Nachdem bekannt geworden war, dass Peter Orantek (SK Kirchweyhe) den Rechtsstreit mit der Bundesliga e.V. krachend gewonnen hat, herrschte eine Weile Funkstille. Dank Conrad Schormann ist nun die Katze aus dem Sack. Wir erfahren, dass mit dem Gerichtsurteil nichts entschieden ist, die von Jürgen Kohlstädt vorgenommenen Klasseneinteilungen fraglich sind, und die Rechtsstreitigkeiten voraussichtlich weitergehen werden.
Als ich davon hörte, dass der HSK Lister Turm als drittplatzierte Mannschaft in die Bundesliga aufgestiegen sei und nicht der SV Glückauf Rüdersdorf, dachte ich an einen freiwilligen Verzicht. Mitnichten! Denen wurde aufgrund des § 8 der Turnierordnung der Aufstieg verwehrt. Mit der gleichen Begründung sollte der SK Kirchweyhe aus der Bundesliga absteigen, obwohl der Klub den Klassenerhalt locker geschafft hatte. Abgesehen davon, dass die Bundesligavereine für die Gerichtskosten aufkommen müssen, fühlen sich weitere Vereine ungerecht behandelt und drohen mit Klagen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Bundesliga in der Saison 2023/24 in der derzeitig geplanten Form ablaufen wird. Es gibt einen Vorschlag des SV Deggendorf und der Schachfreunde Berlin, wonach die Bundesliga auf 20 Mannschaften aufgestockt und in zwei Staffeln aufgeteilt wird. Die jeweils fünf besten Mannschaften würden dann in einer Endrunde um den Titel kämpfen.
Das Hauen und Stechen hinter den Kulissen wird weitergehen. Das bekommt auch des HSK Lister Turm zu spüren. Theoretisch können auch die Mannschaften in den 2. Bundesligen und den Oberligen betroffen sein.
Grundsätzlich halte ich die Schachbundesliga für reformbedürftig. Der Weg über das Punktesystem gemäß § 8 TO ist jedoch hanebüchen. Das vernichtende, 20-seitige Urteil im Schiedsverfahren sagt alles. Insofern gebe ich Peter Orantek völlig recht. Man mag sein Modell für falsch halten, aber dann muss es faire Zulassungsbedingungen geben, die keinen Verein von vornherein benachteiligen. Der § 8 TO war dafür ungeeignet.
Eine Bundesligasaison ist erstmal sehr teuer. Fahrtkosten, Hotels, Miete für Räume, Schiedsrichter, Catering. Alles das ist locker fünfstellig in der Summe. Dazu können Strafgelder kommen wegen freier Bretter, fehlender oder zu kleiner Spielorte. Wenn dann der Sponsor fehlt wird’s eng.
Die Erste des HSK wirkte auf mich hochmotiviert, in der Bundesliga zu spielen. Sollen sie es wagen. Es ist nicht mein Geld.
Zu Glauben, dass diese ganzen Regelungen mit der Bevorzugung einheimischer Spieler europarechtskonform sind, ist bestenfalls naiv.
Am 24.05.2023 hat Felix Hampel auf der Webseite des HSK zum Thema Geld folgendes geschrieben:
Für den HSK Lister Turm hoffe ich, dass es die Sponsoren mittlerweile gibt; sonst hätte sich der Verein meines Erachtens nicht für die Bundesliga anmelden dürfen. Dem SV Lingen war das Abenteuer Bundesliga bekanntlich misslungen. Eine Chaossaison dürfte die Zusammenarbeit mit Sponsoren zudem erschweren.
Leider ließ der frühe Termin des Antrags für die Bundesliga es nicht zu, zuerst die Sponsoren zu suchen. Den aktuellen Sachstand kenne ich aber auch nicht (obwohl selber Mitglied beim HSK Lister Turm).
Bundesliga vor dem Aus?
