Zuversicht für die 2020er Jahre

Was unsere Kanzlerin kann, kann ich auch: Zuversicht ausdrücken. Wobei ich es nicht bei Lippenbekenntnissen belasse. Ich fordere das Glück heraus; z.B. heute Morgen auf dem Lindener Markt. Bei meiner freundlichen Wurstfachverkäuferin habe ich 10,10 € bezahlt. „Welch ein Zufall!“, dachte ich, „das ist genau die Hälfte von 2020.“ Mein zweiter Einkauf führte mich zu Henri 2. Eine Baguettestange und zwei Krapfen kosteten? 5,05 €!! Auf den Cent genau die Hälfte der Hälfte. Tusch! Die freundliche Bäckereifachverkäuferin gab mir daraufhin den Bon, wozu sie erst im neuen Jahr verpflichtet gewesen wäre. Die Bon-Pflicht ist so dämlich wie die Spielervereinbarung unter Schachspielern.

Die Jugend ist unsere Hoffnung. Sie hat erkannt, dass sich Mauern in den Köpfen der Alten befinden. Damit können wir die Herausforderungen unserer Zeit nicht meistern. Die Jugendlichen werden aktiv. Die Einen gehen auf die Straße, die Anderen gründen einen selbstständigen Verband. Unbesetzte Bretter hinter dicken Mauern dürfen nicht die Zukunft sein. Malte & Greta an die Macht!

Kennt ihr Schaumschweig? Ja, ihr habt richtig gelesen. Das kommt davon, wenn man Schaumburg mit Braunschweig vereinigt. So geschehen bei den Rugby-Damen in der Deutschen 7er-Liga Nord-West. Nicht auszudenken, wenn sich die Schachfreunde Hannover tatsächlich mit dem SK Ricklingen vereinigen. Wenn es nicht dazu kommt, spendiere ich eine Kiste Schaumwein. Heute Abend teste ich die erste Flasche…

Ich wünsche euch ein zuversichtliches neues Jahr!

8. Januar 2020 – Neujahrsempfang im Rathaus Hannover mit OB Belit Onay
Das grüne Hannover
29. Januar 2010 – Schneemann vor dem Weinhaus Schachner in Westerland/Sylt
30. Januar 2010 – Die Nordsee bei List auf Sylt
HafenCity Hamburg – Lustige Müllentsorgung
18. Februar 2010 – Bewehrung einer Kellersohle bei Schnee auf Sylt
Kleiner Gruß aus Nischni Nowgorod im Hamburger Hafen
24. Februar 2020 – Rosenmontag in Mainz
Bucht bei Cap Formentor (Mallorca) im März 2009

24 Gedanken zu „Zuversicht für die 2020er Jahre“

  1. Bevor mich jemand falsch versteht, möchte ich betonen, dass die Kiste Schaumwein kein Affront gegen den SK Ricklingen bedeutet. Der ist mir so lieb wie die meisten anderen Schachvereine. Es geht mir um den Erhalt der Identität des Vereins, dem ich 55 Jahre lang die Treue gehalten habe, und der in seiner ursprünglichen Form in diesem Jahr 70 Jahre alt wird. Wenn niemand bereit ist, die Tradition fortzuführen, sind Vorwürfe unangebracht. Jedenfalls gibt es die nicht von mir. Ein ehrenvolles Ende würde ich stattdessen begrüßen. Nach dem Tod von Janis Joplin vertranken 200 Freunde auf einer Party wunschgemäß das hinterlassene Bargeld von 1500 Dollar. Alternativ käme für uns ein Mega-Blitzturnier infrage.

    Nachdem die Spielgemeinschaft etwa ein halbes Jahr besteht, kann ich keine nennenswerten Synergieeffekte erkennen. Die Vereinsturniere, die erfreulicherweise beim SK Ricklingen stattfinden, sind auch nicht der große Renner. Nur wenige Schachfreunde aus unserem Verein nehmen daran teil. Klassische Vereinsabende sind ein Auslaufmodell. Dass die andernorts funktionieren, z.B. beim HSK Lister Turm, ist erfreulich, aber nicht beliebig kopierbar. Für die meisten Schachfreunde, vor allem die mittleren Alters, geht es darum, dem DSB anzugehören, wodurch sie international spielberechtigt sind und an Mannschaftskämpfen teilnehmen dürfen. Der Verein ist Mittel zum Zweck. Insofern präferiere ich, dass jeder/jede sich dort anmelden möge, wo er/sie seinen/ihren Vorteil sieht und bestenfalls geborgen fühlt; sei es beim SK Ricklingen, bei den Schachfreunden Hannover oder sonst wo.

