Alle Jahre wieder feiern wir voller Inbrunst ein Ereignis, das nie stattgefunden hat. Über dieses Massenphänomen werde ich hier und heute keinesfalls philosophieren. Weihnachten muss sein. Basta! Untrennbar mit Weihnachten sind zwei Adjektive verbunden: fröhlich und besinnlich. Beginnen wir mit der Fröhlichkeit. Vor zwanzig Jahren bekam ich zu Weihnachten „Das fröhliche Buch für Weihnachtshasser“ geschenkt. Es hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt, wie die Geschichte einer „langfristigen Wollustkäuferin“ beweist. Wir kennen sie alle. Sie beginnt in den Sommermonaten mit ihrer Geschenkeplanung, hat bis September alles zusammen und verbringt die restliche Zeit mit einer gigantischen Verpackungsorgie und dem Schreiben von Geschenkkärtchen.
Besinnlich wurde ich beim Blättern in meinem Schacharchiv. Mir fiel ein Gedicht in die Hand, das unser verstorbener Ehrenvorsitzender Hans Wiehler aufgeschrieben hatte. Hans war auf seine Weise kulturbeflissen. Wenn er etwas Geistreiches entdeckte, versorgte er damit Menschen, die ihm nahe standen. Horst-Peter und ich gehörten dazu. Folgende Zeilen hatte Hans notiert:
Gelegt hat sich der starke Wind
und wieder stille wird’s daheime.
Germania, das große Kind
erfreut sich wieder seiner Weihnachtsbäume. (Heinrich Heine)
Es ist die erste von 14 Strophen aus Heines Gedicht: „Im Oktober 1849“. Man muss das Gedicht im Kontext zur damaligen Zeit verstehen. Die Deutsche Revolution 1848/49 war gerade gescheitert. Wir Deutschen eignen uns nicht für Revolutionen. Es muss schon eine Anweisung von oben kommen. Deshalb liebt der deutsche Michel die GroKo.
Bevor die Besinnlichkeit zu sehr auf unsere Fröhlichkeit drückt, möchte ich das Thema wechseln. Weihnachten ohne Schnee ist wie Weihnachten ohne Schnee. Nämlich schrecklich unromantisch. Angesichts frühlingshafter Temperaturen möchte ich euch deshalb mit einem echten Wintermotiv erfreuen, das ich im Winter 2009/2010 vor dem Hörnumer Leuchtturm aufgenommen habe. Die „Lady in Red“ ist nicht etwa eine Weihnachtsmännin, sondern meine herzallerliebste Gattin, mit der ich am kommenden Samstag 34 Jahre ununterbrochen vertraglich verbunden sein werde.

Dir auch schöne Weihnachten und vielen Dank für die vielen Blogs.Interessant fand ich und für mich auch neu,dass Hans Köster mal niedersächsischer Vizemeister war.Lebt er noch?
I’ll do my very best, Mister Moje. Ob Hans Köster noch lebt, weiß ich nicht. Ich kann dir aber eine hübsche Partie zeigen, die ich 1981 bei den Bezirksmeisterschaften gegen ihn gewonnen habe. Für alle, die als Schwarzer gern Sb8-a6 spielen, ist sie ein Warnsignal. Nachdem der Springer nutzlos 15 Züge lang auf a6 stand, blieb Hans Köster im 25. Zug nur der traurige Rückzug. Dort blieb der Springer bis zum bitteren Ende gefangen. Ab dem 29. Zug war die Partie deshalb gelaufen. Edgar Braun pflegte in solchen Fällen zu sagen: „Den Rest erledigt meine Sekretärin!“ Über Edgar – Gott hab‘ ihn selig – werde ich euch demnächst berichten. (Partie gegen Hans Köster wegen Update der Software nicht mehr verfügbar)
Weihnachten 2019
Vor 6 Jahren habe ich euch das erste Mal frohe Weihnachten gewünscht. Da sich nichts an der Geschäftsgrundlage geändert hat, habe ich meinen damaligen Beitrag aus dem Archiv geholt und nur eine Kleinigkeit geändert.
Was hat sich seitdem getan? Die Welt ist rauer geworden. Der Meeresspiegel steigt. Australien verbrennt. Menschen fliehen. Wutbürger lassen die Sau raus. Selbstverliebte Präsidenten scheren sich nicht um die Zukunft. Aus Pflugscharen werden Schwerter. Und was macht der Deutsche Schachbund? Er zerstört sich selbst.
Wo ist dein Optimismus, Gerhard? Antwort: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Kommentar in diesem Blog schreiben.“
Frohe Weihnachten!
Weihnachten 2025
Vor zwölf Jahren war unser Blog noch blutjung. Zum ersten Mal war Weihnachten ein Thema (siehe oben). Was ist in der vergangenen Zeit nicht alles passiert!? Im November 2017 hatten wir 1 Million Besucher. Nun bin ich mehr oder weniger Alleinunterhalter. Das Schachspielen überlasse ich mittlerweile den Jungspunden. Über mein neues Hobby „Städtereisen“ habe ich mehrmals berichtet. Zu Weihnachten gehören Geschichten mit etwas Tiefgang. Die drei Reiseerlebnisse möchte ich euch erzählen:
6. Mai 2025
An diesem Tag wurde ein neuer Bundeskanzler gewählt. Ich hatte eine Zugfahrt nach Leipzig gebucht. Um 6:37 Uhr sollte der IC in Hannover abfahren. Er fiel aus. Ersatzweise konnte ich eine Stunde später einen ICE nach Berlin mit der Absicht nehmen, von dort aus Richtung Ulm umzusteigen. In Wolfsburg war erstmal Schluss. Eine Behindertenrampe ließ sich nicht mehr einklappen. Der ICE stand und stand. Weiterfahrt ungewiss. Auf dem Nachbargleis fuhr ein weiterer ICE mit Ziel Berlin ein. Wer wollte, durfte umsteigen. Es spielten sich tumultartige Szenen ab, denn der ICE war nur halb so lang und bereits gut gefüllt. Kommando zurück. Ich war gleich sitzengeblieben.
