Frau und Schach

Plötzlich ist sie in aller Munde: die Frau. Viele Schachspieler kannten sie bislang nur vom Hörensagen. Und manche Wirtschaftsbosse auch. Zum Beispiel der Aufsichtsrat vom FC Bayern München. Dort gibt es 9 Männer und 0 Frauen. Nicht auszudenken, wenn dort demnächst 3 Frauen säßen. Das Abstiegsgespenst würde sich die Hände reiben. Aber solange die Bayern nicht in die DAX-Liga aufsteigen, wird es nicht dazu kommen.

Die von der Bundesregierung geplante Frauenquote ist wie eine vermeintliche Drohung im Schachspiel. Eigentlich nur ein Bluff, aber die Machos bekommen das große Zittern. Diese Sorgen möchten wir Schachspieler haben. Wir schätzen die Frauen und freuen uns über jede, die am Schachbrett sitzt, solange sie nicht gegen uns gewinnt. – Nun macht Frau derzeit nicht nur im Bundestag von sich reden, sondern auch in unserer Männerdomäne. Das erste Deutsche Masterturnier für Frauen, das gerade in Dresden beendet wurde, war ein Medienhit. Oder ein Hitchen? Laut Renate Künast soll es sich bei der Frauenquote auch nur um ein Quötchen handeln. „Haste malne Frau?“, könnte zum geflügelten Wort werden. Dass das Schielen auf die Quote zu falschen Schlüssen führen kann, zeigt der Bericht über das DSAM-Turnier, das vorige Woche in Magdeburg ausgetragen wurde.

„Mit 9 Prozent teilnehmenden Damen lag das Turnier deutlich über dem (dünnen) Frauen-Anteil des DSB, aber auf diesem Weg muss noch weit gegangen werden, bis das Ziel erreicht sein wird – wenn auch die ersten Schritte getan sind!„, sagte die Turnierdirektorin Ingrid Schulz in einem Interview mit Ralf Mulde (DSB-Seite vom 23.11.2014). Als ich den Artikel las, habe ich mich nicht nur über die Überschrift (knorriges Kampfschach) amüsiert, sondern vor allem über den „dünnen Frauen-Anteil“. Für „Anteil dünner Frauen“ hätte es einen Satz heiße Ohren gegeben. Wer kaudert*, muss sich auf eine Watschen gefasst machen.

*Verbschöpfung zu Ehren von Volker, dem Frauenversteher. Meine kreative Antwort auf das bislang unbekannte Verb „direktorieren“ im zitierten Artikel. 

Dann habe ich mir die Zahlen genauer angesehen. Sie sollten ja deutlich über dem Frauenanteil im DSB liegen. Nach letzten mir bekannten Zählungen gibt es im DSB 83.985 männliche Mitglieder inklusive Kinder und Jugendliche sowie 6.691 weibliche Mitglieder. Das ist ein Frauenanteil von 7,4 %. Trennt man jedoch die Kinder und Jugendlichen von den Erwachsenen ergibt sich ein anderes Bild: von 21.366 Kindern und Jugendlichen sind 3.471 weiblich. Das ist ein Anteil von 16,3 % und damit ein dickes Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Bei den volljährigen Frauen beträgt der Anteil so gesehen nur 5,1 %. Das ist wirklich dünn. – In Magdeburg waren insgesamt 331 Schachspielerinnen und Schachspieler am Start. Davon waren 30 Frauen bzw. weibliche Kinder und Jugendliche. Wenn man bedenkt, dass von denen über die Hälfte in der niedrigsten Ratinggruppe F gespielt hat, kann man davon ausgehen, dass die meisten noch Kinder oder Jugendliche sind. Somit relativiert sich der Anteil weiblicher Teilnehmer. Unter den volljährigen Frauen war er allenfalls so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Mit dieser Klarstellung will ich nicht die Euphorie dämpfen, gleichwohl müssen die nächsten Schritte folgen. Dazu eignen sich die Analysen zweier Kenner.

Ilja & Ilja haben sich mit den Vorurteilen beschäftigt, die so zahlreich sein sollen wie die Machos an deutschen Stammtischen. In seiner Funktion als ZEIT-Blogger hat Ilja Schneider im Mai dieses Jahres zwei Beiträge geschrieben, die hohe Wellen schlugen:

Schachspieler sind gut, Spielerinnen sind schön / 38 Kommentare

http://blog.zeit.de/schach/maedchenschach-benachteiligung/

Männer haben mehr Sitzfleisch / 108 Kommentare

http://blog.zeit.de/schach/elisabeth-paehtz-interview-geschlechterunterschiede-schach/

Lesenswert ist auch das, was der andere Ilja mit ähnlicher Herkunft, nämlich der Großmeister Zaragatski (SF Katernberg), zuvor auf Chess24 geschrieben hatte:

Männer, Frauen und Spielstärke im Schach – Die ganze Wahrheit

https://chess24.com/de/lesen/news/maenner-frauen-und-spielstaerke-im-schach-die-ganze-wahrheit-1

Ilja Zaragatski hat übrigens bei der Live-Übertragung vom WM-Match Carlsen-Anand auf ZEIT-Online eine sehr gute Figur gemacht.

Dass sich nicht nur Schachspieler über die mangelnde Frauen-Integration Gedanken machen, zeigt ein Querverweis auf den Radsport. Unter Radsportlern ist der Frauenanteil zwar größer als unter Schachspielern, in meinem Verein liegt er jedoch bei Nullkommanull. Das veranlasste mich im November 2011 zu folgendem Aufruf in unserem Forum:

„Unser Vorstand hat die Absicht, eine Prämienwerbung auszuloben. Jedem, dem es gelingt, ein weibliches Wesen an unseren Verein zu binden, erhält als Prämie einen Fahrradschlauch, Marke „Schwalbe unplattbar“. Für drei Frauen gibt’s fünf Schläuche und für 10 Frauen ein Schlauchboot.“

Mein Beitrag hat zwar Heiterkeit ausgelöst, unserer Frauenquote hat’s jedoch nicht genützt. Sie liegt noch immer bei Nullkommanull. Es ist also ein steiniger Weg, Frauen für unsere Sportarten zu gewinnen. Es mag sein, dass es bundesweit einen positiven Trend gibt. Aber vielerorts ist der Alltag in Schachvereinen derart altbacken, dass junge Frauen gleich an der Eingangstür abgeschreckt werden. Weg mit den alten Zöpfen! Das Lächeln einer Frau ist euch gewiss.

