Calm After the Storm

Die Wurst hat besser abgeschnitten. Sonst hätte das holländische Duo „The Common Linnets“ den ESC 2014 gewonnen. Der Titel passt zu unserem derzeitigen Gemütszustand. Der Sturm hat sich gelegt. Der Wahnsinn ist vorbei. Wir Hannoveraner sind wieder unter uns. Alle sind fort: die wissbegierigen und feierfreudigen deutschen Bürger und Bürgerinnen sowie der schachspielende Nachwuchs. Um den Nachwuchs ist es gut bestellt, ist mein Eindruck. Ansonsten löst eine Null die andere ab, Göttingen erhält einen onanierenden Kragenbären als Denkmal, und was machen wir Schachspieler? Wir üben Selbstzweifel. Das muss nicht sein.

Der Herbst ist eine ehrliche Haut. Er zeigt uns seine Emotionen, ohne sie zu beschönigen. Er kann so traurig sein, dass Himmel und Erde zu einem Grau verschmelzen, er kann zürnen und stürmen, dass uns Angst und Bange wird, aber er kann auch die Sonne rauslassen, als würde er sich wie ein Honigkuchenpferd freuen. Solch einen Tag hatten wir vorgestern. Ich wollte ihn in aller Stille genießen. Dazu eignet sich vorzüglich der Georgengarten. Obwohl er riesengroß ist, war er fast menschenleer. Walker, Jogger, Studenten, Rentner, Hausfrauen und Pfandflaschensammler hatten offenbar Pause. – Unser Überleben sichern wir durch Weisheiten. Diese haben wir zwar verinnerlicht, müssen sie aber stets aufs Neue aktivieren: „In der Ruhe liegt die Kraft“, und „Nach dem Sturm ist vor dem Sturm.“ Die nächsten Stürme toben in unserer Nähe: in Laatzen, in Isernhagen, in Neustadt und in Berenbostel. Darauf muss der rasende Verstand mental vorbereitet sein. Damit das gelingt, habe ich euch ein paar Fotos mitgebracht. Sie sollen euch die Ruhe vermitteln und die Selbstzweifel nehmen. Dann haben die angesprochenen Vorstadtschachspieler gegen uns keine Chance.

9 Gedanken zu „Calm After the Storm“

  1. Relax your mind. Ommmmmh! Für diejenigen unter euch, die Power Yoga betreiben, habe ich meine Galerie um zwei Fotos erweitert. In Wirklichkeit ist es nur ein Foto, das ich um 180° gedreht habe. Es ist für den Fall bestimmt, dass ihr euch beim Betrachten im Shirshasana (Kopfstand) befindet. Welches davon auf dem Kopf steht, müsst ihr selbst herausfinden. Ommmmmh!

    1. Ein Schachfreund hat sich bei mir gemeldet. Albträume hätten ihm zu schaffen gemacht. Zwecks Betrachtung meiner letzten beiden Fotos hätte er stundenlang auf dem Kopf gestanden. Während der Nacht sei es dann zu panikartigen Schlafstörungen gekommen. Er schilderte mir seinen Traum wie folgt:

      „Ich war zu einem Schachturnier gemeldet. Als ich mich auf meinen Platz setzen wollte, stellte ich fest, dass dort kein Stuhl stand. Bei meinem Gegner auch nicht. Im ganzen Spielsaal gab es keinen einzigen Stuhl! Ich konnte gerade noch sehen, dass ein Stuhl selbsttätig aus dem Saal verschwand. Ich hinterher. Sämtliche Stühle aus dem Turniersaal hatten sich zusammengerottet und waren wie von Geisterhand gesteuert schnurstracks auf dem Weg in den Georgengarten. Dort hatten sie sich in Reih und Glied vor große, alte Bäume aufgestellt. Die ersten Stühle waren bis in die mächtigen Kronen geklettert und hatten sich dort an die Äste gehängt. Die anderen Stühle drängten nach.“

