Limburger Reminiszenzen

Ein durchgeknallter Limburger Läufer, äh Bischof, beherrscht derzeit die Schlagzeilen. Bevor ich mich den eigenen spätpubertären Zeiten widme, möchte ich das Tagesgeschehen mit einem Gedicht angemessen würdigen. Zu Limburg passt ein Limerick wie ein Adventskranz unter eine Kapellenkuppel. Ich habe mich erstmals an das schwierige Versmaß aabba gewagt:

Limburger Limerick

Ein Merkwürden aus Limburg an der Lahn,
Der hatte sich, Gott vergelt’s, bei den Baukosten vertan;
Er säte Prunk
Und erntet nun Stunk
Für seinen sündhaft teuren Größenwahn.

Anno 1981 haben wir uns in Limburg von der sportlichen Seite gezeigt. Mein Gott, waren wir jung. Und stark. Verdammt stark. Und langhaarig. Und voller Flausen. Wir wollten die Welt retten (was uns bis heute gelungen ist). Es war das letzte Jahr vor Helmut Kohl, die Grünen feierten ihren ersten Geburtstag, und Franz Beckenbauer kickte für den Hamburger Sportverein in der 1. Bundesliga. Ich war frisch verheiratet, und das bin ich heute noch. Nicht mehr ganz so frisch. Aber immer noch verliebt.

Meine Liebe zum Schach ist nie verloschen, auch wenn es im Laufe meines Lebens andere Prioritäten gab und gibt. 1981 hatten wir die Idee, an einem der stärksten Blitzturniere in Deutschland für 4er-Mannschaften teilzunehmen. Wir konnten zwei annähernd starke Mannschaften aufstellen. Wir waren damals (meistens) die Besten in Niedersachsen. Vier Mannschaftstitel geben Zeugnis davon. Bei diesem Turnier konnte sich vor allem Peter Panzer ausgezeichnet in Szene setzen. Mit diesem Motivationsschub war ihm der Weg vorgezeichnet, den Titel eines Internationalen Meisters zu erwerben. Das Turnier haben wir nicht gewonnen, aber wenn ich mich recht entsinne, haben sich beide Mannschaften gut platziert.

Auf drei digitalisierten Fotos kann ich euch ein bisschen von der Stimmung zeigen. Die halbe Truppe ist noch immer in unserem Verein aktiv. Einer hat sich vom Schach vor längerer Zeit zurückgezogen. Es ist der Sitzende auf dem mittleren Foto. Mit ihm müsst ihr euch gut stellen, wenn ihr in Hannover wohnt. Er leitet das Finanzamt-Mitte.

Limburg-01Stufenweise von links nach rechts vorm Portal des Limburger Doms: Harald Behrens, Gerhard Streich, Horst-Peter Anhalt, Jürgen Siegmann, Andreas Wetjen, Achim Cablitz, Michael Geveke und Peter Panzer

Limburg-02Stehend von links nach rechts: Gerhard Streich, Michael Geveke (verdeckt), Horst-Peter Anhalt, Achim Cablitz, Peter Panzer, Harald Behrens und Jürgen Siegmann (sitzend)

 Limburg-03Der Bruderkampf (von links nach rechts): Anhalt-Geveke, Cablitz-Behrens, Streich-Siegmann, Panzer-Wetjen

Ergänzt am 18.10.2013 als Antwort auf Horst-Peters 1. Kommentar:

Limburg-Hohle-GasseDas perfekte Outfit 

Ja. Ein Fotoshooting in Limburgs steilen Gassen macht es deutlich. Achim Cablitz war damals so perfekt gekleidet, dass er mehrmals mit Schlagersänger Jürgen Marcus verwechselt wurde.  Der Deutsche Jugendmeister Michael Geveke streckte meiner kleinen Minox-Kamera die Zunge entgegen.