In Memoriam Robert und Hans

Morgen findet in Wunstorf das 2. Robert-Neuhoff-Gedenkturnier statt. Über das 1. Gedenkturnier hat Tom vor einem Jahr berichtet; guckt ihr hier:

https://www.schachfreunde-hannover.de/schachfreunde-unterwegs/

Dass Robert ein außergewöhnlich liebenswerter Mensch war, hat u.a. Thomas Edel in seinem Kommentar bestätigt. Als Schachspieler war Robert meines Wissens in drei Vereinen aktiv: in Wunstorf, in Anderten und bei uns. Seltsamerweise habe ich im Internet kein einziges Foto von Robert gefunden. Das soll sich hiermit ändern. In meinem Archiv befindet sich nämlich ein Foto von der BEM 1981, als ich im „Meisterturnier“ gegen Robert spielte. Die Farben habe ich nicht verfremdet, die waren von vornherein so.

BEM 1981 im Freizeitheim Vahrenwald
BEM 1981 im Freizeitheim Vahrenwald

Im Anschluss werde ich näher auf die Bezirkseinzelmeisterschaft eingehen, doch zunächst möchte ich einige der Personen beschreiben, die ihr auf dem Foto seht. Mir gegenüber sitzt Robert Neuhoff in seiner typischen Haltung mit einer glimmenden Zigarette im Mund, die gerade blauen Dunst erzeugt. Hinten sitzt Siegfried Gelzenleichter (Nienburg) ebenfalls mit einer Zigarette zwischen den Fingern. Das zeigt, dass früher doch nicht alles besser war. Das könnte man auch von meiner Frisur behaupten. Immerhin wurde sie später von Gesine Schwan perfektioniert.

Ganz links seht ihr Lothar Kutsche (PSC). Er wurde etwas überraschend Bezirksmeister mit 8,0 Punkten aus 11 Partien vor Horst-Peter (7,5 Punkte) und Wilfried Gläser (7,5 Punkte). Robert belegte mit 5,0 Punkten den 10. Platz; ich wurde Fünfter (7,0 Punkte). Wie meine Partie gegen Robert endete, habe ich vergessen, aber Robert konnte als einziger gegen mich gewinnen, als ich 1977 Bezirksmeister wurde.

Hinter mir kiebitzt Dr. med. Hans Wiehler, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie viele Jahre 1. Vorsitzender und Ehrenvorsitzender unseres Vereins. Hans starb am 30.05.2011 im Alter von 89 Jahren (*4. September  1921). Hans war ein einzigartiger Mensch. Seine Spielstärke war mit „lausig“ noch nett umschrieben, was seinem Enthusiasmus fürs Schachspielen keinen Abbruch tat. Ich kenne keinen anderen Menschen, der emotional so sehr mitgeht, wie es Hans tat, wenn Spieler unseres Vereins am Brett saßen. In meinen Akten befinden sich viele Briefe, Postkarten und Bonmots, die Hans im Laufe der Zeit an mich und andere Schachfreunde gerichtet hatte. Damals habe ich manchmal darüber gelächelt, heute weiß ich ihren Wert zu schätzen. Gäbe es nicht Menschen, die Vereinskameraden bereits zu Lebzeiten achten und würdigen, wäre das schnelle Vergessen nach dem Tod die logische Folge. Doch fürs Vergessen sucht man nicht die Geborgenheit eines Vereins. – Dass die Wunstorfer mit dem Gedenkturnier die Erinnerung an Robert wachhalten, ist ein gutes Zeichen.

Die Bezirksmeisterschaft 1981 passt gut zu meinem Beitrag über „Die Schachregion – Das unbekannte Wesen“. Sechs Jahre vor Torbens Geburt (Bezirksmeister 2014) sah die Bezirkswelt noch anders aus. Es gab ein Meisterturnier, ein Vormeisterturnier und ein Seniorenturnier mit je 16 Spielern sowie 4 Hauptturniere mit insgesamt 38 Spielern; macht summa summarum 86 erwachsene Schachspieler. In den drei Ratinggruppen der BEM 2014 waren insgesamt 52 Schachspieler am Start; also weniger als Zweidrittel bezogen auf 1981. Solche Zahlenspiele hinken natürlich, was nicht heißt, dass sie nicht einer Analyse wert sind. Jedenfalls gab es damals keine Regionseinzelmeisterschaft, die das Interesse an der Bezirksmeisterschaft verwässert hätte.

Die Bezirksmeisterschaft 1981 endete übrigens auf den Tag genau vor 33 Jahren, am 22.11.1981. Hier sind die Teilnehmerlisten anno 1981. Einige „Überlebende“ sind noch heute aktiv.

Wolfsburg: Partienachlese (2)

Dass es in Dennies Partie nicht mit „rechten Dingen“ zuging, habe ich bereits verkündet. Ich musste sämtliche Fragezeichen meines Rechners zusammenkratzen, weil sie alle für seine Partie benötigt werden. Die Fragezeichen stammen von Dennie selbst. Hier und da ließen sich weitere hinzufügen. Das heißt aber nicht, dass Dennie und sein Gegner nur gepatzt hätten, nein, sie haben eine hochinteressante Partie gespielt. Arthur bezeichnet sie als eine der aufregendsten, die er je gesehen hat. Ich habe die Freude, sie euch zu zeigen. Die Analysen hat Dennie beigesteuert. Die Kommentare sind von mir. Den Vorhang zur großen Show öffne ich nach dem 18. Zug von Schwarz Kg8-h8; siehe 1. Diagramm.