  2. Hier waren wir nur, einander zu begegnen.
    Wir sind auf Erden nur Wanderer.
    Lasst uns in Frieden und Freude leben.
    Kommt, lasst uns froh sein.
    Aber die, die ihr im Zorn lebt, kommt nicht.

    Dieser Vers stammt von den Azteken. Ich habe ihn dem offiziellen Standardwerk des Nationalen Olympischen Komitees entnommen. Es wurde nach der Olympiade 1968 in Mexiko herausgegeben. Damals ging der Stern eines deutschen Ausnahmesportlers auf. „Er deklassierte die Amerikaner wie kein anderer Sieger“, heißt es dem Buch. Vier Jahre später während der Olympiade in München sagte Peter Daland, Chefcoach des US-Teams, über ihn: „Wir sind auf dem Mond gelandet, wir werden den Mars erreichen, und irgendwann werden wir Amerikaner auch … besiegen.“

    Er blieb 7 Jahre unbesiegt, holte bei Olympiaden 4 Gold-, 2 Silber- und 2 Bronzemedaillen, wurde 2 Mal Weltmeister, stellte 19 Weltrekorde auf, erhielt den Vaterländischen Verdienstorden in Gold und Silber, wurde 7 Mal Sportler des Jahres und in die Hall of Fame des Deutschen Sports aufgenommen. Er war der erfolgreichste deutsche Schwimmer aller Zeiten. Wegen seiner eleganten Technik nannte ihn eine britische Journalistin den „Rolls Royce of Swimming“. Am 20. Dezember 2019 ist er im Alter von 69 Jahren gestorben: der Rückenschwimmer Roland Matthes.

    Wer hat ihn noch gekannt? Wer sich dem Medienrummel entzieht, gerät in Vergessenheit. Der Ruhm verblasst. Ein Indikator dafür ist die Abrufstatistik auf Wikipedia. Bis zum 20. Dezember 2019 haben sich täglich weniger als 50 Besucher für Roland Matthes interessiert. Nach der Meldung über seinen Tod schnellte die Zahl am 21. Dezember auf 33.270 und am Folgetag auf 41.550. Nun sinkt sie langsam wieder auf ihr Normalmaß. In unseren Medien war sein Tod eine Randnotiz. Selbst der Deutsche Schwimmverband beließ es bei einem dürren Kommentar.

    Was lehrt uns das? Du kannst noch so erfolgreich sein, die Weisheit der Azteken gilt für alle. Auch für Schachspieler.

  3. Zuversicht made in Wolfenbüttel

    Die ehemals vielgelesene Tageszeitung „Neues Deutschland“ hat im November 1987 einen bizarren Rekord aufgestellt: In einer einzigen Print-Ausgabe war Erich Honecker 43 Mal abgebildet! Niedersachsens Schachpräsident ist davon noch ein Stück weit entfernt, wenngleich ich ihm angesichts seiner Omnipräsenz zutraue, dass er diesen Rekord irgendwann knackt.

    In der November-Ausgabe von SinN ist Michael 11 Mal abgebildet, auf der aktuellen NSV-Seite 6 Mal: 1 Mal in Spelle, 4 Mal in Verden und 1 Mal in Lehrte; darüber hinaus in bewegten Bildern im Video des SC Braunschweig Gliesmarode.

    Das hat es seit den Azteken nicht mehr gegeben, dass ein Schachfunktionär, der dermaßen viele Ämter bekleidet, auch als aktiver Schachspieler kaum etwas auslässt. Dabei nimmt Michael billigend in Kauf, dass seine DWZ schrumpft. Ihr kennt den uralten Witz: Was sind die drei größten Katastrophen im Leben eines Schachspielers? 1. Job weg. 2. Frau weg. 3. DWZ geschrumpft. Meines Wissens ist bei Michael alles ausreichend vorhanden. Und das ist gut so, denn Michael strahlt Zuversicht aus. Immer, wenn ich ihn sehe, oder er mich anruft, weiß ich, es ist nicht alles schlecht.

    Diese optimistischen Töne musste ich loswerden, weil ein anderer Präsident, der sich selbst für den großartigsten und weisesten hält, einen Bullshit nach dem anderen fabriziert. Auf dessen Anblick würde ich gern verzichten.

  4. Zuversicht made in Hannover

    Gestern Abend war ich beim Neujahrsempfang in Hannovers altem Neuen Rathaus. Hannovers neuer Bürgermeister, Belit Onay, hielt eine kluge Rede (guckt ihr oben). Hier ein kleiner Auszug:

    Für manche wurde der Neujahrstag 1920 zum härtesten Datum. Der schwärzeste aller schwarzen Tage. Eine Variante des Weltuntergangs. Hannover machte das herrliche, selbständige Linden, die wunderbarste Gemeinde westlich des Kaukasus zu einem seiner Stadtteile.

