1. Bundesvereinskonferenz – Ein Resümee

Unser Schachverein befindet sich im Trend. Im Abwärtstrend, wohlgemerkt. Die Zahl der Schachvereine in Deutschland ist in den letzten 25 Jahren von rund 3.000 auf 2.400 geschrumpft. Im Jahr 2006 hatte der DSB rund 97.000 Mitglieder, jetzt sind es 89.000. Was tun?

Es hilft nicht, diejenigen herabzuwürdigen, die nach Lösungen suchen. Leider ist die Haltung unter Schachfunktionären weit verbreitet, jeden Reformvorschlag als Angriff auf ihre Person zu deuten. Sie nehmen lieber in Kauf, dass sich Schachfreunde mehr und mehr zurückziehen, statt sich selbst den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. In Berlin habe ich das Gegenteil erlebt. Erstaunlich offen wurde auf der erstmals ausgetragenen Bundesvereinskonferenz über die Problematik gesprochen. Den typisch verbohrten und beratungsresistenten Funktionär habe ich dort nicht erlebt. Das macht Mut.

Nun war die Zahl der Teilnehmer an der Konferenz überschaubar. Rund 50 waren es, die sich die Vorträge anhörten und in Workshops einbrachten. Aus Niedersachsen waren außer mir noch Heike Heinze (Schachzentrum Bemerode) und Patrick Wiebe (SK Nordhorn Blanke) dabei. Mit beiden konnte ich am Rande aufschlussreiche Gespräche führen. Die aktuelle Zahl der Schachvereine in Niedersachsen beläuft sich auf knapp 200. Da ich als Privatmann und nicht als Amtsträger teilgenommen habe, waren es somit nur 2 Vereine (1 %) aus Niedersachsen, die sich offiziell beteiligt haben. Den anderen – sowohl in Niedersachsen als auch anderswo – möchte ich hiermit etwas von der Aufbruchsstimmung vermitteln, die ich in Berlin verspürt habe.

Berlin-491Die Veranstaltung begann mit einem Vortrag von Dirk Schröter (DS Sportmarketing). „Vor welchen Herausforderungen steht der Verein der Zukunft – und wie begegnet er ihnen“, war sein Thema. Vermutlich werden demnächst seine und die von den anderen Referenten erstellten Powerpoint-Präsentationen im Netz verfügbar sein. Dann werde ich noch einmal darauf eingehen. Kurz gesagt, Dirk Schröter empfiehlt, dass sich die Vereine Leitbilder schaffen (nicht zu verwechseln mit der unsäglichen Leitkultur, die unser Innenminister gerade aus der Mottenkiste geholt hat). Das heißt, die Bedürfnisse der Mitglieder sollen an erster Stelle stehen. Dafür müssen Strategien entwickelt werden, die sich an zeitgemäßen Methoden orientieren. Der Landessportbund in NRW hat ein Internetportal eingerichtet, das für das Vereinsmanagement wertvolle Tipps gibt, von denen die meisten bundesweit anwendbar sind; guckt ihr hier: http://www.vibss.de/

In den anschließenden Workshops stellten 6 Schachvereine ihre unterschiedlichen Erfolgskonzepte vor. Die vom Veranstalter erstellten Porträts dieser Vereine habe ich eingescannt und am Ende meines Beitrags angefügt. So unterschiedlich die Voraussetzungen dieser Clubs auch sein mögen, etwas haben sie alle gemeinsam. Dahinter steht jeweils ein „Macher“, dem es gelungen ist, um sich herum ein Team zu bilden, das mit Empathie bei der Sache ist. Begeisterung muss entfacht und am Leben gehalten werden, dann lässt sich sogar in der Provinz Großes bewerkstelligen.

Karlheinz Eisenbeiser vom Schachclub Buchen ist so ein Macher. Als Lehrer hat er schon früh erkannt, dass das Schulschach der Schlüssel zum Erfolg ist. Ein Selbstläufer ist das indes nicht; das Drumherum ist mindestens genauso wichtig, z.B. Ausflüge, Kombinationen mit anderen Sportarten, Musik vorm Mannschaftskampf. Auf diese Weise hat er sogar Entwicklungshilfe in Myanmar geleistet; guckt ihr hier: http://www.schachclub-buchen.de/

Schulschach zieht sich wie ein roter Faden durch die Erfolgsgeschichten. Ullrich Krause, 2. Vorsitzender des Lübecker SV und Konkurrent von Herbert Bastian auf den Präsidentenposten, ist davon überzeugt, dass Vereine, die keine Jugendarbeit betreiben, irgendwann aussterben. Soweit würde ich nicht gehen. Natürlich ist Jugendarbeit in Schachvereinen erstrebenswert, gleichwohl kann man diese nicht erzwingen. Wer krampfhaft etwas versucht, was nicht funktioniert, frustriert sich selbst und andere. Manchmal ist Geduld gefragt. Wenn die Zeit reif ist, lassen sich Ziele verwirklichen, die gestern noch undenkbar waren.