Keine Bange. Es handelt sich um eine aktuelle Schlagzeile, die sich auf Rugby bezieht. Die Probleme sind indes ähnlich. Die HAZ berichtet, dass es wegen einer umstrittenen Bundesliga-Reform zu einem Streit zwischen dem Rugby-Dachverband und den Bundesligavereinen gekommen ist. Betroffen ist auch Victoria Linden. Die haben zu wenig aktive Schiedsrichter gemeldet und sollen deshalb keine Lizenz erhalten. Naja, das könnte ich vielleicht verstehen, denn Rugbyspiele ohne Schiedsrichter kann ich mir schwer vorstellen. Schachwettkämpfe ohne Schiedsrichter wären jedoch ein Segen. Meistens.
Dem Vernehmen nach sollen die Schachbundesligavereine inzwischen miteinander kommuniziert haben. Ob es ein belastbares Ergebnis gibt, ist noch nicht veröffentlicht worden. Morgen läuft ein Ultimatum ab.
Ich weiß nicht was du gegen Schachschiedsrichter hast (bis auf die Kosten). Besonders was das Einstellen der Uhren angeht. Alleine in der letzten Saison musste ich zweimal feststellen, dass Uhren falsch eingestellt waren.
Da wäre ein Schiedsrichter hilfreich gewesen.
In der Vergangenheit hatte ich als Mannschaftsführer dass Einstellen der Uhren auch einmal dem anwesenden freundlichen Oberligaschiedsrichter überlassen (der eigentlich für meinen Mannschaftskampf nicht zuständig war). Ich selber hatte die Anleitung zuhause vergessen.
Dazu habe ich mich schon an anderer Stelle ausführlich geäußert. In Kurzform diese Argumente:
• Schach ist eine Sportart, die ohne Schiedsrichter auskommt.
• Unstimmigkeiten können mit oder ohne Schiedsrichter auftreten (gilt auch für das Einstellen der Uhren).
• Schiedsrichter sind überfordert, wenn sie sich um mehrere Partien gleichzeitig kümmern müssen.
• Schiedsrichter kosten Geld und sitzen die meiste Zeit tatenlos herum.
• Die exzessive Schiedsrichterausbildung fördert das Klugscheißertum.
• In meiner Praxis habe ich nicht einmal erlebt, dass ein Schiedsrichter hilfreich gewesen wäre.
Grundsätzlich halte ich es für zweckmäßig, wenn Schiedsrichter bei herausragenden Veranstaltungen (z.B. Schachbundesliga) eingesetzt werden. Ansonsten sollten wir uns am Leitbild des DSB orientieren:
Schach ist Sport, Schach ist Spiel, Schach ist Kunst, Schach ist Wissenschaft.
Schach ist kein Sammelbecken für Aufpasser und Aufpasserinnen. Darunter leidet die Geselligkeit.
Warten auf CoScho (Conrad Schormann)
Morgen endet die Wechselfrist für die Schachbundesligisten. Wer gehört dazu? Wer muss draußen bleiben? Wer klagt? Ist die Bundesliga insolvent? Wer gehört noch dem Vorstand an? Was wird aus der 2. Bundesliga? Fragen über Fragen. Aktuelle Infos von Jürgen Kohlstädt: Fehlanzeige. Wir schauen gespannt auf den Bodensee.
CoScho weiß auch nicht alles. Dass Hikaru Nakamura für den SC Viernheim antreten will, ist eine Schlagzeile wert, gleichwohl ist die Zukunft der Schachbundesliga ungewiss. Der SV Glückauf Rüdersdorf, die Schachfreunde Berlin und der SV Deggendorf hatten sich rechtliche Schritte vorbehalten, falls deren Forderungen nicht erfüllt werden. Damit ist zu rechnen, auch wenn die genannten Vereine derzeit nicht die Hosen runterlassen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Peter Orantek nicht die anteiligen Kosten für seinen gewonnenen Prozess zahlen wird. Dann müsste z.B. der HSK Lister Turm nicht nur die 1.000 EUR sinnlos berappen, sondern noch ein bisschen obendrauf. Und wer weiß, welche Prozesse die Bundesliga e.V. noch verliert? Ob es einen Nachfolger für den zurückgetretenen 2. Vorsitzenden Ulrich Geilmann gibt, ist ebenfalls nicht bekannt. – Jürgen Kohlstädt ist einer der vier ehemaligen Protagonisten. Seine beliebte Seite „Aktuelle Infos und Korrekturen“ bleibt indes leer und vermittelt damit den Eindruck, als sei alles in bester Ordnung.