      Dann sei er schweißgebadet aufgewacht. Was wollte ihm der Traum sagen? Die Antwort kennt vielleicht sein Psychiater oder sein DWZ-Auswerter. Natürlich wäre das Szenario in Wirklichkeit undenkbar. Stühle klettern nicht auf Bäume. Um solche Traumbilder sichtbar zu machen, ist mir eine Erfindung gelungen. Binnen 6 Stunden nach dem Albtraum muss sich der Proband die Kopfhaut mit einer speziellen Paste einreiben und dann mit dem Hinterkopf auf einen handelsüblichen Scanner legen. Zum Vorschein kommen naturgetreue Abbildungen aus der Traumwelt. Als Beleg habe ich meine Bildergalerie um ein Foto erweitert.

  2. Ob es an der Beschwörung kosmischer Urlaute lag, weiß ich nicht. Plötzlich stand er vor mir: Käpt’n Knippi. Rund 15 Jahre hatten wir uns nicht mehr gesehen. Vor einer Stunde begegneten wir uns auf zufällig auf dem Gehweg an der Calenberger Esplanade. In den neunziger Jahren war Torsten Knippert Mannschaftsführer der Zweiten und darüber hinaus ein Motor unseres Vereins. Er war überall mit Freude dabei, sowohl als Organisator als auch als starker Schachspieler. Diese Freude war ansteckend. Mitten auf dem Gehweg sprudelte es aus uns heraus: „Weißt du noch?“ „Ja, als wäre es gestern gewesen.“ Stolz erzählte mir Torsten, dass er den Namen „Sonnenkönig“ für unsere Vereinszeitung gegen erheblichen Widerstand durchgesetzt hatte. Torsten war und ist ein Künstler. Ob er jemals zum Schachspiel zurückfinden wird, bezweifele ich. Ihm sind sein Killer-Gen und die damaligen Kumpel abhanden gekommen. – Unser Gespräch auf dem Gehweg dauerte über zwanzig Minuten. Es hätte auch zwei Stunden dauern können. Schön, dass die Vergangenheit weiterlebt.

    1. Na, der Torsten hat das nur durchsetzen können, dass die Zeitung letztlich Sonnenkönig hieß, weil meine damalige Freunding ein Bild für die erste Ausgabe gemalt hatte, das unmissverständlich einen Sonnenkönig zeigte. Manchmal denke ich auch an diese Zeit zurück, wenn Knippi und ich bei Dietmar Schönfeld uns so auf die Mannschaftskämpfe vorbereitet haben, dass wir anderntags die Augen kaum aufbrachten. Gibt es Thomas Lampe eigentlich noch. Den habe ich mal auf La Gomera getroffen.
      Bin über Berlin mittlerweile in Dresden gelandet und grüße meine alten Schachfreunde ganz herzlich.
      Daniel

      1. Dass unser Blog sogar im Tal der Ahnungslosen empfangen wird, ist großartig. Deshalb freuen wir uns umso mehr über deine Lebenszeichen. Thomas Lampe gibt es noch, aber nicht mehr in unserem Verein. Er spielt für die Weiß-Blauen in Hannovers Stadtwald. Manchmal traut er sich aus dem Dickicht hervor. Wenn ein Schachbrett auf der Straße liegt, kann er nicht widerstehen. Guckst du ans Ende meiner Fotogalerie.

  3. Die Mächtigen kommen und gehen – Was bleibt?

    Meine Begegnung mit Frank-Walter Steinmeier hat mich nachdenklich gemacht. Wisst ihr noch, wer vor 10 Jahren unser Bundespräsident war? Richtig: Horst Köhler (von 2004 bis 2010). Hat er etwas Bleibendes hinterlassen? Nein. Ist er noch mächtig? Nein. Was war vor 10 Jahren sonst noch los in Deutschland? Richtig: der G8-Gipfel tagte 2007 in Heiligendamm. Hat er etwas Bleibendes hinterlassen? Nein. Oder etwa doch!? Ja! Das Bild vom XXL-Strandkorb, in dem die damals mächtigsten Menschen der Welt saßen. Was ist aus denen geworden?