    Sorry, das ist eine Verwechselung. Das Zitat stammt aus dem wunderbaren Buch „Linden 900 Jahre – Eine wahnsinnige Geschichte“ von Hans-Jörg Hennecke. Vor 100 Jahren hat Linden seine Selbstständigkeit aufgegeben. Das dräut nun auch dem wunderbarsten Schachverein nördlich des Weißwurstäquators. Unter Schachspielern nennt man das Armageddon. So weit ist es noch nicht. Lindener gelten für Hannoveraner als derb zupackend, was Belit Onay zu schätzen weiß, denn ohne Lindener wäre er nicht gewählt worden (>80 %), und Hannover wäre so profillos, wie sich Wibke Bruhns zur Expo 2000 zu sagen traute. Von der Schachszene ganz zu schweigen…

  5. Shame on you

    „Es stört mich, dass wir uns mit Vereinen wie dem SV Sandhausen vergleichen müssen“, sagte 96-Boss Martin Kind bei seiner Neujahrsansprache. Die Reaktion im Netz ließ angesichts dieser Arroganz nicht lange auf sich warten: „Wir schämen uns in Grund und Boden.“

    Zum Fremdschämen war gestern auch das 45-Sekunden-Quiz auf NDR 2. Dabei sollte eine Kandidatin am Telefon in der kurzen Zeit möglichst viele Fragen richtig beantworten. Besonders heikel waren zwei Fragen:

    Wie heißt die Frau von Prinz Harry?
    Antwort: Weiter!
    Wer war vor Angela Merkel Bundeskanzler?
    Antwort: Weiter!

    Dabei wurden sowohl das Kurzzeit- als auch das Langzeitgedächtnis auf eine harte Probe gestellt. Also irgendwie zwischen the Exit of Duchess of Sussex und Otto von Bismarck. Ist die Wissenslücke der jungen Frau ein Grund zum Fremdschämen? Antwort: Jein!

    Wer folgende Fragen auf Anhieb richtig beantworten kann, ist aus dem Schneider:

    Wer war vor Michael S. Langer Präsident des Niedersächsischen Schachverbands?
    Wann geschah der Wechsel?

    Kleine Hilfestellung: Michaels Vorgänger kommt aus der Stadt, wo die Hunde mit dem Schwanze bellen, und die Präsidentschaft wechselte in dem Jahr, als Nicolas Sarkozy Staatspräsident in Frankreich wurde. Das ist der mit der Carla Bruni.

  6. Die Qual der Zahl

    Heute geht’s los: „In der Rattenfängerstadt wird Bundesligist Solingen keiner das Wasser reichen können“, meldet der DSB zum Auftakt der Vorrunden im Mannschaftspokalwettbewerb. Mit anderen Worten:

    Die Klingenstädter werden alle über die Klinge springen lassen. Ratte sich wer kann!

    Warum erzähle ich das? Weil ich unbedingt den 2450. Kommentar in diesem Blog schreiben wollte. Leute meines Alters sind in Zahlen verliebt. Das seht ihr nicht nur an der Bon-Geschichte zu Beginn meines Beitrags, sondern an unserem Innenminister Horst Seehofer, der bekanntlich 9 Wochen jünger ist als ich. Ausgerechnet an seinem 69. Geburtstag seien 69 Flüchtlinge abgeschoben worden, erklärte er stolz wie Bolle. Womit ich die Brücke zu meinem letzten Kommentar geschlagen habe. Stichwort: Fremdschämen.

  7. Hannover schrumpft

    Im Vergleich zu Ende 2018 sei Hannover um knapp 1800 Menschen geschrumpft, meldet die Neue Presse. Ist das eine gute oder schlechte Nachricht? Wenn die DWZ schrumpft, wissen Schachspieler, ist das immer eine gute und eine schlechte Nachricht. Für den Gegner ist sie gut, für den Betroffenen eine Katastrophe. – Eine gute Nachricht gibt es für die restlichen Hannoveraner. Seit wir einen grünen Oberbürgermeister haben, sind die Bäume wieder grün. Das glaubt ihr nicht? Als Beweis habe ich oben ein Foto angefügt, das sich annähernd mit dem der Neuen Presse deckt. Auf dem Pressefoto sind die Bäume so trostlos wie derzeit die Wälder in Australien.

    Für diejenigen, die sich in Hannover nicht so gut auskennen, sei gesagt, dass ihr am linken Bildrand das berühmt-berüchtigte Ihme-Zentrum seht und nebenan die Drei Warmen Brüder, die alles Sonstige in Hannover überragen. Womit bewiesen ist, dass Linden in Hannover eine herausragende Rolle spielt. Wer wissen will, wo die Neue Presse und die Hannoversche Allgemeine Zeitung hergestellt werden, muss auf die rechte Seite gucken. Das ist nicht zweideutig gemeint…

    Auch das noch: Die Meldungen aus der Rattenfängerstadt sind spärlich, gleichwohl wissen wir, dass die Hamelner gestern nur 1,5:2,5 gegen die Klingenstädter verloren haben. Respekt!

