schweinshaxe nördlich des Weißwurstäquators verzehren!

    Ihr müsst nicht befürchten, dass ich jetzt – nachdem ich alle Großstädte besucht habe – in ein Loch falle. So lange kann ich gar nicht leben, um all die teils verborgenen Schätze unseres Landes aufzuspüren. Oer-Erkenschwick ist so ein Schatz. Plötzlich sorgt der SV Erkenschwick von 1923 für Furore. Mit freundlicher Unterstützung aus Lettland und den Niederlanden haben die Erkenschwicker unseren ruhmreichen Lister Turm in der 2. Bundesliga weggeputzt.

    Zurück zu Moers. Die einzige Person, die ich aus Moers kenne, ist der Kabarettist und Schriftsteller Hanns Dieter Hüsch. Im Mai dieses Jahres wäre er 100 Jahre alt geworden. Zu Ehren ihres Ehrenbürgers hat Moers einen Platz nach ihm benannt. Hüschs vielleicht bekanntestes Lied aus dem Jahr 1973 habe ich euch bereits an anderer Stelle vorgestellt. Der Titel passt wie die Faust auf meine Elaborate, und die letzte Strophe ist zeitlos wie eh und je:

    Und ich mach dummes Zeug
    Delirium, Delarium, Delirium, Delarium, Löffelstiel,
    Ja, die Weltgeschichte ist doch ein äußerst vielseitiges schöpferisches Spiel,
    Mal Folter, mal Frohsinn, mal Frohsinn, mal Folter auf jedem Gebiet,
    Und dazu dann das passende Lied.
    Schnabadi schnabadu dadabab da
    Schnabadi schnabadu dadabab da
    Dabadabadab dadidabda…

  10. Gerhard, du bist der Hammer!

    Die Überschrift ist kein Eigenlob, sondern Bestandteil eines Spams aus Vietnam. Nichtsdestotrotz habe ich gerade wie ein Auktionator den Hammer fallen lassen und mir ein Bahn-Ticket für den Juni 2026 gekauft. Nach München mit dem ICE am selben Tag hin und zurück für 23,74 €. Ihr habt richtig gelesen. Für diesen Preis könnt ihr in Hannover allenfalls eine Taxifahrt unternehmen.

    Es handelt sich um einen Aktionsrabatt für einen Super Sparpreis mit der BahnCard 50 und Altersvergünstigung in der 2. Klasse. Wer die gleiche Fahrt als Flexpreis (keine Zugbindung) ohne Vergünstigungen buchen wollte, müsste dafür 372,00 € bezahlen. Für eine eventuelle Sitzplatzreservierung kämen 11,00 € hinzu. Jetzt kommt’s: In der 1. Klasse würde die gleiche Fahrt sage und schreibe 700,00 € kosten! Für Nostalgiker: 1.400 DM. Das ist das 30-fache dessen, was ich bezahle. Boah Bahn. Tja, die Tarife der Deutschen Bahn sind unergründlich. – Was ich in München machen werde, weiß ich noch nicht. Schachspielen keinesfalls, aber Stadtbild gucken ist eine Option.

  11. Das teuerste Buch der Welt

    Gestern habe ich einen Ausflug nach Herzberg am Harz gemacht. Ich fühlte mich wie der Prinz im Märchen Dornröschen. Es schien, als sei das Schloss Herzberg in einen hundertjährigen Schlaf verfallen. Vom Bahnhof ging ich die steilen Stufen hinauf. Kein Mensch weit und breit. Es war halb elf. Im Innenhof stehen Fassadengerüste. Das Schloss wird saniert. Man ahnt es: Wenn die Arbeiten fertig sind, wird es ein Schmuckstück.

    Das Schlossmuseum ist indes fertig. Über einen behelfsmäßigen Seiteneingang trat ich hinein. Eine Dame saß mutterseelenallein hinter einem Tresen. Sie freute sich offensichtlich, als sie mich sah. Ich war der erste Besucher an diesem Tag und blieb der einzige bis zum Ende meines Rundgangs. Das Museum ist wirklich sehenswert. Wer will, kann im Rittersaal getraut werden. Dort hängen alte Schinken an der Wand, z.B. Ernst-August von Braunschweig-Calenberg (1629-1698). Er starb in Hannover-Herrenhausen.

    Als ich das Museum verlassen wollte, fiel mein Blick auf ein eher unscheinbares Buch unter einer Glasabdeckung. Ich las „Evangeliar“ und guckte ungläubig. Es kam mir bekannt vor. „Das ist das teuerste Buch der Welt!“, rief die Dame hinter dem Tresen. „Für 32,5 Mio. DM wurde es 1983 vom Londoner Aktionshaus Sotheby’s versteigert.“ Allerdings sei das Exemplar nur eine Kopie. Das Original liegt in Wolfenbüttel (dort wohnt bekanntlich Niedersachsens Schachpräsident). Aber auch die Kopie soll 30.000 DM gekostet haben. „Jedes Jahr blättern wir eine Seite weiter“, sagte die Dame frohgemut, und ich antwortete ihr: „Dann komme ich wieder!“

    Ich erzähle euch diese Geschichte, weil meine eigene Vita davon ein bisschen betroffen ist. 1983 gab es nicht nur den Ankauf des Evangeliars, sondern auch den politisch hochumstrittenen Ankauf von 40.000 Münzen aus dem Welfen-Schatz. Die haben damals schlappe 16,2 Mio. DM gekostet. Im Jahr 2009 hat Niedersachsen diese für 5.0 Mio. Euro zurückgekauft, um zu verhindern, dass diese weltweit verhökert werden.

    Für diese Münzsammlung wurde vor 40 Jahren in Hannovers City in einem bestehenden Bankgebäude ein Münztresor errichtet. Der Tresor ist etwa so groß wie ein Wohnzimmer, besteht aus 50 cm dicken Umfassungswänden, die mit dem hochwertigsten Beton und einer Drillbewehrung von Bode-Panzer erstellt wurden; inkl. Erschütterungsmelder. Einbruch zwecklos! An der Errichtung hatte ich einen gewissen Anteil. Es war eine meiner abenteuerlichsten Baustellen. Die Erinnerungen daran wurden gestern wachgeküsst.

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