Helmut Reefschläger

Gestern wurde IM Dr. Helmut Reefschläger 70 Jahre alt. In den Jahren 1974, 1976, 1977 und 1978 wurde Helmut Niedersächsischer Landesmeister. Diese Titelgewinne fielen zusammen mit meiner Sturm-und-Drang-Zeit. Als diese mit meinem Eintritt ins Eheleben endete, verließ Helmut für immer die Norddeutsche Tiefebene. Anfang der achtziger Jahre gehörte Helmut zu den besten deutschen Schachspielern. In den ersten Jahren der Bundesliga war er einer der erfolgreichsten Einzelspieler, wodurch er mehrmals in der Nationalmannschaft eingesetzt wurde.

Dieses von mir beschriebene Zeitfenster vor 35 bis 40 Jahren war durch viele gemeinsame Aktivitäten zwischen Helmut, unserem Verein und mir geprägt. Helmut wohnte damals in Wieren bei Uelzen. Mitglied war er zu der Zeit beim HSK, dessen Spielabende er aber nur selten aufsuchte. Die waren ihm zu spießig. Viel lieber kam er zu den Schachfreunden Hannover in den Raschplatz-Pavillon. Regelmäßig nahm er an unseren Monatsblitzturnieren teil. Eine Original-Tabelle habe ich herausgesucht. Bei dem Turnier gewann Helmut vor Bahe (was ist aus dem geworden?) und Manfred Heilemann (Horst-Peter und ich hatten zugunsten anderer verzichtet). 

Monatsblitzen SF Hannover - Ende der siebziger Jahre im Raschplatzpavillon
Monatsblitzen SF Hannover – Ende der siebziger Jahre im Raschplatzpavillon

Helmut nahm also freitags den weiten Weg von Wieren nach Hannover auf sich, weil er sich bei uns wohlfühlte. Die Abende endeten nie mit einem Blitzturnier, sondern fanden ihre Fortsetzung in trauter Runde beim Doppelkopf. Unsere Stammkneipe war der „Schwarze Husar“ hinter dem Vahrenwalder Freizeitheim. Besonders beliebt waren Pflichtsoli. Kennt ihr die? Es wird zunächst die Höhe eines „Topfes“ festgelegt, z.B. 50 Punkte. Dieser Topf verringert sich um die Punktezahl, die jeweils bei normalen Spielen anfallen. Mit der Zeit leert sich der Topf. Es kommt darauf an, dass jeder Spieler die vier Pflichtsoli möglichst dann spielt, wenn er geeignete Karten hat. Pflichtsoli waren Bubensolo, Damensolo, Bubendamensolo und Farbensolo. War der Topf leer, wurde man „vorgeführt“, d.h. man musste ein Solo spielen, auch wenn die Karten ganz und gar nicht danach waren. Das konnte zu hohen Verlusten führen. Noch heftiger wurde es, wenn es einem Doppelkopfspieler gelang, nach dem Pflichtsolo das gleiche Solo zu gewinnen. Dann mussten die anderen nachziehen. Das heißt, aus den vier Pflichtsoli konnten schon mal acht und mehr werden. Wir spielten pro Punkt um eine Mark. Ein verlorenes Solo konnte nach einem Kontra bis zu dreißig Mark kosten. Aber richtig schmerzhaft wurde es selten. Gewinne und Verluste über 100 DM waren die Ausnahme. 

Gegen Mitternacht rief der Wirt regelmäßig lauthals durch die Kneipe: „Feierabend. Auch der Gast macht sich strafbar!“ Damit hatte er seine Schuldigkeit getan. Es wurde weitergespielt, bis es hell wurde. – Wir waren damals im positiven Sinne eine Clique. Horst-Peter gehörte zum erweiterten Kreis, soweit es sein Studium zuließ. Ich habe nicht einmal erlebt, dass Helmut ungehalten bzw. unangenehm wurde. Sein Charme war ansteckend. Wenn’s beim Kartenspielen um Geld geht, kann man übrigens am besten den Charakter eines Menschen erkennen. 

Helmut war damals frisch verheiratet. Seine Ehe hielt nicht lange. Mit Frauen konnte (und kann?!) Helmut indessen etwas anfangen. Aber ein bürgerliches Eheleben war nichts für ihn. Otto Borik nannte ihn in seinem Schachmagazin einmal einen „Bohemien“, womit er meines Erachtens den Nagel auf den Kopf traf. – Helmut hat ein Musikgymnasium besucht, das offenbar seine Feinfühligkeit geprägt hat. Ich kann mich entsinnen, dass er einmal über GM Ralf Lau schimpfte, weil der ihn mit lauter Rockmusik nervte. Seinen Doktortitel hat Helmut in Mathematik errungen. Die Dissertation bestand lediglich aus rund 50 Seiten, was Horst-Peter ein kleines Lästern entlockte. Dass man bei Doktorarbeiten abgesehen von den aktuellen Plagiatsfällen von jeher leicht ins Fettnäpfchen treten kann, wurde uns von Arthur Schopenhauer überliefert. „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ lautete seine Doktorarbeit, die mit magna cum laude prämiert wurde. Als Arthur diese Arbeit seiner Mutter zeigte, meinte die nur spöttisch: „Das ist wohl etwas für Apotheker“, und legte die Schrift ungelesen aus der Hand. Daraufhin wandte sich Arthur von ihr ab, ließ sie mit Johann Wolfgang von Goethe allein und sah sie nie wieder, obwohl sie noch 24 Jahre lebte. 

Helmut Reefschläger habe ich seit 1996 nicht mehr gesehen, als wir gemeinsam am Casino-Open in Velden teilgenommen haben. Vielleicht begegne ich ihm wieder bei dem Turnier, das ich über Ostern spielen werde. Das würde mich freuen. Helmut ist einer der unterhaltsamsten Schachspieler Deutschlands. Davon zeugt dieser Artikel aus der „Rochade Kuppenheim“, der zu Ehren seines siebzigsten Geburtstags geschrieben wurde: http://www.rochade-kuppenheim.de/eloquenter-mathematiker/

**********************************************************

Ergänzung am 4. Dezember 2015 (siehe Kommentar)

img382**********************************************************

Ergänzung am 8. April 2017 (siehe Kommentar)

Helmut-Reefschläger

**********************************************************

Ergänzung am 10. Dezember 2015 (siehe Kommentar)

 Niedersächsische Landesmeisterschaft 1977 in Wolfenbüttel

A-Finale-Ostern-77
B-Finale-Ostern-77C-Finale-Ostern-77