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Ergänzt am 16.09.2015

Andreas Wetjen, der Mann mit dem Lehrerbart (roter Pfeil)
Andreas Wetjen, der Mann mit dem Lehrerbart (roter Pfeil)

Oberliga Nordwest: Hannover 96 –SF Hannover

Das Datum 13.10.13 brachte uns kein Glück. Unser erstes Match haben wir
sang- und klanglos bei Hannover 96 vergeigt. Drei von acht Partien gingen
verloren, der Rest endete remis. Auch meine Partie. Zu den anderen Partien kann
ich wenig sagen, das mögen die Betroffenen oder der Mannschaftsführer tun. In
meiner Partie fühlte ich mich stets gut und wähnte mich zwischendurch auf der
Siegerstraße. Aber mein Vorteil war in der Nachbetrachtung geringer als
geglaubt. Um auf Biegen und Brechen auf Gewinn zu spielen bestand keine
Veranlassung. Im Doppelturmendspiel hatte ich zwar Raumvorteil, etwas
Zwingendes war indes nicht zu sehen. So einigten wir uns auf ein verdientes
Unentschieden. Die Partie folgt im Kommentar.

Ich bin drin (2)

Gens una sumus

Zum Tag der Einheit gehört eine Partie, die die Chancengleichheit charakterisiert. Ost gegen West, weiblich gegen männlich, klein gegen groß, dünn gegen dick, jung gegen alt, vor Caissa sind sie alle gleich. Im Jahr 2001 hatte ich die Ehre, gegen Deutschlands beste Schachspielerin anzutreten: Elisabeth Paehtz. Damals war sie 16 Jahre alt und hatte eine Elo-Zahl von 2392. Ein Jahr später wurde sie Jugendweltmeisterin. Drei Jahre später bekam sie den Titel eines Internationalen Meisters verliehen. In unserer Partie baute sie sich behutsam eine Druckstellung auf. Diese konnte ich bis zum 44. Zug einigermaßen neutralisieren. Dann unterlief mir mit 44. … axb4? eine Ungenauigkeit, die dazu führte, dass Elisabeth über die a-Linie mit dem Turm eindringen konnte. Danach versäumte sie zweimal, den Sack zuzumachen. Sowohl 48. Td8? als auch 53. Lc5? gaben den Vorteil aus der Hand, und ich konnte in ein ausgeglichenes Endspiel abwickeln.
 

Schachfundus Hannover (2)

Plumpe Damenanmache wird sofort bestraft

Auf Empfehlung unseres Administrators werde ich meinen Strang „Schachfundus Hannover“ anders strukturieren. Künftig werde ich jeweils einen neuen Beitrag schreiben und diesen durchnummerieren.

Schwarz stand gut. Zeit war genug vorhanden. „Jetzt versetze ich der weißen Dame erst mal einen Tritt, und dann werde ich weitersehen“, dachte sich Manfred Küver und zog überstürzt 26. …Ta3-a4?? Trittst du meine Dame, trete ich deine Dame“, war meine humorlose Antwort.

Streich-Küver
Streich, Gerhard – Küver, Manfred
Bezirksmeisterschaft, 1982

27.Lxd5 1-0 Schwarz ist in allen Varianten verloren. Das wollte sich mein kopfschüttelnder Gegner (und Vereinskamerad) nicht zeigen lassen.

27…Dxd5 28.Dxa4+-

27…Dd7 28.Lxf7+ Kh7 (28…Dxf7 29.Dxa4) 29.Lxe8+-

27…Txf4 28. Lxc6 Te6 29. gxf4+-

27…Te6 28.Df3 Dd7 29.Lxe6+-

Die Bezirksmeisterschaft im Jahr 1982 stand ganz im Zeichen unseres Vereins. Es gewann Michael Geveke vor Achim Cablitz und Peter Panzer. Ich wurde fünfter vor Manfred Küver (insgesamt 20 Teilnehmer).

 

Schachfundus Hannover (1)

Ob Patzer oder Großmeister, jeder hat im Laufe seiner Schachkarriere
aufregende Partien gespielt. Zur Auffrischung längst abgeklungener Emotionen
möchte ich euch in unregelmäßigen Abständen einige aus meiner nunmehr 50 Jahre
währenden Praxis zeigen. Ich würde mich freuen, wenn ihr euch an dieser
Geschichtsbewältigung mit eigenen Museumsstücken beteiligt. Beginnen möchte ich
mit einer Partie, die ich 1982 bei der Bezirksmeisterschaft gegen Friedmar
Schirm gewonnen habe. Bis zum 34. Zug war es eine  Partie zum Vergessen. Ich hatte das Gefühl, bereits nach dem 3. Zug auf Verlust zu stehen. Friedmar spielte stark. Ich nicht. Dann kam meine Chance. Die erkannte ich sofort. Aus Gründen des Anstands möchte ich zu Friedmars Mienenspiel während der weiteren Zugfolge keine Angaben machen.