Als ehemaliger Informationssicherheitsbeauftragter habe ich mich mal mit Risikomanagement beschäftigt. Das Risiko berechnet sich durch Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadenshöhe.
Wendet man das auf das Punktesystem gem. § 8 TO an wird klar, dass man solche offensichtlich EU-Recht widrigen Regelungen nicht in Kraft setzen sollte.
Gibts eigentlich vergleichbare Regelungen in anderen Bundesligen?
In der Eishockey-DEL gibts ein 8.000 Punkte-System für den Aufstieg. Dabei gehts aber nur um die Ausstattung des Stadions, also nicht um die Staatsangehörigkeit und Heimatnähe der Spieler zu ihren Vereinen.
https://de.wikipedia.org/wiki/DEL-Stadion-Punkte-Plan#Punktevergabe
Begrenzungen für Ausländer und lebensältere Spieler gibt es in der DEL aber auch. Warum diese eine Klage überstehen sollten, erschließt sich mir im Moment nicht:
https://www.allgaeuer-zeitung.de/sport/sport-im-allgaeu/eishockey-oberliga-geaenderte-auslaender-regel-sorgt-fuer-diskussionsstoff_arid-450835
Dass das Punktesystem gemäß § 8 TO rechtswidrig war, wussten die Bundesligisten bereits vor dessen Inkrafttreten. Es gab vorab ein entsprechendes Gutachten. Einige wollten indes mit dem Kopf durch die Wand. Sie hatten nicht mit der Hartnäckigkeit eines Peter Orantek gerechnet. – Bezüglich des Risikos hoffe ich, dass dein Verein seriös kalkuliert hat. Auch wenn vermutlich niemand deiner Vereinskameraden entlohnt wird, fallen für den Spielbetrieb in der 1. und 2. Bundesliga erhebliche Kosten an. Darüber hinaus habt ihr 8 weitere Mannschaften. Für die muss auch etwas Geld übrig sein.
Unser Verein geht mit dem Thema sehr verantwortungsvoll, vorausschauend und für die Mitglieder transparent einsehbar um.
Sonnige Grüße,
Torben
Ich fühlte mich in der ersten Jahreshauptversammlung des HSK auch gut informiert, Torben.
Die Frage für mich, der ich eigentlich aus finanziellen Gründen gegen den Bundesligaaufstieg bin, ist:
Versuche ich einem Vorstand und engagierten jungen Spielern, die nach meinem Eindruck alle aufsteigen wollen, ihren Traum Bundesliga durch meine Neinstimme kaputt zu machen und ziehe mich danach wieder zurück und überlasse anderen die Arbeit?
Nein, ich lasse sie machen.
Darüber hatte ich schon nachgedacht.
1. Es ist nicht mein Geld. Ich zahle nur 120 € Beitrag im Jahr.
2. Wenn der Verein Pleite ist suche ich mir einen neuen.
3. Ich will Leuten, die heiß darauf sind Bundesliga zu spielen, nicht im Wege stehn.
Hängepartie
Für mich ist es ein Rätsel, wie die Bundesligisten seriös kalkulieren sollen, solange die Ausgangslage für die Saison 2023/24 ungeklärt ist. Bekanntlich haben Rainer Polzin (Rechtsanwalt), 2. Vorsitzender der Schachfreunde Berlin, sowie Prof. Dr. Johannes Grabmeier, 1. Vorsitzender des SV Deggendorf, der Schachbundesliga e.V. in einer gemeinsamen Stellungnahme ein Ultimatum gestellt (Auszug):
Offensichtlich fand deren Modell kein Gehör, sonst gäbe es mittlerweile 20 statt 16 Bundesligisten. Watt nu? Klagen die beiden Vereine oder nicht!? Mal unter uns: Ich halte die Argumente der beiden Absteiger für schwach. Die Ansprüche des SV Glückauf Rüdersdorf sind meines Erachtens jedoch berechtigt. Es war leichtfertig bzw. fahrlässig, den HSK Lister Turm ohne ausreichende Prüfung der Rechtslage zum Aufsteiger zu erklären.
