Verflixt, verflaxt, verfluxt!

Die gute Nachricht vorweg: Manfred Hermann hat unseren Blog gelobt. Die schlechte Nachricht: „Es ist zum Kotzen!“ Uns will in dieser Saison einfach nichts gelingen. Ich mache dabei keine Ausnahme. Wenn du dreißig Züge lang besser und am Ende mit leeren Händen dastehst, fühlst du dich von deinen Endorphinen im Stich gelassen. Oder waren es die bösen Geister? Bevor ich mit denen abrechne, zeige ich euch meine Partie gegen den Schachfreund Bürckner vom SK Union Oldenburg.

Streich, Gerhard (2164) – Bürckner, Hartmut (2158) [A40]

SFH-SK Union Oldenburg, Oberliga Nord (7) 23.02.2014

1.Sf3 g6 2.d4 Lg7 3.c4 e6 Bereits an dieser Stelle endet die Theorie. Ich taufe die Eröffnung auf „Oldenburger Kohl und Pinkel“. 4.Sc3 Se7 5.Lf4 d6 6.Dd2 h6 7.h3 Sd7 8.e4 b6 9.Le2 Lb7 10.0-0 g5 11.Lh2 Sg6 12.Tfd1 g4?! 

Streich-Brückner 12. Zug13.hxg4 Sf6 14.Dc2 [14.d5 Sxg4 15.Lg3 h5 16.dxe6 fxe6 17.c5 bxc5 18.Lb5+ Ke7±; 14.c5 Sxg4 15.Lg3 dxc5 16.dxc5 Dxd2 17.Sxd2 S4e5 18.Sb5±] 14…Sxg4 15.Da4+ Ursprünglich wollte ich Lg3 spielen, wusste aber nicht, was sich nach dem Bauernvorstoß h6-h5-h4 ergibt. Es wäre eine phantastische Variante geworden, wie folgendes Abspiel beweist: [15.Lg3 h5 16.c5 h4 17.Sxh4 Txh4 18.cxd6 cxd6 19.Sb5 Tc8 20.Da4 Kf8 21.Sxd6 Sf4 22.Lxg4 Txg4 23.Lxf4 Txf4 24.Sxb7 De7 25.Dxa7 Txe4 26.Dxb6 Tb8 27.Dc5 Lxd4 (27…Txb7? 28.Dc8+ De8 29.Dxb7+-) 28.Dxe7+ Kxe7 29.Sa5 Tc8+=] 15…Kf8 16.c5 Sxh2 17.Kxh2 Sh4 18.Kg1 Tg8 19.cxd6 [Mit c6 hätte ich Schwarz einschnüren können, aber eine offene Stellung erschien mit chancenreicher. 19.c6 Sxf3+ 20.Lxf3 Lc8 21.e5±] 19…Sxf3+ 20.Lxf3 cxd6 21.Tac1 a6 22.Da3 Lf6 23.Se2 Le7 24.d5 exd5 25.exd5 Tg5
Streich-Brückner 25. ZugAn dieser Stelle fühlte ich mich pudelwohl. Am besten hätte ich meinen Raumvorteil mit 26. Sd4 und der Absicht Sc6 ausbauen können. Dazu hätte ich folgende Variante sehen müssen: [26.Sd4! Lxd5? 27.Lxd5 Txd5 28.Df3 droht Se6+ oder Sc6 28…Txd4 29.Txd4+-] 26.Sg3Tc8 27.b4 [27.Txc8 Lxc8 28.De3] 27…Te5 28.Dd3 Lg5 29.Txc8 Lxc8 30.Dc4?! [30.Dh7 Df6 31.Se4 Df5 32.Dh8+ Ke7 33.a4 Kd7 34.Td4 Ke7 35.Tc4 Ld7 36.Db8 Dg6 37.Dxb6 Txd5 38.Tc7 Te5 39.Dxa6±] 30…Lb7 31.Le4?! Mit der Absicht, meinen Springer auf f5 zu platzieren, doch mit einem Damenschwenk kann Schwarz kontern. [besser 31.Dc2 Kg8 32.Sf5 b5] 31…Dc8! 32.Dd4 [32.Dd3 Dg4] 32…Dg4 33.Dd3? Zum ersten Mal verpasst mir Deep Fritz ein Minuszeichen. Irgendwie habe ich den Faden verloren, aber auch Schwarz findet nicht den stärksten Zug. [33.Tf1 Lxd5 34.Dxb6 Lxe4 35.Dxd6+ Te7 36.Sxe4 Dxe4 37.f4 unklar]
Streich-Brückner 33. Zug33…Lf4? [Der Läufer gehört auf die andere Seite: 33…Lh4! 34.Lf3 Dxb4 -+] 34.Lf3 Dh4 35.Sf1 Schon bin ich wieder im Plus. 35…Lg5 36.a3 [Oder:  36.Dc3 Ld8 37.Se3 Tg5 38.g3 Lf6 39.Dd2 Ld8 40.Lg2 Dh5=] 36…b5 37.Dh7 Ld8 38.g3? Langsam befinde ich mich auf der Verliererstraße. 38…Df6 39.Kg2 Tf5 40.Sh2? [Rettung versprach: 40.Sd2! Lxd5 41.Lxd5 Txd5 42.Se4 De6 43.Th1÷] 40…h5 41.g4? [41.Td4! Bei knapper Bedenkzeit finde ich in der komplizierten Stellung nicht die stärksten Züge. 41…Lb6 42.Th4 Lxd5 43.Lxd5 Txf2+ (43…Txd5 44.Tf4±) 44.Kh3+-] 41…Tg5 Jetzt stehe ich erstmals richtig auf Verlust. Deep Fritz verpasst mir ein Minus von 2,0. 42.De4 Lb6 43.Td2 Kg8? [43…Kg7-+] 44.Kg3 Te5 45.Dd3 Ld8 46.Te2 hxg4?! [46…Dh4+ 47.Kg2 Lf6 48.Tc2 hxg4 49.Sxg4 Tg5-+] 47.Sxg4 Noch wehre ich mich. 47…Dh4+ 48.Kg2 Txe2 49.Dxe2 Kf8 50.De4 Lc8 51.Df4 [51.Se3 Lh3+ 52.Kg1 Dxe4 53.Lxe4 Lf6-+] 51…Le7 52.Le2 f5 53.f3 Dg5!
Streich-Brückner 53. ZugNach dem erzwungenen Damentausch ist das Endspiel für mich verloren. Den Nachweis wollte ich meinem Gegner ersparen. 0-1