Streich-SchirmNichtsahnend wollte Friedmar mit 34. … Dd6-c6 die Stellung seiner Dame
verbessern. Stattdessen hätte er mir mit 34. … g5-g4 die Luft zum Atmen
genommen. Nun kann ich den Spieß umdrehen. 35.g4! Friedmars stolze
Bauernphalanx bricht wie ein Kartenhaus zusammen. 35…Dc1+ 36.Sf1 Lc4? Das
kleinere Übel bestand in 34. Dc8. 37.gxf5 Lxf1 Wegen der Drohung 38. f6
erzwungen. 38.Lxf1 Dc6 39.Dxc6 bxc6 Nach dem Damentausch habe ich leichtes
Spiel. Trotz der ungleichen Läufer ist das Endspiel für mich gewonnen.
40.Lg2 Kf7 41.Lxe4 Kf6 42.Kg2 Lf8 43.Lxc6 Kxf5 44.h3 La3 45.Kf3 Lb2 46.Ld7+ Kf6 47.Ke4 Ke7 48.Lg4 Kf6 49.Kd5 Lc3 50.e4 Le1 51.e5+ Ke7 52.f3 1-0

 

Weiß setzt Matt  (veröffentlicht am 12.09.2013)

Kinderleicht! Oder? Ja! Aber.
Streich-Schreitel
Schwarz gab auf, bevor ich ihn mit 60. f4# (oder etwas später) mattgesetzt hätte. Warum zeige ich diese Partie? Guckt mal genau hin. Ich habe noch sämtliche Bauern. Nicht ein einziger wurde geschlagen, getauscht oder geopfert. Und das im 60. Zug! Das ist schon außergewöhnlich. Dass ich mit einem Bauern mattsetze, ist indessen ein mathematisches Wunder. Gerüchten zufolge sollen im Schach mehr Stellungen möglich sein, als es Atome im Weltall gibt. Ich habe das nachgerechnet. Es stimmt. Diese Partie ist der Beweis dafür, dass es Materie außerhalb unseres Weltalls gibt.

Waldemar Schreitel gehörte in den siebziger Jahren zu den stärksten Spielern der SVG Salzgitter. Er verstarb im vergangenen Jahr im Alter von 96 Jahren. 64 Jahre war er Mitglied bei den Salzgitteranern. Von denen wurde er liebevoll „Papa Schreitel“ genannt. Bis zum Schluss bewahrte er sich eine beachtliche Spielstärke. In der Partie gegen mich waren drei Bauernverluste der Grund dafür, dass ich ihn mit einem Bauern mattsetzen konnte.

Lebendig begraben (veröffentlicht am 13.09.2013)

Das nächste Diagramm ist nichts für schwache Nerven. Horst-Peter hat das Stichwort gegeben: Nicht alle Doppelturmendspiele sind remis. Diese Weisheit möchte ich um eine weitere ergänzen: Nicht alle Türme haben ihren Namen verdient. Guckt euch mein armseliges Exemplar an. Seit dem 39. Zug schmachtet mein Turm in seinem Verließ. Es gibt keinen Ausgang. Qualle mehr!? Pustekuchen. Es ist zum Heulen! Ich hätte längst aufgeben können. Dass die Partie verloren ist, war mir sonnenklar. Aber meinen feixenden Mannschaftskameraden wollte ich noch eine Show bieten. Mein Gegner wählte den eleganten Weg. Am Ende hätte sich mein Turm seinen Bewachern selbst ausliefern müssen. Diese Schmach wollte ich ihm ersparen.