Aus dem Statement von Ulrich Geilmann (Ex-Vizevorsitzender der Bundesliga) auf ChessBase werde ich nicht schlau. War er derjenige, der sich das unsägliche Punktesystem ausgedacht hat? Dass die Bundesliga reformiert werde müsste, steht für mich außer Frage, aber bitte nicht nach der Methode eines Türstehers vor einer Disco: „Du musst draußen bleiben!“ Was in der 2. Bundesliga erlaubt ist, gilt in der 1. Bundesliga als Ausschlusskriterium. Der Willkür sind Tür und Tor geöffnet. Dazu hilft ein Vergleich zwischen dem abgelehnten Aufsteiger SV Glückauf Rüdersdorf und dem erlaubten Aufsteiger SC Ötigheim.
Rüdersdorf hat in der 2. Bundesliga Nord ausschließlich polnische Staatsbürger eingesetzt. Der SC Ötigheim errang den Sieg in der 2. Bundesliga Süd mit einem Alibi-Deutschen am 8. Brett, ansonsten kamen nur Ausländer – überwiegend Franzosen – zum Einsatz. Über ein Punktesystem für einen vermeintlichen Ausgleich zu sorgen ist etwa so schlau wie der Emissionshandel in der EU. Ich habe nichts dagegen, wenn eine Schachmannschaft zu 100 % aus Ausländern besteht, wenn diese – wie auch immer – in den Verein integriert sind. Das Söldnertum lehne ich indes ab. Um das einzudämmen, bedarf es intelligenter Lösungen.
Bislang gibt es keine Meldungen darüber, ob die verhinderten Bundesligisten tatsächlich Klage eingereicht haben. Auch Conrad Schormann schweigt, vermutlich weil er als Pressesprecher der Schachbundesliga zurückhaltend sein muss. Vom Staffelleiter J.K. sind sowie keine Infos zu erwarten. Nichtsdestotrotz sind die Mannschaftsaufstellungen der derzeit 16 berechtigten Bundesligisten veröffentlicht worden. Ein Blick auf die Mannschaftsaufstellungen zeigt, dass das gecancelte Punktesystem sein Papier nicht wert war. Spieler an den ersten 8 Brettern mit deutscher Staatsangehörigkeit sind Mangelware. 7 Vereine, also fast die Hälfte, haben nicht einen einzigen gemeldet! Ohne den HSK Lister Turm wären lediglich 16 von 120 Spielern „ortsansässig“. Der Rest tingelt mehr oder weniger durch Europa. Ehrlicherweise hätte der HSK Lister Turm trotz einer grandiosen Saison in der 2. Bundesliga Nord als Dritter nicht aufsteigen dürfen. So wundert es nicht, dass sie in der Rangliste der Top 8 gemeldeten Spieler mit deutscher Staatsangehörigkeit unangefochten an der Spitze stehen:
1. HSK Lister Turm 8
2. Hamburger SK 3
3. SF Deizisau 3
4. USV TU Dresden 3
5. SV Mülheim-Nord 2
6. MSA Zugzwang 2
7. SC Heimbach-Weis-Neuwied 1
8. FC Bayern München 1
9. OSG Baden-Baden 1
10. SK Kirchweyhe 0
11. SV Werder Bremen 0
12. SG Solingen 0
13. SK Doppelbauer Turm Kiel 0
14. SC Remagen-Sinzig 0
15. SC Ötigheim 0
16. SC Viernheim 0
Noch mal: Ich habe nichts gegen den Einsatz ausländischer Schachspieler*innen in der Bundesliga, wenn die Vereinszugehörigkeit „echt“ ist. Aber dann bitte gleiches Recht für alle. Es kann nicht sein, dass einige der etablierten Vereine, die das System seit einer Ewigkeit betreiben, Emporkömmlingen den Zutritt verweigern wollen.