Es war eine spannende Partie auf gutem Oberliga-Niveau. Dennoch musste ich am Ende auf beiden Seiten mehr Fragezeichen verteilen, als ich ursprünglich glaubte. Natürlich bin ich über den Partieausgang enttäuscht. Gratulation an meinen Gegner. Er hat nach zweifelhafter Eröffnungsbehandlung seine Chancen genutzt. Ich nicht. Für mich bleibt die Hoffnung, dass sich mein Durchblick erhöht, wenn ich den Arbeitsstress los bin. Derzeit befinde ich mich auf meiner Abschiedstournee. In rund drei Wochen ist Schluss damit. Oh Gott, ich werde Rentner! Sind das nicht die alten Säcke, die man als Jugendlicher nicht ernst genommen hat? – Am späten Samstagabend bin ich von meinem Sylt-Aufenthalt zurückgekehrt. Wie versprochen, habe ich den Nordfriesen beim Austreiben der bösen Geister zugesehen. Es ist zwar makaber, wenn die Strohpuppe (das Petermännchen) in Flammen aufgeht, aber offenbar nutzlos, da böse Schachgeister gegen Feuer immun sind.

Biikebrennen 2014
Biikebrennen 2014

Meine Überschrift stammt übrigens aus „Benjamin Blümchen und die Astrofanten“. Zum Nachspielen der Partie guckt ihr in meinen Kommentar.

Über Endorphine und böse Geister

In der heutigen Ausgabe der HAZ gibt es einen Artikel mit der Überschrift „Schönheit macht süchtig“. Der Untertitel lautet „Attraktive Frauengesichter wirken auf Männer ähnlich wie Drogen“. Wer hätte das vermutet? Das liegt an den Endorphinen. Zu dieser Erkenntnis konnten nur Psychologen in langen Versuchsreihen kommen. Der normale Mann hat sich stets gefragt: „Was ist mit mir los?“ Das führte nicht selten zu einem verkorksten Leben, denn ein schönes Gesicht hält nicht lebenslänglich. Bekanntlich verblüht Schönheit mit der Zeit, und dann steht Mann mit leeren Händen da. Dergestalt ist es naheliegend, dass sich mancher verzweifelte Mann wünscht, eine Drohne zu sein. Die stirbt nach Begattung der Bienenkönigin.

Warum erzähle ich das? Antwort: Das war ein abschreckendes Beispiel, aber Endorphine können durchaus nützlich sein. Vor allem wenn es um schöne Schachpartien geht. Horst-Peter hat so eine im Jahr 1981 gespielt. Es ging um den Aufstieg zur Regionalliga Nord gegen den SK Union Oldenburg, also den Schachverein, den wir in der Oberliga das nächste Mal zu Gast haben. Horst-Peter hat gewonnen, wir haben gewonnen. Das war sehr schön (für uns). Da Schachpartien nichts von ihrer Schönheit einbüßen, und seien sie noch so alt, möchte ich mit Veröffentlichung dieser Partie das Endorphinsystem unserer ganzen Mannschaft zum Kochen bringen. Es handelt sich um Horst-Peters Original-Kommentar aus dem Jahr 1981.