  8. Schöner urinieren

    Toilettengänge sind ein Muss bei jeder Schachveranstaltung. Das Thema ist tabu. Normalerweise. Ausgenommen, die Größe der Anlage ist nicht bedürfnisorientiert – wie im vergangenen Jahr bei einer Landesmeisterschaft –, oder ein Schiedsrichter kommt ins Spiel – wie jüngst bei einem Mannschaftskampf in der 2. Bundesliga:

    „Ohne besonderen Anlass, außer jedem per se den Betrug zu unterstellen, wurden Heusenstammer Spieler durch den Schiedsrichter bis auf die Toilette begleitet und die Verrichtung der Geschäfte kontrolliert“, schreibt dazu der 1. Vorsitzende der Heimmannschaft, Dr. Rudolf Benninger.

    Die Kontrolle der Geschäfte ist heutzutage alternativlos. Damit diese auf Gegenseitigkeit beruhende Nebentätigkeit in einem angemessenen Ambiente stattfindet, empfehle ich, dass sich Heimmannschaften an einem umtriebigen Nordlicht orientieren: Jürgen Gosch. Kurz vor Weihnachten fand die Neueröffnung seines Fisch-Flaggschiffs in Westerland/Sylt statt. Die Sylter Rundschau war voll des Lobes und machte Lust auf einen Besuch:

    Die WC-Anlage ist im Herren-Bereich unter anderem mit Holzverkleidungen ausgestattet, über denen die brodelnde Gischt des Meeres die Wände ziert, während die Waschbecken in alte Whiskyfässer integriert sind.

    Auf Nachfrage verrate ich euch, wie die Damen-WCs ausgestattet sind. Ich durfte einen Blick hineinwerfen.

  9. Gerhard macht doch nur Spaß

    In der heutigen Lüttjen Lage (HAZ) beschäftigt sich Simon Benne mit den Geschichtskenntnissen von Schülern. Er hatte deren Gespräche während einer Fahrt mit der Straßenbahn aufgeschnappt. Dreißigjähriger Krieg, Napoleon, 1. Weltkrieg, alles ging kunterbunt durcheinander. Krass. So ähnlich erging es mir im Januar letzten Jahres in unserem Blog. „Jede Generation beginnt ja wieder bei null, wofür niemand etwas kann, und ständig kommt neuer Stoff hinzu“, ist Bennes verständnisvolles Resümee. Da schließe ich mich an. Unser Leben ist eine einzige Assoziationskette. Was wir nicht selbst erlebt oder gelernt haben, können wir nicht verarbeiten. Gestern habe ich eine solche Assoziationskette erlebt:

    Vor REWE auf der Limmerstraße sang ein Mann und begleitete sich dabei auf der Gitarre. Er sah aus wie der MahnMan von RTL (1992-1999). Dieser schräge Typ intonierte gerade den Ohrwurm, den wir von Hannes Wader kennen: „Heute hier, morgen dort“. Einmal im Ohr, gerät dieses samt Kleinhirn in Schwingungen und weckt Erinnerungen an Lieder mit ähnlichen Emotionen. Bei mir war es: „Alt wie ein Baum möchte ich werden“, von den Puhdys (1977). Kurze Zeit später stehe ich auf dem Klagesmarkt. An der eingerüsteten Fassade eines Geschäftshauses ist ein großes Transparent befestigt. Darauf steht: BAUM. Ich gucke genauer hin. Aha, ein Projekt von Gregor Baum, dem Immobilienunternehmer und Pferdeliebhaber aus Hannover. Dann lese ich, dass es sich bei der Baumaßnahme um ein Refurbishment handelt. Den Begriff musste ich später erstmal googeln: Aufpolierung ist damit gemeint. Aber mit diesem schlichten Wort lassen sich vermutlich keine Brexit-Flüchtlinge anlocken.

    Eine andere Assoziation stammt aus unserem Blog. Vor ein paar Tagen hatte ich den Satz: „Es ist nicht alles schlecht“, geschrieben. „Es war nicht alles schlecht“, ist ein Buch des Kabarettisten Wilfried Schmickler (WDR/Mitternachtsspitzen). Das Buch ist rund 10 Jahre alt. Ich habe mich wieder darin vertieft, nachdem ich mich sozusagen selbst inspiriert hatte. Das Buch ist großartig! Allein dieser Wortwitz in seinem thematischen Gedicht ist ein Vergnügen:

    Der Rest geht unter in Gelächter:
    Genau, es war nicht alles schlecht –
    Das meiste war noch schlechter.

