Soccer-Chess (3)

„Fußball ist eine Ballsportart, bei der zwei Mannschaften mit dem Ziel gegeneinander antreten, mehr Tore als der Gegner zu erzielen und so das Spiel zu gewinnen“ (Quelle: Wikipedia). Das klingt einfach, ist es auch. Jeder Vollpfosten kann sofort draufloskicken. Die Sache hat allerdings einen Haken, und der kommt aus England, dem Mutterland des Fußballs. Wenn etwas auf der Welt skurril ist, stammt es zu 90% aus der Heimat von Gary Lineker. 30 Jahre bevor Hannover 96 gegründet wurde, kamen die Engländer auf die Idee, die Abseitsregel einzuführen. Ob es am übermäßigen Genuss süßlichen Bieres lag, wurde nicht überliefert. Böse Zungen behaupten indes, man wollte mit der Regel lediglich Frauen davon abhalten, es den Männern beim Kick and Rush gleichzutun, weil Frauen diese Regel nicht begreifen würden.

In Deutschland ging das bis 1970 gut. Der DFB hatte Frauenfußball schlichtweg verboten mit der Begründung, dass diese Kampfsportart (!) der Natur des Weibes im Wesentlichen fremd sei, und dadurch Körper und Seele des Weibes unweigerlich Schaden erlitten. Das war starker Tobak fürs schwache Geschlecht. In Wirklichkeit ging‘s den senilen Machos aus der Funktionärsriege des Deutschen Fußball-Bunds um die Stammtischhoheit. Streitgespräche über Fußball sind eine Männerdomäne, und so sollte es bleiben. Da Abseits eine temporäre Erscheinung ist, deren Verifizierung ohne technische Hilfsmittel kaum möglich ist, waren die Männer in der Nachbetrachtung von Fußballspielen in ihrem Element und die Frauen außen vor.

Nun soll es in Deutschland bis Ende der neunziger Jahre nur wenige hochintelligente Männer gegeben haben, die die Abseitsregel tatsächlich verstanden haben. Daraus entstand der plausible Lehrsatz: „Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift.“ Seitdem die moderne Fernsehtechnik mit zahllosen Kameras, Superzeitlupen und auf die hundertstel Sekunde genauen Standbildern jede Fußballszene zweifelsfrei festhalten kann, wäre den Frauen ein Diskutieren auf Augenhöhe möglich gewesen. Um dies zu verhindern, führte die FIFA im Jahr 2005 das „Passive Abseits“ ein.

Damit wurde den Männern ein Instrument an die Hand gegeben, das kognitiv jede Beweisführung zulässt. Mathematiker haben errechnet, dass die Auslegungen, ob jemand passiv im Abseits steht oder nicht, aufgrund der möglichen Spielsituationen unermesslich sind. Im Zweifel hat der Recht, der am Stammtisch regiert, und das ist keine Frau.

Wir männlichen Schachspieler haben Frauen von jeher nicht ins passive Abseits gestellt. Wir lassen sie mitspielen in der Hoffnung, dass sie uns nicht schlagen. Sollte es dennoch so sein, gilt im Umkehrschluss die Erkenntnis unseres verstorbenen Schachfreunds Werner S.: „Ich habe noch nie gegen einen gesunden Schachspieler gewonnen!“ – Ihr habt es geahnt, meine heutige Assoziation lautet: Passives Abseits. Dafür habe ich ein Kleinod komponiert, das von Männern wie Frauen leicht zu lösen ist. Der schwarze König steht eindeutig im Abseits und ist zur Passivität verurteilt. Angesichts des Materialnachteils hofft das schwarze Lager, sich in ein Patt retten zu können. Durch eine geschickte Zugfolge der weißen Partei wird die Hoffnung jedoch zunichte gemacht.

Matt in 5 Zügen

Passives Abseits
Passives Abseits

3 Gedanken zu „Soccer-Chess (3)“

  1. Erneut bei einem Kaffee :-))
    Vor meinem Auge schwimmen Manöver wie h4 (Auflösung Patt) und dann Matt vorbereiten mit Lc4-e2-f3 und setzen mittels Abzug von g2 oder Lxg2.

    Im Abseits steht dann ggf eine Dame auf a1 und na klar die Jungs auf der h-Linie (reglos stumm sogar).

    Btw – Spanien raus ist angesichts der starken Gruppe nicht die Sensation, die Art und Weise hingegen schon! Dass es vors. mit England einen weiteren namhaften CL-Vornmitspieler trifft bestätigt auch dort die Kluft zwischen Liga und Nationalteam. Der deutsche Handball kann diesbezüglich ein (Trauer-)lied singen! Auch so kann „Abseits“ aussehen…

  2. Wieder fast richtig, Uwe. Das Manöver Lc4-e2-f3 ist allerdings ein Irrweg. Auf 2.Lc4 a2 muss Weiß den a-Bauern schlagen mit anschließendem Patt. Wenn Weiß a1D zulässt, verliert er sogar. Der Ordnung halber bekommt ihr die Lösung hiermit schriftlich:

    1.h4 gxh4 2.e5! h3 3.Lb1 hxg2 (3… a2 4.Le4 a1D 5.gxh3# oder 5.g3#) 4.Le4 a2 5.Lxg2#

    Fragen zum Fußball sind deutlich schwieriger. Weil das so ist, liefere ich euch die Antwort gleich mit.

    Frage: Wie heißt der nächste Gegner unserer Nationalmannschaft mit Vornamen?
    Antwort: Fatamor

  3. Wisst ihr, wer neuerdings zu unseren Lesern gehört? Der DFB! Jawoll! Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff kann sich vorstellen, dass die Abseitsregel im Fußball abgeschafft wird. Wow! Allein wäre er nie darauf gekommen. Offenbar hat er meinen Beitrag gelesen, den ich vor drei Jahren zur WM in Brasilien geschrieben habe (siehe oben). Für mich ist die Abseitsregel ein Paradebeispiel für Dekadenz. Statt eine überflüssige Regel abzuschaffen, wird sie derart verfeinert (passives Abseits), dass sie sich zu einer eigenen Wissenschaft entwickelt, die nicht für mehr Fairness, sondern meistens für Unfrieden sorgt. – Wenn jetzt noch Schachfunktionäre meinen Vorschlag, alte Zöpfe abzuschneiden, vorurteilsfrei in ihr Repertoire aufnehmen würden, stünden uns goldene Zeiten bevor. Aber so weit sind wir noch nicht.

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