Kessler, Marcel SC Wolfsburg – Ackermann, Dennie SF Hannover

Landesliga Süd, 3. Runde am 16.11.2014

Kessler-Ackermann 01Im Zentrum ballen sich die Kräfte. Eine Explosion liegt in der Luft. 19.Lxe4 fxe4 20.Sg5 De7 21.h3 Tg8 22.g4 Le8 23.Kf2? Der König wird übermütig. Es ist der erste Fehler von vielen.
Kessler-Ackermann 0223…Sd7 Verschießt den ersten Elfmeter. [23…Sh5! 24.Kg1 (24.gxh5 Tf6-+) 24…Tf6 25.Tf2 h6-+] 24.c5?! Lc7-+ Mein Rechner gibt Schwarz an dieser Stelle 2 Pluspunkte. 25.Ke3 Tf6 26.Tf2 h6 27.Sxd7 Lxd7 28.Sxe4 In schlechter Stellung macht Weiß das einzig Richtige: er sucht nach Verwicklungen. 28…dxe4 29.d5 cxd5 30.g5 Jetzt brennt die Luft!
Kessler-Ackermann 0330…e5 Der 2. Elfmeter wird verschossen.

Analysediagramm
Analysediagramm

[30…hxg5! 31.fxg5 d4+ 32.Lxd4 e5 33.gxf6 exd4+ 34.Ke2 d3+-+]

 

 

 

 

31.gxf6 Dxf6 [31…d4+ 32.Ke2 Df7-+] 32.fxe5 Dg5+ 33.Tf4 Lxe5 34.Df2 Lc6?? Verschießt den 3. Elfmeter. Mit diesem passiven Zug wird die Stellung neutralisiert.

Analysediagramm
Analysediagramm

[34…Dg3+ 35.Dxg3 Txg3+ 36.Kf2 Lxb2 37.Tc2 Txh3 38.Tf8+ Kg7 39.Td8 Le6-+]

 

 

 

 

35.Ld4? Weiß patzt postwendend. [35.Td1 d4+ 36.Lxd4 Lxd4+ 37.Txd4 Dxc5=] 35…Dg3+?? Jetzt kippt die Partie erstmals in Richtung Wolfsburg.

Kessler-Ackermann 04

Analysediagramm
Analysediagramm

[35…Lxd4+ 36.Kxd4 Dg7+ 37.Ke3 d4+ 38.Ke2 Lb5+ 39.Kd1 e3 40.De1 Dg2-+]

 

 

 

 

36.Dxg3 Txg3+ 37.Kf2 Lxd4+ [37…Tf3+ 38.Txf3 Lxd4+ 39.Te3 Kg7 40.a4 Kf6 41.Ke2 Lxe3 42.Kxe3 Ke5 43.Td1=] 38.Kxg3 Le5 39.Kg4 [39.Tcf1! Kg7 40.Kg2 Lxf4 41.Txf4 Kg6 42.Kf2 d4 43.h4 mit leichtem Vorteil für Weiß] 39…Ld7+ 40.Tf5 Kg7? [40…d4 41.b4 d3 42.Td1 Ld4 43.Kf4 Lxf5 44.Kxf5 e3-+]

Kessler-Ackermann 0541.h4 e3?? Und jetzt noch ein Eigentor. [41…d4! 42.c6 bxc6 43.Tc5 Lc7 44.Tc4 Lb6-+] 42.b4 d4 43.Te1? [43.Tg1!] 43…h5+ 44.Kg5 Lxf5?

Analysediagramm
Analysediagramm

[44…Lg3 45.Te2 Lxh4+-+]

 

 

 

 

45.Kxf5 Lg3 46.Te2 Lxh4 47.Ke4 Lf6 48.b5 Kf7 49.a4 [49.Tc2 Ke7 50.Kd3 h4 51.c6 bxc6 52.Txc6 h3 53.Tc5 Ke6 54.Th5 Ld8 55.Txh3 Lb6 56.Th5 hält geringe Gewinnchancen aufrecht.] 49…Ke6 50.b6? [50.Tc2 Kd7 51.Kd3 h4 52.Tg2 Le5 53.Tg5 Lf6 54.Tg6 Le7 55.Tg7 und Weiß kann weiter kneten.] 50…axb6 51.cxb6 Kd6? [51…h4 52.a5 Le5 53.a6 bxa6 54.b7 h3 55.Tb2 Lb8 56.Kxd4 Kd7 57.Kxe3 h2 58.Tb1=] 52.Tc2 e2 Jetzt kann Weiß wieder auf den vollen Punkt hoffen.

Kessler-Ackermann 0753.Txe2 Kc6 54.Tg2 [54.Kd3! Lh4 55.Th2 Ld8 56.a5 h4 57.Kc4 Le7 58.Tb2 Ld6 59.Tb3 Le5 60.Tf3 Ld6 61.Tf6+-] 54…Ld8 55.Tg6+ Kc5 56.a5?

Kessler-Ackermann 08Damit gibt Weiß den Sieg endgültig aus der Hand.

Analysediagramm
Analysediagramm

[56.Kd3 Lxb6 57.Tg5+ Kc6 58.Txh5 La7 59.Kc4 Kd6 60.Kb5 Kc7 61.Th7+ Kc8 Laut Engine soll die Stellung für Weiß gewonnen sein, aber eindeutig ist der Fall nicht. ]

 

 

 

56…Kb5 57.Tg8 Lf6 58.Tf8 [58.Ta8 Le7 59.Kxd4 h4 60.a6 Kxb6 61.a7 Lb4 62.Kc4 La5 63.Th8 Kxa7 64.Txh4=] 58…Le7 59.Tf5+ Ka6 60.Kxd4 Lb4 61.Tf6 h4 62.Kc4 Lxa5 63.Kc5 h3 64.Th6 ½-½

Schlussstellung: Remis
Schlussstellung: Remis

Um 16:30 Uhr war der Sieg perfekt

Die Nachricht über unseren grandiosen Sieg in Wolfsburg hat sich bereits wie ein Lauffeuer verbreitet. Bevor ich darauf zu sprechen komme, möchte ich den Hamelnern zu ihrem 1. Sieg gratulieren und die Salzgitteraner trösten. Nur Gerhard Kaiser bereitet mir Sorgen. In Bergen war er unbesiegbar, in der Landesliga macht er derzeit den Yannick des Vorjahrs.