Dr. Anhalt (SF Hannover) – Rickers (SK Union Oldenburg) [D19]

Aufstiegsrunde zur Regionalliga Nord, 1981

[Kommentar: Horst-Peter Anhalt] 

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 dxc4 5.a4 Das sogenannte Tschechische System: Weiß verhindert, daß Schwarz den Gambitbauern mit 5…b5 verteidigt. 5…Lf5 6.e3 e6 7.Lxc4 Lb4 8.0-0 Sbd7 9.De2 0-0 10.e4 Lg6 11.Ld3 Lh5 12.e5 Sd5 13.Se4 Le7 Dieses Abspiel ab 6.e3 heißt Holländische Variante und ist theoretisch weit erforscht. Weiß verfügt über Raumvorteil, besitzt jedoch unbewegliche Zentrumsbauern, während Schwarz eine beengte, aber sichere Stellung aufweist und am Damenflügel aktiv werden kann. Üblich ist jetzt 14.Ld2 c5 15.Sxc5 Sxc5 16.dxc5 Lxc5 17.Tfc1 Le7! mit ausgeglichenen Chancen. 14.Sg3!?
Anhalt-Rickers 14.Zug14…Lg6 15.Lxg6 hxg6 16.Se4 Dc7? Ein schablonenhafter Zug; besser war 16…c5. 17.Lg5 Tfd8 18.Lxe7 Sxe7 19.b4 a5 20.b5 Sb6 Weiß hat die Initiative am Damenflügel übernommen; nach 20…cxb5 21.Dxb5 bleibt der schwarze b-Bauer rückstündig, und die weißen Türme besetzen zuerst die offenen Linien. 21.Tfc1 Sf5 22.Td1 Sd5 23.Tac1 Sb4 24.g4! Die schwarzen Springer stehen zwar zentral und optisch eindrucksvoll, leisten aber nichts für die Verteidigung gegen den weißen Angriff am Königsflügel. 24…Se7 25.Sfg5 Sed5 26.Df3 Te8 27.Dh3 Sf4
Anhalt-Rickers 27.Zug28.Dh7+ Kf8 29.Dh8+ Ke7 30.Dxg7 mit den Drohungen Dxf7+ und Dxf6+ mit Gewinn des schwarzen Sf4 30…Se2+ 31.Kf1 Sxc1 32.Dxf7+ Kd8 33.Sxe6+ Txe6 34.Dxe6 Die schwarze Stellung ist verloren; es droht sowohl einfach 35.Txc1 als auch 35.Dg8+ nebst 36.Dxa8. Schwarz versucht vergeblich, das Spiel durch einen scharfen Gegenangriff zu komplizieren. 34…cxb5 35.Sd6 Dc6 36.d5 Dc2 37.De8+* Kc7 38.De7+
Anhalt-Rickers 38.ZugSchwarz gab auf, weil er das Matt nicht vermeiden kann, z.B. 38…Kb8 [38…Kb6 39.Dxb7+ Kc5 40.Dxb5#] 39.Dxb7# Eine spannende Partie!

*Anmerkung von Gerhard: Einen Tick schneller ging 37.Sf7+ Kc7 38.Dd6+ Kc8 39.Dd8#

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf ein Phänomen hinweisen, und zwar das der „Zufallshäufung“. Horst-Peter hat damals gegen Gerd Rickers gespielt. Rickers war und ist 15 Jahre älter als Horst-Peter. Mittlerweile spielt Rickers beim Fehntjer SK. Das Phänomen, von dem ich spreche, bezieht sich auf den Namen und dessen Varianten. Am letzten Sonntag habe ich in Lüneburg gegen den sympathischen Schachfreund Uwe Rick gespielt, einen Tag später traf ich mich auf Sylt mit einem Bauleiter namens Ricker, eine Woche zuvor hatte ich ein Gespräch mit dem Bauleiter eines Mitbewerbers, dessen Name Rickertsen lautet. Vor ein paar Jahren habe ich für den Reeder Rickmers auf Sylt eine Datscha errichtet. Und jetzt greife ich ins Archiv und ziehe den Namen Rickers. Boah eh!

Zu dieser Zufallshäufung möchte ich eine aktuelle Analogie zum Besten geben: Gestern trainierte ich in meinem Fitnessstudio. Ich saß gerade auf dem Beinstrecker, als mir gegenüber von der Beinpresse jemand zurief. Es war ein ehemaliger Kollege, der unser Büro vor 4 Jahren verlassen hat. „So ein Zufall!“, rief er erstaunt, „vier Jahre lang bin ich keinem Kollegen begegnet, vor einer Woche traf ich Kollegin M., vor zwei Tagen Kollegin C. und jetzt dich!“

Die Mathematiker unter euch haben dafür sicher eine Erklärung. Vielleicht auch für den Zufall, dass meine beiden letzten Partien auf die gleiche Art und Weise endeten, nämlich mit einer Turmschaukel, die zu einer Zugwiederholung führte und mit Schachgeboten verbunden war. Solch eine Konstellation hat man selten auf dem Brett. Und nun zweimal hintereinander!?

Möglicherweise mischen sich Trolle und Geister in unser Leben ein. Die Nordfriesen haben dagegen eine pragmatische Lösung. Sie vertreiben die bösen Geister durch ein Biikebrennen. Das findet jedes Jahr zur gleichen Zeit am 21. Februar statt, also am kommenden Freitagabend. Da unsere Pechsträhne in der Oberliga anhält, werde ich die Gelegenheit nutzen, dem Schauspiel beizuwohnen. Womöglich erwische ich dabei den bösen Geist, der uns das Siegen verwehrt.