Nach 35 Minuten war das technische Problem gelöst, und es ging störungsfrei weiter nach Berlin. Der Anschlusszug nach Ulm war natürlich schon weg. So hatte ich etwas Zeit, zum Reichstagsgebäude zu gehen. In dem Moment, als ich dort ankam, fiel Friedrich Merz im 1. Wahlgang durch. War das ein Wink des Schicksals!? Ich überlegte kurz, mich ersatzweise zur Wahl zu stellen. Für Deutschland wäre das ein Segen gewesen und für Schachspieler auch. Im Sinne von Rio Reiser hätte ich als König von Deutschland jedem Schachspieler 200 DWZ-Punkte geschenkt. – Stattdessen nahm ich den nächsten ICE mit Ziel München. Zweieinhalb Stunden später als geplant kam ich in Leipzig an.
25. Juni 2025
Auf meiner Rückfahrt von Erlangen musste ich in Nürnberg umsteigen. Auf dem Bahnsteig wartete ich eine Dreiviertelstunde bei 34°C auf den verspäteten ICE. Es war unklar, ob der überhaupt kommt. Bahnhöfe sind in der Regel nicht der Ort, wo man mit fremden Menschen über Gott und die Welt spricht. Diesmal war es anders. Eine ältere Dame setzte sich neben mich auf die Bank. Sie wollte in die gleiche Richtung, aber noch weiter bis nach Itzehoe. Sie sei eine pensionierte Lehrerin. Sie schimpfte über die Deutsche Bahn, über die Umweltzerstörung, über den Klimawandel, über die schrecklichen Machos, die Kriege anzettelten usw. Sie hatte recht. Pessimismus ist jedoch nicht mein Ding. Doch woher soll ich meinen Optimismus nehmen? Ich sagte ihr, dass ich Pazifist sei. Das gefiel ihr. Ich möge doch Bundeskanzler werden. Die Gelegenheit hatte ich am 6. Mai ausgelassen. – Das Gespräch endete abrupt. Wie aus dem Nichts tauchte der ICE auf und war doppelt so lang wie angekündigt. Mein Optimismus war keine Illusion.
Mein Geburtstag
Ziel meines Tagesausflugs war Plön und im Anschluss Eutin. Als ich am Plöner See entlangschlenderte, klingelte mein Handy. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ Es war mein Fahrradhändler. Seit 10 Jahren bin ich inaktiv; vor 5 Jahren hat er meine Rennmaschine zurückgenommen, weil ich die nicht mehr benötigte. Nichtsdestotrotz meldet er sich Jahr für Jahr telefonisch an meinem Geburtstag. Diesmal hatte er extra meine Handy-Nummer bei meiner Frau erfragt. Wir haben uns stets gut verstanden, aber diese ehrliche Aufmerksamkeit ist beeindruckend. Und dann sagte er mir noch, dass seine Mutter aus Plön stammt. Welch ein Zufall!
Frohe Weihnachten!
Tod an Heiligabend
„Nachbar in seiner Wohnung tot aufgefunden.“ Dieses Erlebnis hatte ich gestern Nachmittag. Ich war stutzig geworden, weil die HAZ noch vor seiner Wohnungstür lag. Die legte ich ihm stets vor die Tür, damit er sich den Weg nach draußen sparen konnte. Er war 91 Jahre alt. Da ich seinen Wohnungsschlüssel habe, entschloss ich mich nach vergeblichem Telefonanruf, seine Wohnung zu betreten. Dort fand ich ihn. Mir war sofort klar, dass er tot ist. Vermutlich ist er an Herzversagen gestorben. Die herbeigerufene Notärztin und ihr Team verhielten sich vorbildlich. Die mögliche Todesursache wirft viele Fragen auf, die aus formellen Gründen zu beachten sind.
Vor 6 Wochen war dessen Ehefrau gestorben. Die letzten Jahre hatte sie in einem Pflegeheim verbracht. Seine Tochter hält sich derzeit in Schleswig-Holstein auf; sein Sohn ist Pastor in einer Gemeinde, die inmitten der Lüneburger Heide liegt. Als er seine Predigt beendet hatte, konnte ich ihn telefonisch erreichen und ihm die traurige Nachricht übermitteln.
Ich erzähle diese Geschichte, nicht um eure Feiertagsstimmung zu verderben, sondern um aufzuzeigen, dass sich der Tod weder an Feiertage noch an Sonntagsreden hält. Irgendwann trifft er jeden von uns. Das ist bereits bei unserer Geburt klar. In der Festtagsausgabe meiner Tageszeitung, die mein verstorbener Nachbar nicht mehr lesen konnte, kommt ein Geistlicher zu Wort. Der geht davon aus, dass es eine Urangst gebe. Diese Urangst sei die Angst vor dem Tod. Nein. Wer sich nicht ängstigen lässt, hält es mit dem griechischen Philosophen Epikur (ca. 341–270 v. Chr.): „Der Tod betrifft uns nicht. Solange wir da sind, ist er nicht; und wenn er da ist, sind wir nicht mehr.“