Aus Krankheitsgründen musste die 1. Mannschaft im letzten Moment umgebaut werden. Dass unser Kapitän nicht zur Verfügung stand, war länger bekannt. Von der Krankheit eines  Wolfsburgers konnten wir indes profitieren. Arthur gewann am 2. Brett kampflos. Das war der Auftakt zu einem ungemein spannenden Mannschaftskampf, der folgendermaßen ablief:

SC Wolfsburg – SF Hannover / Landesliga Süd am 16.11.2014

0-1 Brett 2 Dr. Joachim Schmidt-Brauns -+ Arthur Kölle

Solch einen Punkt nimmt man gern mit, wobei Arthur lieber gespielt hätte. Er fühlte sich stark!

0,5 – 1,5 Brett 5 Gerhard Streich ½ Dieter Jentsch

Dieter Jentsch ist auf der Höhe
Dieter Jentsch ist auf der Höhe

Nach 13 Zügen bot mir Dieter Remis an. Da ich den Eindruck hatte, dass dies eine freundschaftliche Geste nach unseren gemeinsamen Erlebnissen in Bergen sei, nahm ich das Remisangebot an. Glücklich war ich nicht darüber, zumal mir die Stellung gefiel. Die Partie endete dort, wo auch die Eröffnungstheorie zu Ende ist.

 

1,5 – 1,5 Brett 1 Thomas Kaimer 0-1 Dr. Thomas Hänsel

Toms Springeropfer auf f7 war anscheinend zu optimistisch, wobei ich das spontan auch gewagt hätte. Nach einigem Geplänkel und weiteren Figurenopfern konnte Schwarz seinen Materialvorteil ummünzen.

2,5 – 1,5 Brett 7 Olaf Bergmeier 0-1 Wladimir Degen

Nach wissenschaftlicher Auswertung seiner Partie spricht Olaf von Schachblindheit à la Carlsen und Anand. Soll heißen: Olaf konnte gewinnen. Einzelheiten werden nachgereicht.

2,5 – 2,5 Brett 3 Bernd Fritze 1-0 Steffen Urban

Bernd stand meines Erachtens gut, aber sein Damengewinn für einen Turm war wohl eher der Unaufmerksamkeit seines Gegners geschuldet. Der Sieg war wenig später besiegelt.

3,0 – 3,0 Brett 8 Dr. Gerd Rapin ½ Fredrik Polenz

Die Partie hatten wir schon früh auf der Habenseite gebucht. Auf dem Königsflügel gab es eine Bauernstruktur, die sich neutralisierte, auf dem Damenflügel hatte Fredrik das Sagen. Seine Schwerfiguren drückten auf die weißen Bauern, die sein Gegner mühsam verteidigen musste. Fredrik konnte seine Stellung ständig verbessern und einen Bauern gewinnen. Da sich sein Gegner geschickt verteidigte, war der Gewinnweg nicht so einfach. Den fanden wir erst im Nachhinein bei der Analyse. Die Partie endete remis, was einer kleinen Ernüchterung gleichkam.

3,0 – 4,0 Brett 6 Arnold Loewner 0-1 Dr. Martin Ploog

Ein großmeisterlicher Sieg! Im Mittelspiel hatte Martin einen Bauern erobert. Genauer gesagt, war es nur ein halber, weil Doppelbauer. Erst wurden sämtliche Schwerfiguren getauscht, dann sämtliche Leichtfiguren bis auf einen Springer der weißen Partei und einen Läufer der schwarzen Partei. Auf dem Königsflügel standen sich 3 weiße und 4 schwarze Bauern gegenüber, auf dem Damenflügel war das Verhältnis 2:2. Die klassische Frage in Endspielen, ob der Läufer einem Springer überlegen sei, konnte Martin eindrucksvoll beantworten. Sein minimaler Vorteil wuchs von Mal zu Mal, und so mündete die Partie in einem reinen Bauernendspiel, das für Martin leicht gewonnen war. Aber der Weg dorthin war eine eindrucksvolle Demonstration seiner Spielstärke.

Ein Unentschieden im Mannschaftskampf hatten wir jetzt in der Tasche. Aber wir wollten mehr. Die ganze Verantwortung lag nun allein bei Dennie. Und der hatte eine verdammt komplizierte Stellung.

3,5 – 4,5 Brett 4 Marcel Keßler ½ Dennie Ackermann

Das Mittelspiel war ein Spektakel mit Fesselungen und Gegenfesselungen. Beide Könige standen exponiert. Wer auf Gewinn stand, war schwer auszumachen. Mir gefiel Dennies Stellung besser, und ich glaubte als Kiebitz, dass er gewinnen konnte. Als sich der Pulverdampf verzogen hatte, waren Dennie zwei Läufer gegen zwei Türme verblieben. Dennie hatte jedoch zwei Trümpfe in der Hand: Ein Freibauern-Paar im Zentrum und die Fesselung eines Turms. Das war die Ausgangsstellung für weitere 90 Minuten, die mit der quälenden Frage verbunden waren: Kann Dennie eine Niederlage abwenden? Dennie kämpfte bravourös und erreichte am Ende mit einem Läufer und dem b-Bauern gegen einen Turm eine Stellung, die Weiß nicht gewinnen konnte. 16:30 Uhr. Remis! – Ob in dieser Partie alles mit „rechten Dingen“ zuging, darf bezweifelt werden. Ich hoffe, dass wir von Dennie noch eine Auswertung bekommen.

Unser Sieg in Wolfsburg war zwar knapp, aber mit dem Adjektiv „glücklich“ würde ich ihn nicht bezeichnen, dafür haben wir mindestens in zwei Partien (Olaf+Fredrik) etwas liegen lassen. Nach zwei Siegen in der Landesliga sieht die Welt für uns rosiger aus. Gleichwohl liegt alles dicht beieinander. Die Saison 2014/15 verspricht weiterhin viel Spannung.

Noch’n 70. Geburtstag

Eine wahre Geschichte. Mai 1963. Ein junger Mann wird Mitglied bei den Schachfreunden Badenstedt. Er ist 18 Jahre alt. Es ist eine Zeit des Umbruchs, doch dauert es noch 5 Jahre, bis die 68er von sich reden machen. Gerade ist das Zweite Deutsche Fernsehen auf Sendung gegangen. In schwarz-weiß versteht sich; um 23:30 Uhr ist Sendeschluss. Die Fußball-Bundesliga spielt ihre 1. Saison. Timo Konietzka schießt für Dortmund das 1. Tor in der 1. Minute gegen Werder Bremen. Der FC Bayern München muss zunächst draußen bleiben. Feindbilder gibt es dennoch genug. Der Kalte Krieg läuft auf Hochtouren. Der Alltag ist überschaubar. Die Beseitigung einer Laufmasche kostet 5 Pfennig und ein Liter Benzin 59 Pfennig. „Coffee to go“ ist noch nicht erfunden, dafür hängt am Christbaum mehr Lametta.