Archivbild: Biikebrennen am 21.02.2013 auf Sylt
Archivbild: Biikebrennen am 21.02.2013 auf Sylt

Urkundlich erwähnt

Fußballspielen war von jeher schlauer als Fußballgucken. Als ich noch jung war, gab es unter Schachvereinen mehrere Veranstaltungen jenseits der 64 Felder. Fußballturniere gehörten dazu. Ich möchte euch eine Urkunde vom 31.05.1973 zeigen. Bei einem Fußballturnier in Anderten wurden wir Dritter. Damals waren wir noch die „Schachfreunde Badenstedt“.

Sommerfußball statt Schach
Sommerfußball statt Schach

Die Urkunde haben vier Schachfreunde unterschrieben, deren Namen lange Niedersachsens Schachszene mitgeprägt haben. Gegen alle habe ich mehrmals – auch – Schach gespielt:

Ralf Rache (SV Vahrenwald)

Gerd Reim (SC Tempo Göttingen)

Harry Friedrich (SF Badenstedt)

Wilfried Malcher (SK Anderten)

Die älteren unter euch werden die vier kennen. Nach 41 Jahren ist die Frage berechtigt, was aus ihnen geworden ist. Ralf Rache lebt jetzt in Aachen. Dort ist er als Fachingenieur für Fassaden tätig. Schach spielt er im Aachener Schachverein von 1856. Ich wusste gar nicht, dass es so alte Schachvereine gibt. – Gerd Reim verstarb am 20.10.1997. Er wurde nur 45 Jahre alt. – Harry Friedrich ist ebenfalls jung gestorben. Er starb am 22.07.2004 im Alter von 56 Jahren. Harry machte aus unserem Verein hinaus einen großen Sprung in die Welt der Schachfunktionäre. Er wurde Schatzmeister und Stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Schachbundes. Er war ein bescheidener und liebenswerter Mensch. Auf Chessbase gibt es eine treffende Würdigung seiner: http://de.chessbase.com/post/harry-friedrich-verstorben – Wilfried Malcher ist hoffentlich noch putzmunter. Wenn ich richtig recherchiert habe, spielt er jetzt bei den Königsjägern Süd-West in Berlin. Königsjäger ist ein origineller Vereinsname. Damenjäger wäre womöglich doppeldeutig. – Da kann man doch mal sehen, wozu Urkunden nützlich sind. Sie halten Erinnerungen wach und wecken unsere Neugierde für die Gegenwart.

Jahreshauptversammlung 2014

Stell dir vor, es ist Jahreshauptversammlung bei den Schachfreunden Hannover, und alle gehen hin. Okay, eher geht Reiner Calmund durch ein Nadelöhr. Nichtsdestotrotz möchte ich an dieser Stelle für eine Veranstaltung werben, die etwa so spannend ist wie eine Darmspiegelung. – Scherz beiseite. Ohne Schachfreunde, die sich ehrenamtlich um die Geschicke unseres Vereins kümmern, könnten wir denselben dichtmachen. Deshalb gehört es zur Wertschätzung unter Freunden, dass wir diesen Amtsträgern mindestens einmal im Jahr zuhören, womöglich ein bisschen kritisieren, aber vor allem den Rücken fürs nächste Jahr stärken. Wenn’s gut läuft, kann der eine oder andere Besucher dem Verein sogar Impulse vermitteln. Neue Ideen sind immer willkommen. Man muss ja nicht alle umsetzen. Am nächsten Freitag (31. Januar) ist es wieder soweit. Unser Vorsitzender hat eingeladen. Der komplette Vorstand muss neu gewählt werden. Ob sich der alte wieder zur Wahl stellt, entzieht sich meiner Kenntnis. So oder so ist eine hohe Wahlbeteiligung wünschenswert. Deshalb appelliere ich an alle Vereinsmitglieder hinzugehen. Ich komme auch. Wir sehen uns um 19:30 Uhr im Freizeitheim Linden.

Schonkost für Damengeplagte

Nachdem ich zur Jahreswende den Damenüberschuss thematisiert hatte, haben sich bei mir einige Schachfreunde mit traumatischen Störungen gemeldet. Denen möchte ich heute eine Schonkost bieten. Es handelt sich um eine Stellung, bei der sich außer den beiden Königen lediglich zwei Springer und zwei Bauern auf dem Brett befinden. Also leichtes Spiel. Oder!? Anno 1996 spielte ich diese Partie in der letzten Runde bei den Casino Open in Velden. Das ist der Ort, wo die legendäre ZDF-Serie „Ein Schloss am Wörthersee“ mit dem ebenso legendären Roy Black spielte. Das hieß nicht nur für mich: „Urlaubssport Schach“ (O-Ton Arthur) in wunderschöner Landschaft, mondänem Ambiente und herrlichem Sommerwetter. Das ließen sich auch viele Titelträger nicht nehmen. Deshalb war das Turnier erstklassig besetzt. In der 4. Runde musste ich nach spannendem Kampf im 65. Zug eine Niederlage gegen GM Alexei Suetin einstecken. Suetin (Jahrgang 1926) war ein herausragender Großmeister, Trainer und Buchautor. Im Jahr 1996 wurde er zudem Senioren-Weltmeister. Er verstarb 2001 an einem Herzanfall.