Streich-Tscheppe
Gerhard Streich – Karl-Heinz Tscheppe
Oberliga Niedersachsen/Bremen 1978

65.Kd3 Kd5 66.Kc2 Kd4 67.Kd1 Kd3 68.Ke1 Lc5 69.Kf1 Ke3 70.Ke1 Lb4+
71.Kf1 Kd2 72.Kf2 Lc5+ 73.Kf1 Kd1 74.Kg2 Ke2 75.Kh1 Kf1 0-1

 

Weiß gewinnt in zwei Zügen (veröffentlicht am 15. September 2013)

„Wie denn?“, werdet ihr fragen, „die Stellung ist doch harmlos.“ Das täuscht. Mein folgender Zug brachte Schwarz völlig aus dem Konzept.

Gerhard Streich - Harald Behrens Niedersächsische Einzelmeisterschaft 1978 in Wingst
Gerhard Streich – Harald Behrens Niedersächsische Einzelmeisterschaft 1978 in Wingst

33.Lb4! Ein Blitz aus heiterem Himmel. 33…Tc8?? Trotz langen Nachdenkens gespielt. Harald stand offenbar unter Schock. [33…Ke6 einziger Zug 34.Lh3 Td8 35.Ld2 h6 36.Lf4 exf4 37.Txb5+ Kf6 38.gxf4 Lxf4+ 39.Kg2 Tf8 40.Txb7 Tf7 41.Tb4 Le5 42.Ta4 mit Vorteil für Weiß; 33…Lxb4? 34.Txe5+ Kf6 35.Txb5+-] 34.Txe5+ 1-0

Vor 35 Jahren habe ich diese Partie gespielt. Es war in Wingst, einem verschlafenen Ort im Norden Niedersachsens. Es ging um die Niedersachsenmeisterschaft. Das Meisterturnier bestand aus 16 Spielern (9 Runden Schweizer System). Es war die wohl hochkarätigste Meisterschaft der damaligen Zeit. Horst-Peter und ich konnten uns gut in Szene setzen.

Endstand Meisterturnier 1978

01. Dr. Reefschläger, Helmut       HSK    7,0 Punkte (4x)
02. Heilemann, Manfred               HSK    6,0 Punkte (10x)
03. Streich, Gerhard               SFH    5,5 Punkte
04. Derikum, Axel                           BSC     5,0 Punkte
05. Lau, Udo                                     BSC     5,0 Punkte
06. Anhalt, Horst-Peter         SFH    5,0 Punkte
07. Behrens, Harald                       SKL     4,5 Punkte (2x)
08. Gudat, Alfons                            UOL    4,5 Punkte
09. Schrüfer, Günther                    SKL     4,5 Punkte (1x)
10. Oestreich, (?)                              SKS     4,5 Punkte
11. Holzapfel, Daniel                       SKN    4,0 Punkte
12. Waldschläger, Jürgen              BSC    4,0 Punkte
13. Rehbein, Detlef                           SKL    4,0 Punkte
14. Kretschel, Klaus                         BSC    3,5 Punkte
15. Tscheppe, Karl-Heinz               BWB   3,0 Punkte
16. Rosin, Wolfgang                        HSK    2,0 Punkte
 
In Klammern die Zahl der errungenen Titel „Niedersächsischer Schacheinzelmeister“
im vergangenen Jahrtausend 
 

Für mich begann das Turnier alles andere als erfreulich. In der 1. Runde verlor ich unnötig gegen Wolfgang Rosin. Es sollte sein einziger Sieg bleiben. Danach schaffte er lediglich zwei Remis. Von der Auftaktniederlage erholte ich mich gut. Ich konnte mehrere Siege einfahren, u.a. gegen Manfred Heilemann. Die Partie zeige ich euch demnächst in voller Länge. Über das in den siebziger Jahren zu allen Anlässen obligatorische Après-Schach (sprich: Doppelkopfabende) werde ich mich zu gegebener Zeit äußern.

 

Leichte Kost am Wahltag (veröffentlicht am 22. September 2013)

Mit zwei Mehrbauern und aktiver Stellung steht Weiß auf Gewinn. Mit 28. f5 konnte ich locker fortfahren. Eine kleine „Kombi“ war indessen nicht nur hübscher, sondern führte sofort zum Ziel.

Streich (SFH) - Musiol (SK Delmenhorst) Oberliga Niedersachsen/Bremen 1977
Streich (SFH) – Musiol (SK Delmenhorst) Oberliga Niedersachsen/Bremen 1977

28.Txf6! gxf6 29.Dxf6+ Kg8 30.Lh3! 1-0