Dieser junge Mann merkt recht bald, dass ihm das Organisieren besser liegt als das Schachspielen. Alsbald beginnt seine beispiellose Karriere als Schachfunktionär. Er ist kein Revoluzzer, sondern ein behutsamer Reformer, der auf eloquente Weise seine Ideen durchsetzt. Meistens, jedenfalls. Doch dazu später mehr. – 1964 betrete ich die Badenstedter Schachbühne. 15 Jahre bin ich alt und damit das jüngste Mitglied. Heute bin ich fast das älteste, aber das nur nebenbei. Die folgenden zwei Dekaden sind von vielen Gemeinsamkeiten geprägt. Nach meiner unfreiwilligen Bundeswehrzeit zog ich als Junggeselle nach Anderten in meine erste eigene Wohnung. Einen Steinwurf entfernt wohnten er und Wolfgang Rosin. Beide hatten jung geheiratet. Ob es am jeweiligen Nachwuchs lag, weiß ich nicht. Es war eine intensive Zeit der Selbstfindung mit zahlreichen Diskussionen über Gott und die Welt. Unser Schachverein war das Bindeglied. Alle profitierten davon. Ein gemeinsamer Kurzurlaub in Damp 2000 mit mehreren Schachfreunden nebst Lebensgefährtinnen ist ein Beleg dafür. Ein anderer Beleg ist die folgende Anekdote.

Es war ein Abend im Jahr 1973. Als ich gegen 20:00 Uhr nach Hause kam, wollte ich zum Abendbrot ein Hühnerei verspeisen. Ich setzte einen mit Wasser gefüllten Kochtopf auf die Elektroherdplatte, legte ein Ei hinein und drehte den Schalter auf die Höchststufe. Plötzlich klingelte das Telefon. Er war dran: „Wir müssen über Schach reden. Kannst du gleich zu mir kommen?“ Ich folgte prompt, machte die Küchentür zu und ging zu ihm hinüber. Das Ei hatte ich vergessen. Gegen 23:00 Uhr kam ich zurück und legte mich gleich ins Bett. Als ich am nächsten Morgen die Küche betrat, dachte ich, mich trifft der Schlag. Herdplatte und Kochtopf glühten feuerrot wie der Krater des Ätnas während einer Eruption. Das Ei war explodiert und hatte sich in tausend Stücke an Decke und Wänden verteilt. – Der Schaden war gering. Mein Aussetzer bleibt indes unvergessen.

Die Odyssee, die unser Schachverein notgedrungen mitmachte, führte zu Fragen nach der Ausrichtung. Fusion mit den Vereinen x oder y? Spiellokal im Raschplatzpavillon oder in einer Kneipe? Er konnte sich nicht durchsetzen und nahm dies zum Anlass, zu unserem Erzrivalen, dem Hannoverschen Schachklub, zu wechseln. Wenn man weiß, welche Hassliebe unsere beiden Vereine damals verband, war das ein krasser Schritt. – Das über 100-Jährige Flaggschiff HSK gibt es in der ursprünglichen Form nicht mehr. Mein Verein hat sich seine Identität trotz struktureller Veränderungen jedoch bewahrt. Wie Schiffbrüchige haben wir die Schachvereinigung auf unser Floß gezogen und dümpeln seitdem gemeinsam auf den Wattenmeeren der Schachwelt, wohlwissend, dass überall Untiefen drohen.

Anfang der 80er Jahre trennten sich unsere Wege. Seine Karriere als Schachfunktionär nahm Fahrt auf und führte ihn bis an die Schaltstellen des Deutschen Schachbunds. Folgende Auflistung, die vermutlich Lücken hat, zeigt seine verschiedenen Ämter, die er ihm Laufe der Zeit inne hatte und zum Teil noch hat.

•    Spielleiter Schachfreunde Badenstedt
•    1. Vorsitzender Schachfreunde Badenstedt
•    Spielleiter Niedersächsischer Schachverband
•    2. Vorsitzender Niedersächsischer Schachverband
•    1. Vorsitzender Niedersächsischer Schachverband
•    1. Vorsitzender Hannoverscher Schachklub
•    Schatzmeister Deutscher Schachbund
•    Vizepräsident Deutscher Schachbund
•    Geschäftsführer Wirtschaftsdienst GmbH des Deutschen Schachbunds
•    1. Vorsitzender Schachzentrum Bemerode

Als Dank für seinen unermüdlichen Einsatz wurde er zum Ehrenmitglied des Deutschen Schachbunds ernannt. Er wurde am 12.11.1944 geboren. Es ist der Jahrgang von Helmut Reefschläger, Martin Kind, Peter Brunotte und Anton Schlecker. Jetzt erfahrt ihr die Auflösung meiner „wahren Geschichte“ (analog Klassik Radio). Der Mann, der 1963 in unseren Schachklub eintrat, heißt: Heinz-Jürgen Gieseke.

Heinz-Jürgen ist überrascht: „Ja, is‘ denn heut‘ scho‘ Weihnachten?“
Heinz-Jürgen ist überrascht: „Ja, is‘ denn heut‘ scho‘ Weihnachten?“

Nein. Gerhard wünscht Dir zu Deinem 70. Geburtstag alles Gute!

14.09.2014 Entdeckertag in Hannover

Ja. 5 Jahre später: Gerhard wünscht Dir zu Deinem 75. Geburtstag alles Gute!

Schachregion Hannover – Das unbekannte Wesen

Die Ausschreibung zum Regions-Dähnepokal hat mich neugierig gemacht. Der Gewinner darf nämlich auf Bezirksebene weiterspielen. Nur, wo sind die Grenzen zwischen der Region und dem Bezirk? Im Netz habe ich darauf keine Antwort gefunden.