In der besagten letzten Runde spielte ich gegen Suetins Kumpel namens Aleksandar Kaminik (nicht zu verwechseln mit Kramnik). Die Stellung, die ihr gleich seht, bewertet meine Maschine mit +11 für mich. Dass die Bewertung eines Schachcomputers trügerisch sein kann, beweist die anschließende Zugfolge. Irgendwie habe ich es verdaddelt, und so musste ich nach einer Weile einsehen, dass die Stellung remis ist. Diese Partie zählte zu meiner ersten Elo-Zahl, die ich mir in diesem Turnier und einem folgenden in Wiesbaden erworben habe. Statt Elo 2.270 hätte es etwas mehr sein können.

Viel schlimmer war indessen, dass mir ein hübscher Preis durch die Lappen ging. Für die ersten 30 Plätze im Turnier gab es einen echten Ferrari zu gewinnen. Die waren bereits vorm Spiellokal aufgereiht. Ehrlich. Guckt ihr meine Fotos.

Streich, Gerhard – Kaminik, Alexandar (2280) [E66]
Veldener Casino Open (9), 06.07.1996

Stellung nach dem 63. Zug von Schwarz
Stellung nach dem 63. Zug von Schwarz

64.Kg8? [64.Kg6! Sf7 (64…Kf8 65.Se6+ Kg8 66.Sg5 Kf8 67.h5 Sc4 68.h6 Se5+ 69.Kf5 Sc4 70.Ke6 Ke8 71.f7+ Kf8 72.Sh7#) 65.Se6 Se5+ 66.Kg7 Kd7 (66…Sf7 67.Sc7+ Kd7 68.Kxf7) 67.f7 Sxf7 68.Kxf7] 64…Sf7 65.h5 Sh6+ 66.Kg7 Sf5+ 67.Kg6 Sh4+ 68.Kg5 Sf3+ 69.Kf5 Kf770.Sh3? [70.h6! Sh4+ 71.Kg5 Sf3+ 72.Kg4 Kxf6 (72…Se5+ 73.Kf5 Sf3 74.h7 Sh4+ 75.Kg4 Kxf6 76.h8D+) 73.Kxf3 Kf7 74.Kg4 Kg8 75.Se6 Kh7 76.Kh5 Kh8 77.Kg6 Kg8 78.Sg5 Kh8 79.Sf7+ Kg8 80.h7+] 70…Sd4+ 71.Ke5 [71.Ke4 Sc6 72.Kf5 Sd4+ 73.Ke5 Sc6+] 71…Sc6+ 72.Kf5 Sd4+ 73.Ke4 Sc6 74.Kd5 Sd8 75.Ke5 Sc6+ 76.Kf5 ½-½

Ein gebrauchter Tag in der Oberliga

Die Mannen um Otto Borik ließen heute nichts anbrennen. Sie leisteten sich keine nennenswerten Fehler, und so durfte die Bremer SG mit einem verdienten 5,5:2,5 Sieg den Heimweg antreten. Erfreulich, dass es Andreas gelang, dem großen Otto ein Remis abzuknöpfen, noch erfreulicher war der souveräne Sieg von Heinz-Dieter gegen Hundack, aber ansonsten konnten lediglich Bernd und ich ein Remis beisteuern. Die Partien von Dennie und Uwe gingen früh verloren. Tom (er hatte es mit GM Zeitlin zu tun) und Arthur kämpften zwar bravourös, aber am Ende mussten auch sie die Segel streichen. – Noch haben wir gute Aussichten, uns trotz des letzten Tabellenplatzes in der Oberliga zu halten. Ein Auswärtssieg in Lüneburg könnte dazu beitragen. Wer weiß, vielleicht scheint am 9. Februar die Sonne mal wieder für uns.

An meiner Partie habe ich nicht viel auszusetzen. Sie war die meiste Zeit spannend. Große Vorteile konnte ich mir nicht herausspielen. Im 20. Zug leistete sich mein Elo-starker Gegner mit c7-c5 zwar einen Patzer, aber den konnte er geschickt wettmachen. Und so endete die Partie in einem ausgeglichenen Endspiel durch Zugwiederholung. Guckt ihr hier:

Streich, Gerhard (2162) – Krajina, Davor (2257) [D22]

SFH-Bremer SG (5), 19.01.2014

1.Sf3 d5 2.d4 Sf6 3.c4 dxc4 4.e3 Lg4 5.Sc3 a6 6.Lxc4 e6 7.0-0 Sc6 8.h3 Lh5 9.Le2 Ld6 10.Sd2 [Bislang ist alles Theorie. Ob mein Textzug die beste Fortsetzung ist, sei dahingestellt. Bloß nicht 10.e4? Lxf3 11.Lxf3 Sxd4 12.Le3 (12.Dxd4?? Lh2+ 13.Kxh2 Dxd4) 12…Sxf3+ 13.Dxf3 Sd7] 10…Lxe2 11.Dxe2 0-0 12.f4 [Mit diesem Zug wollte ich meinem Gegner und später meinem Rechner imponieren, aber zumindest mein Rechner blieb unbeeindruckt, der bevorzugt: 12.Td1 Lb4 13.a3 Lxc3 14.bxc3 Dd5 mit leichtem Vorteil für Weiß] 12…Se7 13.Sde4 Sf5 14.Df2 [14.Sxf6+ Dxf6 15.Se4 Dd8 16.Ld2 mit Ausgleich] 14…Sxe4 15.Sxe4 Tc8 16.b3 Le7 17.Lb2 Dd5 18.Sd2 [Oder 18.Sc3 Da5 19.g4 Lh4 (19…Sd6 20.e4) 20.Df3 Sd6] 18…Lh4 19.Df3 Dxf3 20.Txf3 c5?