    Über Wilfried Schmickler hat die Süddeutsche Zeitung geschrieben, dass er ein brillanter Moralist sei, der wisse, dass er die Welt nicht verändern könne, aber auch wisse, dass er sie deswegen noch lange nicht hinnehmen muss. Damit sind wir Seelenverwandte. – Diese Redundanz ist an diejenigen gerichtet, die nicht jeden meiner Beiträge und Kommentare zu deuten wissen. Mit Satire können wir die Unbilden unseres Lebens erträglicher machen. Sogar dann, wenn Schachschiedsrichter zu hanebüchenen Maßnahmen greifen.

  10. Schlechter

    Ja. Dieses Wort in meinem letzten Kommentar ist Teil der Assoziationskette: Carl Schlechter. Er gehört zu den tragischen Figuren der Schachgeschichte. Beinah wäre er Weltmeister geworden. Schlechter sei bienenfleißig gewesen, aber so zart und schmächtig, dass ihn ein Windhauch umblasen könne, charakterisiert ihn J. Hannak in seiner Biographie über Emanuel Lasker. Um das legendäre WM-Match 1910 zwischen Lasker und Schlechter ranken sich viele Gerüchte. Fakt ist, dass die erste Hälfte (5 Partien) des Wettkampfs in Wien und die zweite in Berlin ausgetragen wurden. Die 5. Partie hatte Schlechter gewonnen, alle anderen waren bis zur 10. und damit letzten Partie Remis ausgegangen. Schlechter durfte diese Partie nicht verlieren. Dann wäre er Weltmeister geworden. Schlechter hatte Schwarz. Statt zurückhaltend zu agieren, spielte er scharf, stand auf Gewinn, versäumte anschließend eine Zugwiederholung, die zum Remis geführt hätte, und verlor. Die Partie wurde zweimal unterbrochen. Sie zog sich über drei Tage hin: 8., 9. und 10. Februar 1910.

    Thomas Glavinic hat darüber ein Buch geschrieben: Carl Haffners Liebe zum Unentschieden (siehe Rezension von Udo Harms). Was darin authentisch ist, und was der Fantasie des Autors entspringt, lässt sich nur vermuten. Im 10. Kapitel beschreibt Glavinic die ersten Tage in Berlin: Schlechter hastete zwischen Schachtisch und Toilette hin und her. Er aß fast nichts, dennoch hatte er seine Verdauung nicht unter Kontrolle. Eine nie zuvor erlebte Aufregung rumorte in seinen Gedärmen. Schließlich borgte er sich Fähndrichs Taschentuch Taschenschach aus, um auch auf dem Klosett analysieren zu können. – Das ging so weiter. Während der Eröffnungsrede vor der ersten Partie in Berlin, trat Carl von einem Fuß auf den anderen. Er musste dringend zur Toilette. […] Seine Gedärme schieden Wasser aus. Carl zitterte am ganzen Körper. Er beeilte sich.

    Carl Schlechter starb 1918 im Alter von 44 Jahren. Er war verhungert.

    Heute – und das ist eine weitere Assoziation – drängt sich die Frage auf: Wie würden sich übereifrige Schiedsrichter angesichts einer solchen körperlichen Verfassung verhalten?

    Wer mehr über Carl Schlechter erfahren möchte, möge diesen lesenswerten Artikel auf ChessBase anklicken.

    Eine ganz andere Assoziation habe ich in Bezug auf den Titel des Buches:

    Carl Haffners Liebe zum Unentschieden
    Fräulein Smillas Gespür für Schnee

    Mal sehen, was mir dazu einfällt…

    1. Schlechter stand in der letzten Partie gegen Lasker zu keinem Zeitpunkt auf Gewinn, wie Robert Hübner überzeugend nachgewiesen hat. Wie ein Taschentuch bei der Analyse auf dem Klosett hilfreich sein sollte, erschließt sich mir nicht. Ich hätte ein Taschenschach bevorzugt. Glavinics Machwerk wird in weitesten Teilen allein seiner Fantasie entsprungen sein; so werden sogar historische Fakten häufig falsch wiedergegeben. Als Beispiel sei der Einleitungssatz des erwähnten Kapitels 10 genannt: „Vor der letzten Partie beanspruchte Lasker eine Auszeit von zwei Tagen.“ Tatsächlich wurde die 10. Partie an demselben Tag begonnen, an dem die 9. beendet worden war (8. Februar 1910).

  11. Fräulein Smilla – Weinhaus Schachner

    Was haben beide gemeinsam? Schnee! Das glaubt ihr nicht!? Dann werft bitte einen Blick nach oben. Vor 10 Jahren, am 29. Januar 2010, gab es so viel Schnee auf Sylt, dass sich die Mitarbeiter vom Weinhaus Schachner einen Schneemann vor ihrem Geschäft in Westerland bauen konnten. Dabei zeigten sie ihr Gespür für das passende Outfit des Schneemanns: ein Schal in den Farben des Hauses.

