Erst hatten wir kein Pech, und dann kam auch noch Glück dazu. Wer glaubte, dass wir nach unserem Auswärtssieg beim Tabellenführer der Oberliga Nord West leichtes Spiel mit dem punktlosen Tabellenletzten hätten, sah sich getäuscht. Wenn man von vornherein mit 1:0 führt, weil der Gegner ein Brett nicht besetzt hat, kann man nicht von Pech sprechen, es sei denn, man stellt sich die Frage, ob für den derart beschenkten Spieler der Sonntag nicht ein verlorener Tag ist. Solche Geschenke hat Hannover 96 in dieser Saison bereits fünfmal verteilt. Offenbar steckt bei denen der Wurm drin, was sich im Absturz der beiden ersten Mannschaften widerspiegelt.
Kommen wir zum Glück. Drei Stunden nach dem Anpfiff, den ich live erlebt hatte, kehrte ich in unser Spiellokal zurück. Zwischendurch vernahm ich Gold-Lauras derben Leitspruch, den sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk lauthals zum Besten gab: „Scheiß da nix, dann feid da nix.“ Mein Wahlspruch: „Ein Leben ohne Magdalena Neuner ist möglich, aber sinnlos“, ist damit obsolet. Auf „obsolet“ komme ich später zurück. – Vor dem Eingang zum Spiellokal hörte ich die frohe Botschaft eines kompetenten Zuschauers: „Alle stehen gut, außer Bernd.“ Davon konnte ich mich selbst überzeugen, gleichwohl kippten im Anschluss die meisten Partien zu unseren Ungunsten.

Unser Glück wurde auf eine harte Probe gestellt. Bevor ich darauf – wie gehabt – subjektiv eingehe, möchte ich unseren jüngsten Spieler und jüngsten Vater besonders hervorheben. Nachdem Dennie mit Otto Borik zuvor einen Internationalen Meister am Rand einer Niederlage hatte, holte er sich diesmal den Skalp eines anderen IM, und zwar den von Alexander Bangiev. Das tat er so eindrucksvoll, dass ich aus dem Staunen nicht herauskam. Das Staunen begann bereits mit Dennies Anfahrt. Dass er mit seinem Drahtesel, bei dem der Draht völlig losgelöst dem Fahrtwind ausgesetzt war, unversehrt das Spiellokal erreicht hatte, war ein kleines Wunder.
Brett 1 Izrailev, Alexander (Hannover 96) 1-0 Schirm, Friedmar (SFH)

Weiß hatte lang rochiert. Friedmars Angriff auf dem Damenflügel sah verheißungsvoll aus, verpuffte jedoch und endete in einem Endspiel mit ein paar Minusbauern.
Brett 2 Ackermann, Dennie (SFH) 1-0 IM Bangiev, Alexander (Hann. 96)

Bangievs Stonewall in der Holländischen Verteidigung wurde von Dennie dermaßen zertrümmert, als wolle er dem größten Narzissten aller Zeiten eine Botschaft über den Großen Teich senden: „Mauern sind obsolet.“ Ein taktischer Schlag beendete die einseitige Partie. Bangiev hatte drei Möglichkeiten: auf g7 oder g8 mattgesetzt zu werden oder aufzugeben. Er entschied sich für die letzte Variante.
Brett 3 Piepho, Niels (Hannover 96) 1-0 Kaimer, Thomas (SFH)

Nach der Eröffnung hatte Tom eine dynamische Stellung erreicht. Leider fasste er einen falschen Plan, der ihn schnell in eine aussichtslose Lage brachte.
Brett 4 Liebau, Andreas (SFH) ½ – ½ Helmer, Christoph (Hann. 96)

Suboptimal war auch der Verlauf von Andreas‘ Partie. Sein vermeintlicher Stellungsvorteil mündete in einer passiven Stellung, die er mangels geeigneten Hebels seines Gegners halten konnte.
Brett 5 Ljubarskij, Juri (Hannover 96) 1-0 Fritze, Bernd (SFH)

Unser Top-Scorer wurde mit seinen eigenen Waffen geschlagen: den Gegner positionell einschnüren, bis der wie das Kaninchen vor der Schlange keinen Ausweg findet. Was Juri in seinem hohen Alter (Jahrgang 1933) immer wieder aufs Schachbrett zaubert, ist bewundernswert.

Als die Partie eigentlich schon entschieden war, gab es einen ungewöhnlichen Zwischenfall: Bernd hatte – gezeichnet von den Anstrengungen – ein Schachgebot seines Gegners übersehen und stattdessen selbst Schach gegeben. Das war ein unmöglicher Zug. Juri glaubte, die Partie sei damit beendet und begann unversehens, die Figuren einzupacken. Er wurde eines Besseren belehrt. Bernds Zug wurde zurückgenommen. Im Anschluss bekam Bernd Oberwasser. Plötzlich sah es nach einem Remis durch Dauerschach aus. Eine längst abgeschriebene Partie versprach einen halben Punkt abzuwerfen. Glück, ick hör dir trapsen. Irgendwie gelang es Juri doch, den Schachgeboten zu entkommen und Bernd zur Aufgabe zu zwingen.
Brett 6 Meier-Hoffmann, Daniel (Hann. 96) ½ – ½ Herrmann, Andreas

Alles Glück dieser Welt hatte diesmal Andreas gepachtet. Seine gute Stellung nach der Eröffnung entpuppte sich als labil. Erst ein, dann zwei, dann drei Bauern waren perdu. Was macht man in solchen Fällen? Richtig, man fischt im Trüben (oder gibt auf). So trübe war die Stellung nicht, aber sein Gegner blickte dennoch nicht durch, verlor einen Springer und wenig später seine ganze Bauernherrlichkeit. Es entstand ein Endspiel mit Turm+Springer gegen Turm. Sowas kann man gewinnen, aber nur wenn der Gegner mitspielt. Der hatte jetzt den Durchblick. Andreas knetete ihn eine Weile. Als Arthur den vollen Punkt eingesackt hatte, willigte Andreas in das Remis ein. Das 4:4 war damit perfekt. Aber ein (unverdienter) 4,5:3,5 Brettpunktesieg lag in der Luft.
Brett 7 Edel, Thomas (SFH) +- Phunhon Lopez, Daniel (Hannover 96)

Meinen Kommentar siehe Einleitung.
Brett 8 Kölle, Arthur (SFH) 1-0 Kiselev, Alexander (Hannover 96)

Grübel. Grübel. Ein schlapper Bauer war aus Arthurs überlegenem Mittelspiel übrig geblieben. Das Springerendspiel war kniffelig. Das Brett war leergefegt bis auf Arthurs Bauern, der auf f7 stand und den beiden Springern. Obwohl der gegnerische Springer das Umwandlungsfeld im Visier hatte, konnte Arthur diesen ablenken. Ob das zwingend war? Wer weiß? Wäre die Partie Remis ausgegangen, hätten wir den Kampf gegen Hannover 96 (nicht unverdient) verloren.