    Sitzgruppe von links nach rechts:
    Japan: Shinzō Abe (9/2007-2012)
    Kanada: Stephen Harper
    Frankreich: Nicolas Sarkozy
    Russland: Wladimir Putin
    Deutschland: Angela Merkel
    Vereinigte Staaten: George W. Bush
    Vereinigtes Königreich: Tony Blair
    Italien: Romano Prodi
    Europäische Union: Manuel Barroso

    Zwei haben durchregiert: das Dream-Team Angela Merkel und Wladimir Putin. Der japanische Ministerpräsident musste kurze Zeit später seinen Hut nehmen; regiert seit 2012 allerdings wieder in seiner dritten Amtszeit. Die anderen sind Geschichte inkl. diverser Nachfolger. Deshalb habe ich ihre Namen durchgestrichen. – Im Sommer dieses Jahres wurde das Wahrzeichen des G8-Gipfels wieder aufgestellt; guckt ihr hier: https://www.svz.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/der-strandkorb-ist-zurueck-id16932496.html

    Warum erzähle ich das? Weil wir heute den längsten Tag des Jahres haben. Die zusätzliche Stunde sollten wir dazu nutzen, über die Vergänglichkeit im Allgemeinen und die von Macht im Besonderen nachzudenken. Und über die deutsche Seele. Der Strandkorb gehört nämlich zur deutschen Seele wie das Abendbrot, das Reinheitsgebot und der Weihnachtsmarkt. Die Antwort auf die in der Überschrift enthaltene Frage lautet demnach:

    Die Mächtigen kommen und gehen, der Strandkorb bleibt.

    Diese Erkenntnis stammt nicht von mir, sondern von Thea Dorn und Richard Wagner aus ihrem Buch „Die deutsche Seele“. Von mir bekommt ihr ein zur deutschen Seele und zum deutschen Wetter passendes Bild (siehe oben).

  4. Poetry-Schlamm

    Am Wochenende fanden in Hannover die deutschsprachigen Schlammschlachten unter Pöten und Pötinnen statt. Gerne politisch gefärbt waren die Texte. Da ließ zum Beispiel ein FDP-Mitglied einen Arbeitslosen durch einen brennenden Reifen springen. Außer Konkurrenz waren wir Schachfreunde vertreten. Der Veranstalter wollte ursprünglich nicht glauben, dass Schachspieler etwas anderes können als Schachspielen. Poesie und Humor unter Schachspielern? Undenkbar!

    Diese Einstellung änderte sich schlagartig, nachdem ein anonymer Schachfreund aus unserem Blog vorgelesen hatte. Es gab Standing Ovations. „Zugabe, Zugabe!“, hieß es minutenlang aus dem entfesselten Publikum. Stofftiere, Blumen und Unterwäsche landeten auf der Bühne. – Der Künstler musste über den Hinterausgang das Opernhaus verlassen.

    Der Sturm hat sich gelegt. Ruhe ist eingekehrt: im Opernhaus und am Nordseestrand. Die Strandkörbe stehen – wie sich das für Deutsche gehört – wieder geordnet am Meeresufer; z.B. am Roten Kliff in Kampen (neues Bild oben). Dass die Welt gestern ganz anders aussah, könnt ihr euch hier angucken: http://www.sylt-tv.com/mit-156-km-h-orkanboeen-wurde-sylt-von-herwart-durchgeruettelt.html

  5. Wie ich in den letzten Tagen live vor Ort mitverfolgen konnte, sind auf den Nordseeinseln halt Menschen zu Hause, die sich nach dem STURM einmal über Nase wischen und dann professionell (mal wieder) aufräumen.

    Alles, bis auf Tanker 😉

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