    Die schlechte Nachricht: das Weinhaus hat in der vergangenen Woche Insolvenz angemeldet. 16 Mitarbeiter sind davon betroffen. Presseberichten zufolge soll ein Brand in der Lagerhalle die Ursache für die Schieflage des Unternehmens sein. Der Brand hatte im Sommer des vergangenen Jahres einen hohen Sachschaden angerichtet. Der Chef heißt Martin Schachner. Die erste Silbe seines Nachnamens verpflichtet uns zu einer erhöhten Aufmerksamkeit. Darüber hinaus ist er ein Landsmann der Krennwurzn.

    Diesen Kommentar widme ich der leidenschaftlichen Anna. – Vielen Dank! (Für die Löschung ihres Kommentars bin ich nicht verantwortlich)

    1. Hallo Gerhard, für die Kommentar-Löschung bin ich verantwortlich, denn die „leidenschaftliche Anna“ war eindeutig Spam. Gut gemachter Spam, aber doch der Versuch eines hannoverschen Fotografen einen Link dieser Schachseite zu ergattern, weil das doch hilfreich sein soll für die Suchmaschinenoptimierung… Anna ist eine Fiktion, leider.

      1. Hallo Jürgen, wenn es ein Spam war, war es kein schlimmer. Die Anna gibt es wirklich, wobei sie in Wirklichkeit Anastasia heißt. Ihr Geschäft befindet sich real in Linden-Mitte. Es ist nicht auszuschließen, dass sich auch Fotografen für einheimische Schachspieler interessieren. Jedenfalls war der Text individuell verfasst und nicht vergleichbar mit üblichen Spams, die ich täglich von vornherein lösche. Sei’s drum. So oder so hat ihr leidenschaftlicher Kommentar etwas Stimmung in die Bude gebracht.

  12. Kopfnuss für Stahlarbeiter

    Heute geht in Wijk aan Zee das Tata-Steel-Spektakel zu Ende. Am beeindruckendsten waren für mich die Fotos von Alina l’Ami auf ChessBase. Ihre Leidenschaft für die Fotografie gefällt mir außerordentlich. Die drückt sich in jedem ihrer Fotos aus. Von Alina zu Anastasia ist es nur ein Schritt! (siehe Kommentar zuvor) – Meine Leidenschaft ist die Leidenschaft zur Leidenschaft. Soll heißen: wennschon, dennschon. Womit ich bei meiner Assoziationskette bin.

    Tata-Steel ist bekanntlich eines der weltgrößten Stahlunternehmen mit Hauptsitz in Indien. Stahl ist hart und macht hart, wenn man es richtig einsetzt. Am 23. Dezember 2009 hatte ich dazu die Gelegenheit. Das Wetter war nichts für Outdoor-Aktivitäten, und so stählte ich meinen Körper in meinem Fitnessstudio mit Gewichten aus Stahl. Mein Geist kam dabei auf Betriebstemperatur und ersann das schwierigste Rätsel aller Zeiten. Welchen Sinn ergibt dieser Satz?

    Stahl stahl Stahl.

    Die Antwort ist schwieriger als die Doktorarbeit von Helmut Reefschläger. Deshalb liefere ich sie gleich mit:

    Armin-Mueller klaute Eisen.

    Yeah! Übrigens wird Armin Mueller-Stahl im Dezember 90 Jahre alt. Respekt vor seiner Lebensleistung!

  13. Brechreiz

    Marmor, Stahl und Eisen brechen,
    Verschlossen sind die Kohlezechen.
    Der frühe Vogel fängt den Wurm
    Und sonnt sich auf dem Förderturm.
    Der Kuckuck legt derweil ein Ei,
    Die Folgen sind ihm einerlei.
    Die Einen schätzen seine List,
    Die Anderen schimpfen: „Egoist!“

    Das Schachbrett ist kein Ponyhof,
    Weiß jeder Hobby-Philosoph.
    Wer hat die Macht in dem Revier?
    Es zählt das Ego, nicht das Wir.
    Von Anfang an gibt’s mächtig Stress,
    Der Philologe nennt es Chess.
    Man hat schon Springer kotzen sehen.
    Wer schnell verliert, kann früher gehen.

  14. Heute vor 10 Jahren

    … war die Welt noch in Ordnung. Damals war es knackig kalt, und Greta Thunberg war gerade 7 Jahre alt geworden. Wer heute aus dem Fenster guckt, wünscht sich die alten Zeiten zurück. Wie schön die waren, zeigt mein Foto, das ich oben angefügt habe. Da dieser Beitrag der Zuversicht dient, möchte ich anmerken: Ich friere auch für Schachspieler.