Stellung nach 20....c7-c5?
Stellung nach 20….c7-c5?

21.dxc5 Tfd8 [Rettet Schwarz den Tag, denn den Qualitätsverlust könnte er nicht kompensieren, z.B. 21…Txc5? 22.La3 Tc2 23.Lxf8 Txd2 24.Lb4 Te2 25.Kf1 Tc2 26.Le1 Lxe1 27.Txe1 Txa2 28.e4 Sh4 29.Td3 h5 30.g3] 22.Se4 Td3 23.g3 Le7 24.Tc1 Txe3 25.Txe3 Sxe3 26.Ld4 [Mit dem Bauern auf c5 und ein bisschen mehr Druck, hoffte ich den ganzen Punkt einfahren zu können. Aber auch mein Rechner ist nicht viel schlauer als ich. Die Partie befindet sich annähernd in Waage.] 26…Sd5 27.Tc4 f6 28.Kf2 Kf8 29.Kf3 Ke8 30.h4 [30.Sd6+? Lxd6 31.cxd6 Kd7 32.Txc8 Kxc8 33.a4 Kd7 34.Lc5 Kc6 35.g4 Sb6 36.La3 Sc8 37.d7 Kxd7 38.Lb2 Sb6] 30…h5 31.Lf2 [31.Sf2 Kd7 32.a3 Kc6=] 31…Kd7 32.Sc3 Sxc3 [32…b6 33.Sxd5 exd5 34.Td4 Lxc5 35.Txd5+ Ke6 36.Txh5 Lxf2 37.Kxf2 Tc2+ 38.Kf3 Txa2 39.Th8 Tb2 40.Te8+ Kf7 41.Te3=] 33.Txc3 Kc6 34.b4 a5 [Oder 34…Kb5 35.a3 a5 36.Tb3 Tc7 37.bxa5+ Kxa5 38.Tb6 Ka4 39.Txe6 Lxc5 40.Lxc5 Txc5 41.Te7 Tc3+ 42.Kf2 b5 43.Ta7+ Kb3 44.Tb7 Tc5 45.Ke3 Kxa3 46.Kd4 Tc4+ 47.Kd3 Kb4 48.Txg7=] 35.bxa5 Ta8 36.Te3 Kd5 [36…Lxc5 37.Txe6+ Kd7 38.Te4 Txa5 39.a4=] 37.Td3+ Kc6 38.Te3 [38.Tb3 Txa5 39.Tb6+ Kc7 40.Txe6 Kd7 41.Tb6 Kc7=] 38…Kd5 39.Td3+ ½-½

Schlussstellung nach dem 39. Zug von Weiß. Remis durch Zugwiederholung.
Schlussstellung nach dem 39. Zug von Weiß. Remis durch Zugwiederholung.

Die Partie könnt ihr wie gewohnt im Kommentar nachspielen.

Nichts ist unmöglich!

Kürzlich habe ich die These aufgestellt, dass es Materie außerhalb unseres Weltalls geben muss. Der Grund: die Zahl der Atome innerhalb unseres Universums langt nicht, um sämtliche Schachzüge zu erfassen, die theoretisch möglich sind. Heute folgt der Beweis. Dazu habe ich meine Erkenntnis verifiziert, dass sich unter legalen Bedingungen 18 Damen auf dem Schachbrett tummeln können. Das ist mir nach 92 Zügen gelungen. Nach 128 Zügen habe ich die im Diagramm abgebildete Stellung erreicht. Möglicherweise geht die Umsetzung etwas schneller, aber dafür benötige ich ein weiteres Leben. Parallel dazu habe ich die möglichen Varianten und Untervarianten mit meinem Rechenschieber festgehalten. Für die Diagrammstellung kam ich auf eine mögliche Zugzahl, die größer ist als die Anzahl sämtlicher Atome in unserer Milchstraße. Falls ihr beabsichtigt, die Partie weiterzuspielen, müsst ihr unsere Milchstraße verlassen. Zum Partieverlauf guckt ihr in meinen Kommentar.