Auf der Webseite des Schachbezirks Hannover sind derzeit 39 Vereine aufgelistet. Eine Zuordnung zur Region Hannover oder zu den verbleibenden Landkreisen gibt es nicht. Meine Geographiekenntnisse haben zu folgender Sortierung geführt: Von den 39 Schachvereinen gehören 32 zur Region Hannover, 3 zum Landkreis Schaumburg (SV Bückeburg, SC Stadthagen und SK Rinteln), 3 zum Landkreis Nienburg (SK Stolzenau, Eystruper SK und SV Warmsen) sowie einer zum Landkreis Diepholz (SF Sulingen).

Für die Region Hannover (32 Vereine) und für den Kreis Schaumburg (3 Vereine) gibt es einen eigenen Vorstand unterhalb der Bezirksebene. Die 4 Vereine im Landkreis Nienburg und Diepholz haben offenbar keinen eigenen Vorstand. Das heißt, die höhere Instanz, der Bezirksvorstand, vertritt lediglich 7 Vereine mehr als der Vorstand der Region Hannover. Welch ein Wahnsinn!

Mal abgesehen von der Aufblähung des Funktionärswesens ist meines Erachtens selbst in den Satzungen die Zuordnung der Schachvereine nicht eindeutig ablesbar.

Satzung Schachregion Hannover
§1 Name und Sitz des Vereins
Der Verein führt den Namen „Schachregion Hannover“ und hat seinen Sitz in Lehrte. Nach Eintragung ins Vereinsregister erhält der Name den Zusatz „e.V.“.
§ 2 Zweck des Vereins
Zweck des Vereins ist es, das Schachspiel in der Region Hannover zu betreiben und in seiner Gesamtheit zu fördern und auszubreiten. Durch sportliche Übungen und Jugendpflege soll die sittliche, geistige und körperliche Ertüchtigung seiner Mitglieder gefördert werden.

Dass die Schachvereine, die sich in den politischen Grenzen der Region Hannover befinden, damit ausdrücklich und ausschließlich Mitglied in der Schachregion Hannover sind, steht nirgendwo in der Satzung. Das Schachspiel soll lediglich betrieben, gefördert und ausgebreitet werden.

Anders steht es in der Satzung des Schachbezirks Hannover e.V:
§ 1 Name
(2) Die Grenzen des Bezirks entsprechen grundsätzlich den Grenzen des bis zum 31.12.2004 bestehenden Regierungsbezirks Hannover.
(4) Der Schachbezirk Hannover e.V. ist Rechtsnachfolger des „Schachbezirk 1 Hannover im Niedersächsischen Schachverband e.V.“.

Damit sind die Grenzen abgesteckt, wobei der Bezug auf den Regierungsbezirk Hannover obsolet ist. Denn der Osten Hannovers gehörte damals nicht zum Regierungsbezirk. Vereine wie SC Hämelerwald oder SC Uetze-Hänigsen dürften formal gar nicht zum Bezirk Hannover gehören. – Wer sich im Netz über die Schachregion Hannover sachkundig machen möchte, muss im Bezirk auf Externes(!) klicken.

Meines Erachtens sollten die Strukturen dringend neu geordnet werden. Hierarchien unterhalb der Bezirke sind kontraproduktiv. Wichtiger ist es, die Schachspieler zum Schachspielen zu bewegen. Und daran krankt es. Nur 13 Schachspieler aus 32 Vereinen sind heute Fritz Oberts Aufruf gefolgt, am Regions-Dähnepokal teilzunehmen. Fritz‘ Enthusiasmus tut das offenbar keinen Abbruch, aber mit dem satzungsgemäßen Fördern und Ausbreiten des Schachspiels hat das nichts zu tun.

Von der 1. Runde bei Kargah habe ich euch zwei Fotos mitgebracht. Einziger Teilnehmer unseres Vereins ist Torsten Gans. Möge er zumindest die Bezirksebene erreichen.

Dähne-Pokal-02Dähne-Pokal-01

Oktoberbilanz

Wir können uns nicht beklagen. Der Oktober war voll cool, obwohl er zu warm war. Er begann mit dem Wahnsinn und endet mit dem Wahnsinn. Heute wird hier und da bekanntlich das über den Großen Teich geschwappte Horrorfest namens „Halloween“ gefeiert. Das ist nichts für Schachspieler. Wir gruseln uns schon oft genug. Jede Verlustpartie ist ein Beleg dafür. Da halten wir es eher mit Margot Käßmann. Die freut sich auf den 500. Jahrestag der Reformation, der heute begangen wird. Luther sei kein makelloser Held gewesen, weiß sie gestern in der HAZ zu berichten. Man kann es auch anders ausdrücken: Martin Luther war ein richtiger Stinkstiefel. Womit wir bei uns Schachspielern sind. Anscheinend neigen einige zu rüpelhaftem Benehmen. So verstehe ich jedenfalls Fritz Oberts Ausschreibung zum 1. Regions-Dähnepokal 2014/2015:

„Verhalten am Brett und im Spiellokal:
Wer durch unangemessenes Verhalten, insbesondere in Folge von Alkohol- und Drogengenuss den Spielbetrieb stört, kann mit Partieverlust, Verweis aus dem Spiellokal bis zum Turnierausschluss belegt werden.“

Im Klartext: Seid friedlich, wenn ihr besoffen und bekifft Schach spielt!

Ganz nüchtern möchte ich hiermit Fritz‘ Bitte nachkommen, die Ausschreibung am „Schwarzen Brett“ unseres Schachvereins zu veröffentlichen. Schwarze Bretter und Schwarze Kanäle sind indes out. Deshalb mache ich das mit diesem Link:

http://schachbezirk-hannover.de/

Los geht’s am 5. November um 18:00 Uhr bei Kargah. Das ist dort, wo das Leine-Open stattfindet.

„Was bewegt Schachspieler an so einer Meisterschaft teilzunehmen? Das Faszinierende beim Spiel der Könige ist, dass es dort weder Würfel, Karten noch Glück gibt: es ist eine Mischung aus Reaktion und Gegenreaktion.“

Das ist ein Original-Auszug aus der Pressemitteilung des Schachbezirks I zur BEM in Lehrte. Keine Würfel, keine Karten, kein Glück. Und wenn dann noch Pech dazukommt… Ihr wisst schon. Torben Schulze (Hannover 96) hat Reaktion und Gegenreaktion am besten gemischt. Er wurde Bezirksmeister aller Klassen. Herzlichen Glückwunsch! Seitdem er regelmäßig unser Blog liest, wird er immer stärker. – Mitglieder unseres Vereins haben sich wacker geschlagen. Die Ergebnisse könnt ihr auf der Webseite des Schachbezirks Hannover nachlesen. Es wäre schön, wenn der eine oder andere an dieser Stelle von seinen Erlebnissen berichten würde.