  15. Möge der Müll mit mir sein

    In Hannover wird’s bald lustiger. Gestern hat meine Tageszeitung berichtet, dass demnächst Abfallkörbe mit lustigen Sprüchen aufgestellt werden. Wie das in der Praxis aussieht, könnt ihr euch oben anhand eines Beispiels aus der HafenCity Hamburg ansehen.

    „Hier deine Sorgen einwerfen“, ist so ein Spruch. Für Schachspieler eröffnen sich dadurch ungeahnte Möglichkeiten. Wer möchte nicht die Notation seiner letzten Verlustpartie für immer loswerden? Oder die Vorbereitung auf den nächsten Gegner, die vergeblich war, weil selbiger nicht antrat. Oder Protestschreiben an die Schiedsrichterkommission. Oder Verbesserungsvorschläge an den Niedersächsischen Schachverband. Oder, oder, oder… Peter Alexander hat seine Sorgen einst gezählt, heute können wir sie diskret loswerden. Das nenne ich Fortschritt. – Falls jemand der Meinung ist, dass ich an dieser Stelle meinen eigenen Müll entsorge, verweise ich auf Konfuzius: Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.

  16. Wo bleibt der Winter?

    Es ist immer noch viel zu warm. Schnee und Frost gibt es in Norddeutschland derzeit nur in homöopathischen Dosen. Deshalb möchte ich auf mein Thema „Heute vor 10 Jahren“ zurückgreifen. Dafür habe ich oben ein Foto angefügt, das ich am 18. Februar 2010 aufgenommen habe. Es zeigt Eisenflechter auf Sylt, die trotz Schneefalls eine Kellersohle armiert haben. Die Männer waren kälteerprobt. Die Kolonne kam auf Polen. Für technisch Interessierte sei noch gesagt, dass es sich bei der im Hintergrund links sichtbaren Wand um eine im Düsenstrahlverfahren erstellte Gebäudeunterfangung handelt.

  17. U-434

    Wirklich wichtig sind heute die Hamburger. „Wer nicht will deichen, der muss weichen“, lautet das Spatenrecht. Der Fischmarkt ist in diesem Jahr bereits mehrmals abgesoffen. Das könnte zum Dauerzustand werden. Die Flucht mit einem U-Boot ist nicht die Lösung (guckt ihr oben). Hamburg hat eine Vorbildfunktion. Das gilt auch für den Verkehr in Ottensen. Wir Lindener würden uns freuen, wenn die dortige Beruhigung Schule macht. Deshalb lautet mein Appell an die Hamburger Schachfreunde: Macht euer Kreuz dort, wo man sich Gedanken um die Zukunft macht. Mit nassen Füßen macht Schachspielen keinen Spaß.

  18. Helau!

    Heute hatte ich Bock auf echte Narren. Deshalb habe ich einen Ausflug nach Mainz gemacht. Die Meenzer sind ein lustiges Volk. Die verkleiden sich bis zur Unkenntlichkeit, stehen dazu und verbreiten gute Laune. Trolle im Netz verhalten sich umgekehrt. – Auf meinem Weg zur Umzugsstrecke kam mir eine Frau mit einem großen Tablett entgegen. Darauf lagen Wiener Würstchen und Brötchen auf Papptellern. Die verteilte die Dame gratis an Passanten. Auch an mich. Das nenne ich Gastfreundschaft.

    Einer Frau, die aus dem Saarland stammt, wurde ein Motivwagen gewidmet: Es Annegret (guckt ihr oben). Besser bekannt als AKK. Wusstet ihr, dass das Kürzel AKK eigentlich aus Mainz stammt? AKK steht für die ehemaligen Mainzer Vororte:

    Amöneburg
    Kostheim
    Kastel

    Die befinden sich allerdings auf der „ebsch Seit“. Damit bezeichnen die Mainzer die „schlechtere Rheinseite“. Dort liegt Wiesbaden. Als die Franzosen und Amerikaner nach dem 2. Weltkrieg die Besatzungszonen aufteilten, fielen AKK an die Hessen. Mainzer lieben die Wiesbadener so sehr wie Hannoveraner die Braunschweiger.

  19. Heute vor 11 Jahren

    … war ich im Trainingslager auf Mallorca. Seit heute Morgen ist Schluss mit quäl dich auf Malle:

    Das Radfahren in Spanien zu Urlaubszwecken ist per Verordnung der Regierung verboten. Gäste dürfen die Hotels nicht verlassen.