Stellung nach dem 128. Zug von Weiß
Stellung nach dem 128. Zug von Weiß

Otto Borik

Unser nächstes Heimspiel in der Oberliga werden wir gegen die SG Bremen bestreiten. Am 1. Brett spielt IM Otto Borik. Die jüngeren unter euch werden mit dem Namen vermutlich nicht viel anfangen können. Für mich ist die Begegnung ein Anlass, wieder nostalgisch zu werden. Dazu habe ich den Ingo-Spiegel des Deutschen Schachbundes aus dem Jahr 1980 hervorgeholt. Ingo-Zahlen waren die Vorläufer der DWZ-Zahlen. Damals lief die Auswertung nicht so professionell wie heute – Personal-Computer gab es noch nicht –, aber im Großen und Ganzen spiegelten sie die Leistungsstärke der deutschen Schachspieler wider. Mit einer Ingo-Zahl von 47 (je kleiner desto besser) lag Otto Borik auf dem 7. Platz der Bestenliste noch vor GM Wolfgang Unzicker. Ein Jahr später war er sogar auf den 4. Platz geklettert; lediglich die Großmeister Robert Hübner, Lothar Schmidt und Helmut Pfleger lagen vor ihm.

Otto Borik ist gebürtiger Tscheche. Anfang der siebziger Jahre kam er nach Deutschland, nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an und wurde bis 1984 in Bochum sesshaft. Dort eilte er von Erfolg zu Erfolg. Er spielte am 1. Brett der SG Bochum in der Bundesliga, wurde NRW-Meister, Deutscher Blitzmeister und Nationalspieler. Zweimal nahm er an Schacholympiaden teil: 1978 in Buenos Aires und 1980 in Malta.

Im Jahr 1979 kam mir eine doppelte Ehre zuteil. Zum einen, den Landesverband Niedersachsen am 1. Brett zu vertreten und zum anderen, gegen Otto Borik anzutreten. Wie ihr dem Ingo-Spiegel entnehmen könnt, war ich damals mit Horst-Peter in der Rangliste weit oben platziert. In Ibbenbüren kam es zum Freundschafts-Länderkampf zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Zwei Partien waren angesetzt, jeder Spieler hatte somit einmal Weiß und einmal Schwarz. In der ersten Partie hatte ich Weiß. Es gelang mir mühelos, die Partie ausgeglichen zu halten, und so endete sie nach 27 Zügen ohne nennenswerte Höhepunkte mit einem Remis. Die Partie könnt ihr im Kommentar nachspielen. Mit den weißen Steinen hat mich Otto Borik indes an die Wand gespielt, weil er eine Variante in der Sveshnikov-Verteidigung besser kannte als ich. Da, wo meine Vorbereitung endete, wusste er – zu meinem Nachteil – die richtige Fortsetzung.

Im selben Jahr dieser beiden Partien brachte Otto Borik das Schach-Magazin 64 auf den Markt. Von dieser Absicht hatte mir erstmals Helmut Reefschläger berichtet. Helmut konnte sich nicht vorstellen, dass man eine zweiwöchentliche Schachzeitung für einen geringen Kaufpreis wirtschaftlich verlegen kann. Anscheinend hat es dennoch geklappt. Das Magazin 64 gibt es immer noch, und ich bin stolz darauf, ein Abonnent der ersten Stunde zu sein. Seit 35 Jahren weiß ich die Qualität dieser Schachzeitung zu schätzen. Dass sie so ist, wie sie ist, ist ein Verdienst von Otto Borik. Die unentwegte Arbeitsbelastung hat sicher dazu beigetragen, dass seine Spielstärke abgenommen hat. Mittlerweile ist er auf den 695. Platz der deutschen Rangliste abgerutscht. Das ist kein Grund, ihn zu unterschätzen. Von Boriks Erfolgen und seinem aktuellen Listenplatz können wir nur träumen. Unser 1. Brett wird dennoch selbstbewusst antreten, gleichwohl, ob Otto Borik oder jemand anders der Gegner sein wird.

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Ergänzung am 25.09.2015

Ibbenbüren 1979 Länderkampf Otto Borik (NRW) – Gerhard Streich (Niedersachsen)
Ibbenbüren 1979 Länderkampf Otto Borik (NRW) – Gerhard Streich (Niedersachsen)

Gut Holz!

Gibt es unter Schachspielern eigentlich richtige Handwerker, oder rekrutieren wir uns hauptsächlich aus Sesselfurzern? Habe ich da ein „Ähhh!?“ gehört? Nur keine Bange, ihr müsst euch nicht rechtfertigen. Aber ein bisschen neidvoll auf diejenigen gucken, die den ganzen Tag im Freien ihre Muskeln spielen lassen, während wir uns in spießigen Räumen das Gehirn zermartern, muss erlaubt sein.

Einige Schachfreunde haben im vorletzten Jahr von mir einen Kalender mit Sylt-Motiven geschenkt bekommen. Selbst professionelle Kalender zu basteln, ist übers Internet heutzutage kein Problem. Man muss nur geeignete Fotos bei einem entsprechenden Anbieter hochladen. Ich habe das mit VISTAPRINT gemacht. Das Jahr 2014 habe ich einem Bauteil gewidmet, dessen Schönheit für den Betrachter nur für kurze Zeit sichtbar ist, weil es meist auf nimmer Wiedersehen verhüllt wird. Ich spreche vom Dachstuhl. Dachstühle werden von Zimmerleuten errichtet. Das sind die wohl beneidenswertesten Handwerker am Bau. Den Sparren zweimal abgeschnitten und noch immer zu kurz? Der Zimmermann weiß sich zu helfen. Reklamationen? Gibt’s so gut wie nie. Andere Bauhandwerker müssen sich fünf Jahre und länger mit Mängelrügen herumschlagen. Derweil sägt und richtet und schraubt und nagelt der Zimmermann einen Dachstuhl nach dem anderen.