So viel zu den Einzelschicksalen. Einmal mussten unsere 4 Mannschaften im Oktober ran. Bis auf die Zweite konnten alle gewinnen. Das ist eine Ausbeute, die Mut macht. Die Gewinner wissen, warum sie sich den Sonntag um die Ohren schlagen. Die anderen stellen sich berechtigterweise die Sinnfrage. In der besagten Pressemitteilung erfahren wir, dass nicht der Weg das Ziel ist, sondern: „Das pragmatische Ziel bleibt freilich, den Monarchen des Gegenspielers schachmatt zu setzen.“

Noch Fragen? Eine pragmatische Antwort gibt es von Arthur Schopenhauer:

Hindernisse überwinden ist der Vollgenuss des Daseins.

Derart gewappnet können wir uns auf einen harten Winter einstellen. Merke folgende Bauernregel:

Will's Laub nicht von den Bäumen weichen, ist dies ein hartes Winterzeichen
Will’s Laub nicht von den Bäumen weichen, ist dies ein hartes Winterzeichen

Partnerstadt Leipzig

Gestern wurde in Leipzig das gefeiert, was wir Schachspieler durch unseren unscheinbaren Einsatz vorbereitet hatten: die friedliche Revolution. Für die 200 geladenen Gäste gab es ein Drei-Gänge-Menü. Vorspeise: Fläminger Reh-Parfait und Käse vom Landgut Nemt, Hauptgang: Steinbuttfilet auf Kürbis-Ingwermousseline, Dessert: Leipziger Lerche auf Waldbeerenragout. Anno 1988 gab es Grünkohl im Ratskeller Hannover. Leipzig hatte eine 6-köpfige Schachauswahl nach Hannover geschickt. Das war ein außergewöhnliches Ereignis. Niemand ahnte, dass sich das deutsch-deutsche Verhältnis alsbald radikal ändern würde. Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg ließ es sich nicht nehmen, die Leipziger Delegation zu begrüßen. Gespielt wurde im Gobelinsaal des Neuen Rathauses. Da darf nicht jeder hinein. Frank Palm hat darüber einen lesenswerten Artikel (siehe Galerie) geschrieben, der am 22.12.1988 in der HAZ veröffentlicht wurde. Zu dem Artikel gehören die Fotos von Norbert Müller (Leipzig) und Peter Panzer (Hannover). Wir konnten einen knappen Sieg mit 3,5:2,5 Punkten verbuchen. Aber das war nebensächlich. Frank Palm formulierte es so: „Das positive Bild von der Weltoffenheit der Sachsen wurde bestätigt, während das Klischee von den steifen Hannoveranern eine erneute Widerlegung fand.“

Hannover-Leipzig Dezember 1988 – die Einzelergebnisse:
1. Panzer, Peter               ½  Trescher, Manfred
2. Mende, Andreas        1-0  Heinsohn, Günther
3. Cablitz, Achim           0-1  Müller, Norbert
4. Streich, Gerhard       1-0  Broberg, Horst
5. Herrmann, Andreas  ½  Kuhn, Udo
6. Naumann, Frank       ½  Gempe, Thomas

Leipzig-02Als wir ein Jahr später in Leipzig zum Rückkampf antraten, sah die Welt schon anders aus. Die DDR befand sich in der Auflösung. Das Hartgeld bestand noch aus Alu-Chips, aber unsere westdeutschen Münzen wurden gern genommen. Als ich einer Klofrau im Leipziger Hauptbahnhof ein Markstück auf den Teller legte, sah sie mich an, als sei ich der Heiland. Unsere Mannschaft bestand ausschließlich aus Spielern unseres Vereins. Einzelergebnisse sind mir leider abhanden gekommen.

 

 

Joachim Just anno 2014
Joachim Just anno 2014

Wimpel waren in der DDR sehr beliebt. Ich bekam diesen von der BSG Lok Leipzig. Aus dem SV Lok Leipzig-Mitte wurde im Jahr 2011 nach der Fusion mit dem SC Leipzig-Gohlis ein Großverein mit über 200 Mitgliedern. Die haben derzeit 2 Frauen-, 11 Männer- und 10 Jugendmannschaften. Ob solch eine Vereinsgröße zweckmäßig ist, will ich an dieser Stelle nicht beurteilen. Joachim Just hat jedenfalls das Weite gesucht und spielt jetzt beim SV Motor Zeitz.  Wie ich bereits an anderer Stelle berichtet habe, übernachtete ich 1989 bei Joachim in Leipzig. – 1990 kam es zum Rückkampf in Hannover. Danach gab es meines Wissens keine weiteren Begegnungen zwischen Leipzig und Hannover. Das Leben hat sich normalisiert.

Einen sensationellen Fund aus meinem Archiv möchte ich euch noch zeigen. Bereits im Jahr 1957 gab es einen Freundschaftskampf zwischen der BSG Lok Leipzig und unserem Verein (damals Schachfreunde Badenstedt). Wer hätte gedacht, dass das damals überhaupt möglich war?

Leipzig-01

Calm After the Storm

Die Wurst hat besser abgeschnitten. Sonst hätte das holländische Duo „The Common Linnets“ den ESC 2014 gewonnen. Der Titel passt zu unserem derzeitigen Gemütszustand. Der Sturm hat sich gelegt. Der Wahnsinn ist vorbei. Wir Hannoveraner sind wieder unter uns. Alle sind fort: die wissbegierigen und feierfreudigen deutschen Bürger und Bürgerinnen sowie der schachspielende Nachwuchs. Um den Nachwuchs ist es gut bestellt, ist mein Eindruck. Ansonsten löst eine Null die andere ab, Göttingen erhält einen onanierenden Kragenbären als Denkmal, und was machen wir Schachspieler? Wir üben Selbstzweifel. Das muss nicht sein.