Berlin-492An der Podiumsdiskussion, die am Sonntag stattfand, nahm auch Niedersachsens Schachpräsident Michael S. Langer teil. „Was erwarten die Vereine von ihren Verbänden?“, war das Thema. Mehrere Diskussionsteilnehmer plädierten dafür, den Ehrenamtlern die Scheu vor bezahlten Trainern zu nehmen; allen voran das Urgestein Christian Zickelbein, seit 1986 Vorsitzender des Hamburger SK von 1830. Das sehe ich auch so. Ein Schachlehrer, der für seine Tätigkeit Geld erhält, macht sich bezahlt. Tennislehrer arbeiten auch nicht umsonst. Allerdings muss das Geld dafür vorhanden sein. Von nichts kommt nichts.

Michael S. Langer (rechts)
Michael S. Langer (rechts)

Michael S. Langer äußerte sich zu den Strukturreformen, die er in Niedersachsen vorhat. Da er das öffentlich tat, verrate ich kein Geheimnis: Michael hat die Absicht, sämtliche Bezirke und Unterbezirke abzuschaffen. Die Arbeit, die sich bislang auf unzählige Ehrenamtler verteilt, reduziert sich schlagartig auf das wirklich Notwendige, und das wird stattdessen von einem hauptamtlichen Mitarbeiter erledigt, der dafür bezahlt wird. Damit geht Michael noch weiter, als ich in diesem Beitrag aus dem Oktober 2015 https://www.schachfreunde-hannover.de/ist-das-schach-oder-kann-das-weg/ angeregt hatte. Meine Unterstützung hat er. Ich bin davon überzeugt, dass der Niedersächsische Schachverband anschließend besser aufgestellt ist. Einwände, der damit verbundene Zentralismus würde die regionalen Belange vernachlässigen, teile ich nicht. Im Gegenteil, jeder, der ein Anliegen hat, kann dieses unmittelbar an eine kompetente Stelle richten, ohne dass dieses auf unterer Ebene versandet.

Überdies könnten Ideen leichter umgesetzt werden. Der Spielbetrieb muss attraktiver werden, war der Tenor unter den Diskutanten. Patrick Wiebe nannte als Beispiel die Mannschaftskämpfe in Holland, an denen er hin und wieder teilnimmt. Dort geht es flexibler und lockerer zu. Der Berliner Schachverband lebe von den freigelassenen Brettern bei Mannschaftskämpfen, sagte jemand scherzhaft. Das muss doch nicht sein. Es gibt mehrere Stellschrauben, auf die aktuellen Bedürfnisse der Schachspieler einzugehen. Wir müssen nur zulassen, dass jemand zeitnah daran drehen darf.

Der 1. Mai stand im Zeichen des Impulsreferats „Ehrenamt – der Spagat zwischen Pflicht und Spaß“, das Malte Ibs (1. Vorsitzender der Deutschen Schachjugend) hielt. Malte ist 36 Jahre alt. Seit 20 Jahren ist er fürs Schach ehrenamtlich tätig. Alles, was er dazu gesagt hat, kann ich unterschreiben. Ich kenne die Szene seit 53 Jahren. An den Empfindlichkeiten der Menschen hat sich in der Zeit nichts geändert. Unsere Lebensbedingungen haben sich jedoch gewandelt. Dem müssen wir Rechnung tragen.

Übrigens habe ich den Eindruck, dass Malte Ibs eine ausgezeichnete Arbeit macht. Die Deutsche Schachjugend ist eine treibende Kraft. Überzeugt hat mich auch Prof. Dr. Uwe Pfenning, Vizepräsident und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im DSB. Er ist drahtig, eloquent und aus vollem Herzen Soziologe. Keineswegs enttäuscht bin ich von unserem Präsidenten Herbert Bastian, der bekanntlich nicht unumstritten ist. Inwieweit er für Reformen tatsächlich zugänglich ist, kann ich nicht beurteilen.

Herbert Bastian (zweiter von rechts)
Herbert Bastian (Zweiter von rechts) während einer Diskussion am Stehtisch

P.S. Thomas hatte in meiner Ankündigung (Schaut auf diese Stadt!) bereits ein Foto beigefügt, auf dem ich zum Auftakt der Veranstaltung zu sehen bin. Ein Abschlussfoto findet ihr auf Steffans – auch ansonsten empfehlenswerten – Webseite:

http://www.steffans-schachseiten.de/include.php?path=news&catid=30&type=2

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