    Am 16. März 2009 bin ich mit meiner Trainingsgruppe 154 km gefahren. Es ging u.a. hinauf zum Sant Salvador. Es war stürmisch, blieb aber trocken. In Deutschland regnete es wie verrückt. Jeden Abend berichtete ich im Forum meines Radsportclubs über meine Erlebnisse. Dabei beantwortete ich auch Fragen meiner Vereinskameraden:

    Wenn es denn einen Radnachwuchs gäbe, Uwe. Die jungen Leute warten lieber auf die Rente und wundern sich, wenn sie gar nicht in das Alter kommen, weil sie vorher von irgendwelchen Zivilisationskrankheiten dahingerafft wurden.

    Puh! Vom Coronavirus hatte damals niemand etwas geahnt. Ein gesundes Leben zahlt sich indes immer aus. Und ein erfülltes! Von Sido gibt es den Song: „Bilder im Kopf“. Im Text heißt es: „Ich bewahr‘ mir diese Bilder im Kopf.“ Wer sich Bilder und Texte nicht nur im Kopf bewahrt, kann sie zu gegebener Zeit anderen vermitteln. Das tue ich hiermit. Wie schön es vor 11 Jahren während meines Trainingslagers auf Mallorca war, zeigt das Foto, das ich oben angefügt habe.

    Gabor Steingart hat mir heute Morgen in seinem Briefing einen selbstbewussten Start in diese erste Woche einer neuen Zeitrechnung gewünscht. Diesen Wunsch leite ich hiermit gern an euch weiter. Womit ich wieder beim Thema bin: Zuversicht.

  20. Heute vor 10 Jahren

    … wurde ich Teil eines Dramas, das bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Am Sonntagnachmittag machte ich mich mit der Bahn auf den Weg nach Sylt. Für den Montagvormittag war die förmliche Abnahme eines Bauprojekts vorgesehen. Der Bauherr war extra aus Bayern angereist. Es sollte nicht dazu kommen.

    In meinem Stammhotel hatte ich ein Zimmer im Dachgeschoss zugewiesen bekommen. Gegen 1:30 Uhr wurde ich plötzlich durch Geschrei geweckt. Ich schob die Verdunkelung meines Velux-Fensters nach oben und blickte auf ein gespenstisches Szenario. Zwischen Rauchschwaden sah ich Hotelgäste, die sich draußen versammelt hatten. Irgendjemand rief: „Da oben ist noch einer!“ Ich war gemeint. Blitzschnell zog ich mich an, schnappte meine Papiere und flüchtete durchs verrauchte Treppenhaus ins Freie. Was geschehen war, erfuhr ich erst später, was unmittelbar folgte, war professionelle Hilfe der Einheimischen. Mit zwei Bussen wurden wir in eine für Katastrophenzwecke umgebaute Halle auf dem Sylter Flughafen evakuiert. Etwa 20 Frauen und Männer vom DRK waren fortan beschäftigt, Zelte, Feldbetten, Tische und Stühle aufzubauen sowie für Verpflegung zu sorgen.

    Diese Menschen, die auch kurz zuvor aus ihren Betten gerissen worden waren, taten das mit solch einem Eifer und einer Freundlichkeit, dass anschließend alle Betroffenen – es sollen rund 400 gewesen sein – voll des Lobes waren. An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken. Gerüchte sickerten währenddessen durch: ein Feuerteufel soll auf Sylt an mehreren Stellen sein Unwesen getrieben haben.

    Am Montagmorgen wurde ich zu meinem Hotel zurückgebracht. Äußerlich war es unversehrt, aber innen waren Schadstoffe durch den Schwelbrand freigesetzt worden, wie Messungen der Feuerwehr ergaben. Wir durften das Hotel nur einzeln mit Schutzmasken betreten, um unsere Habseligkeiten zu holen. Das Hotel war anschließend wegen Sanierungsarbeiten wochenlang geschlossen.

    Das Drama ging durch die deutsche Medienlandschaft. Exemplarisch verlinkte ich diesen Artikel aus dem Stern vom 16.08.2010. Wenige Tage später wurde der Täter gefasst. Es handelte sich um einen Taxifahrer. Später steckte er sogar seine Zelle im Flensburger Gefängnis an. Im März 2011 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten mit anschließender Einweisung in eine psychiatrische Klinik verurteilt.

    Die Brandstiftung hätte viel schlimmer enden können. Was wäre gewesen, wenn man mich in meinem Dachgeschosszimmer vergessen hätte? Rauchvergiftungen enden oft tödlich. – Seitdem hat sich die Erde rund 3.650 Mal weitergedreht, und ich durfte mich an ihr reiben. Wie viele Erdumdrehungen ich noch erleben werde, weiß ich nicht, aber ich bin zuversichtlich, dass es sehr, sehr viele sind. Womit ich beim Thema Zuversicht und dem Motto dieser Tage bin: „Bleibt gesund!“

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