Der Herbst ist eine ehrliche Haut. Er zeigt uns seine Emotionen, ohne sie zu beschönigen. Er kann so traurig sein, dass Himmel und Erde zu einem Grau verschmelzen, er kann zürnen und stürmen, dass uns Angst und Bange wird, aber er kann auch die Sonne rauslassen, als würde er sich wie ein Honigkuchenpferd freuen. Solch einen Tag hatten wir vorgestern. Ich wollte ihn in aller Stille genießen. Dazu eignet sich vorzüglich der Georgengarten. Obwohl er riesengroß ist, war er fast menschenleer. Walker, Jogger, Studenten, Rentner, Hausfrauen und Pfandflaschensammler hatten offenbar Pause. – Unser Überleben sichern wir durch Weisheiten. Diese haben wir zwar verinnerlicht, müssen sie aber stets aufs Neue aktivieren: „In der Ruhe liegt die Kraft“, und „Nach dem Sturm ist vor dem Sturm.“ Die nächsten Stürme toben in unserer Nähe: in Laatzen, in Isernhagen, in Neustadt und in Berenbostel. Darauf muss der rasende Verstand mental vorbereitet sein. Damit das gelingt, habe ich euch ein paar Fotos mitgebracht. Sie sollen euch die Ruhe vermitteln und die Selbstzweifel nehmen. Dann haben die angesprochenen Vorstadtschachspieler gegen uns keine Chance.

Wahnsinn!

Wahnsinn! Vor 25 Jahren war dieses Wort in aller Munde. Selbst der besonnene Joachim Just benutzte es, als er mir am 02.01.1990 einen Brief aus Leipzig schrieb: „Am 22./23. war ich anläßlich der Eröffnung des Brandenburger Tores bei einem Studienkollegen in Berlin. Das häufig gebrauchte Wort „Wahnsinn“ traf auch hier zu.“ Was gestern in Hannover abging, hat es verdient, dass dieses eigentlich abgedroschene Wort wiederbelebt wird. Für diesen einen Tag zumindest. Das Vorspiel am Donnerstag war verhalten. Den ganzen Tag über ließ sich die Sonne nicht einmal blicken. Ab Mittag strömten zwar die Besucher, aber es war angesichts des Werktags nicht überwältigend, und die wenigsten gelangten dorthin, wo Schachspielen angesagt war. 

Am Feiertag muss jemand den Schalter umgelegt haben. Die Sonne schien von der ersten bis zur letzten Minute, nicht eine einzige Wolke verirrte sich am Himmel, es herrschte T-Shirt-Wetter, und die Menschen strömten und strömten. 500.000 sollen es laut Polizeiangaben gewesen sein. Bei nicht politisch motivierten Veranstaltungen hängt die Polizei gern eine Null hinten dran. Diese Zahl entspricht indes meinen eigenen Schätzungen. Bevor ich über den „Tag der Deutschen Einheit“ und die Feier im Allgemeinen ein paar Worte verliere, möchte ich mich der real praktizierten Öffentlichkeitsarbeit unserer Schachorganisationen widmen. 

Es gehört viel Idealismus dazu, sich mit ein paar Utensilien auf einen öffentlichen Platz zu stellen und fürs Schachspiel zu werben. So ähnlich müssen sich die Zeugen Jehovas fühlen, wenn sie mit dem Wachtturm in der Hand auf dem Trottoir stehen. Kein Mensch interessiert sich dafür bis auf die wenigen Anhänger, die meist unter sich bleiben. Bis Freitagmittag war das wohl auch so in der Spielmeile. Dann schwappte der Besucherstrom über, und der Nachwuchs sorgte für Stimmung. Die Mädchen und Jungen, die von der Deutschen Ländermeisterschaft herübergekommen waren, bereicherten nicht nur quantitativ die Szene, sondern sorgten mit „Kondischach“ für Action, das viele Zuschauer in ihren Bann zog. 

Simulationsschach konnte ich nicht entdecken. Auch fand die angekündigte Live-Übertragung von Partien der Ländermeisterschaft nicht statt. Doch dafür hätte sich sowieso keiner interessiert. Aus meiner Sicht ist die Öffentlichkeitsarbeit gelungen. Deshalb sollten wir denen danken, die sich dafür eingesetzt haben. Einen aktuellen Bericht gibt es auf der Webseite des NSV. Ich lasse meine Fotos sprechen:

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Dass der Tag der Deutschen Einheit durchaus kritisch gesehen werden kann, möchte ich nicht verschweigen. Die Medaille hat eine Kehrseite, und die sieht nicht nach Schlaraffenland aus. Am Donnerstagabend gab es auf dem Opernplatz eine Gegenveranstaltung, bei der die Berliner Pop-Punk-Band namens „The toten Crackhuren im Kofferraum“ auftrat. Das muss eine Gesellschaft aushalten, wenn sie sich zugleich die „Wildecker Herzbuben“ leistet. Wer den berechtigten Weltschmerz zum Anlass nimmt, nicht fröhlich zu sein, macht etwas verkehrt. Von einem übertriebenen Nationalstolz ist die Mehrheit der Deutschen zum Glück weit entfernt.

Insofern war es richtig zu feiern. Wir Hannoveraner kennen solche Veranstaltungen. Schorsenbummel, Autofreier Sonntag und Entdeckertag sind ähnlich strukturiert. Nur diesmal war alles viel, viel größer. Dass der Wettergott mit einem Kaisertag seinen Beitrag geleistet hat, ist eben dieser „Wahnsinn“. Nicht auszudenken, wenn es gestürmt und geschüttet hätte. Und so konnte sich unser Volk, das sich die Vielfalt auf die Fahnen geheftet hat, so vielfältig wie möglich präsentieren. Für diejenigen, die nicht dabei waren, habe ich in meiner Bildergalerie einige Motive zusammengefasst.

Einen Minuspunkt bekommen die Veranstalter der Einheitsfeier dennoch von mir. Die Schlussfeier mit der Lasershow und dem Feuerwerk wurde dadurch gestört, dass der Mond mittendrin unbeirrt weiterleuchtete. Konnte den Mond niemand solange abdecken? Mit einem Handtuch oder so?