Und weil die Handwerkskunst des zweitältesten Gewerbes der Welt leider so schnell verdeckt wird, dürft ihr exklusiv die Ästhetik derselben genießen. Es ist mir schwergefallen, mich auf zwölf Momentaufnahmen zu beschränken. Ich könnte ein Jahrzehnt damit füllen. Es sind lauter Dächer, die unter meiner Obhut in den letzten Jahren errichtet wurden. Das Foto, das ich unter „Guten Durchblick“ am Neujahrstag veröffentlicht habe, ist das Deckblatt zum Kalender. Hier folgen die Monate:

Manfred Heilemann wird 80 († 26.09.2021)

Am 2. Januar 1934 wurde Manfred Heilemann geboren. Das war vor genau 80 Jahren. Aus diesem Anlass möchte ich ihm hiermit zum Geburtstag alles Gute wünschen. Manfred Heilemann hat wie kein Zweiter die Schachszene in Niedersachsen geprägt und dominiert. Er gewann zehnmal den Titel eines Niedersachsenmeisters. Darüber hinaus gab es unzählige weitere Einzel- und Mannschaftserfolge, vor allem mit seinem Stammverein, dem Hannoverschen Schachklub. Der Dinosaurier HSK ist ausgestorben, nun ist er bei uns – den ehemals „Jungen Wilden“ – Vereinsmitglied. Obwohl Manfred inaktiv ist, führt er auch in seinem hohen Alter mit knapp 2.300 Elo-Punkten unsere Bestenliste an.

Um eine authentische Laudatio zu halten, kenne ich Manfred zu wenig. Mir ist auch nicht bekannt, wie es ihm derzeit geht, und ob er das Schachbrett mittlerweile an den berühmten Nagel gehängt hat. Ich würde mich deshalb freuen, wenn Weggefährten und/oder Offizielle sein Lebenswerk angemessen würdigten.

Viermal habe ich gegen Manfred Heilemann eine Turnierpartie gespielt, zweimal verloren, einmal remis und einmal gewonnen. Von der Gewinnpartie habe ich schon berichtet; siehe „Schachfundus Hannover (1)“. Es war zu einer Zeit, als ein Sieg gegen Heilemann so viel galt wie heute ein Sieg gegen Bayern München in der Fußballbundesliga. Es war eine aufregende Partie mit Fehlern auf beiden Seiten. Nach meinem mutigen Qualitätsopfer geriet Manfred in ein Mattnetz, aus dem er in Zeitnot kein Entrinnen fand. Ich denke, es ist nicht despektierlich, ausgerechnet an seinem Ehrentag eine seiner Verlustpartien zu zeigen. Für mich war es ein außerordentliches Erlebnis.

Streich, Gerhard – Heilemann, Manfred [A92]

Niedersachsenmeisterschaft, Wingst 1978

1.Sf3 d5 2.g3 c6 3.Lg2 e6 4.0-0 f5 Von GM Klaus Bischoff habe ich kürzlich den schönen Satz gehört: „Wenn jemand Holländisch spielen will, sollte man ihn nicht daran hindern.” Manfred Heilemann bevorzugt sogar die Hardcore-Variante, nämlich den Stonewall-Aufbau. Auf Sylt würde man „Friesenwall“ dazu sagen. Die ersten vier Eröffnungszüge nur mit Bauern auszuführen, sieht man auch nicht alle Tage. 5.d4 Sf6 6.c4 Le7 7.Sbd2 Eine gute Alternative zu 7. Sc3. Die Idee besteht darin, beide Springer für das wichtige Feld e5 in Stellung zu bringen. 7…0-0 8.Se5 Sbd7 9.Sd3 De8 10.Dc2 g5 11.Sf3 Siehe Anmerkung im 7. Zug. 11…h6 12.Tb1 Kg7 13.b4 b5!? Der Steinwall wird verfestigt. Flexibler war 13… a5

Stellung nach 13... b7-b5
Stellung nach 13… b7-b5

14.cxb5 cxb5 15.Sc5 Sb6 16.Se5 Ld6 17.Tb3 Über die 3. Reihe soll der Turm – falls erforderlich – auf dem Königsflügel eingesetzt werden. 17…Lxe5 18.dxe5 Sfd7 19.h4! Wer einen Steinwall knacken will, muss rechtzeitig den Presslufthammer ansetzen.

Stellung nach 19. h2-h4
Stellung nach 19. h2-h4

19…g4 20.Lf4 Sxc5 21.bxc5 Sc4 22.a4! Erst h4, jetzt a4. Auf beiden Flanken wird gebohrt. 22…Ld7 [Geht Komplikationen aus dem Wege, z.B. nach 22…bxa4 23.Tb4 La6 24.Tfb1 a3 25.Dc1 Tf7 26.Lxh6+] 23.Dc3 Kg6 Lxd5 nebst e6+ lag in der Luft. 24.axb5 Lxb5 25.f3 Der Presslufthammer-Gerhard (frei nach Torfrock) bohrt weiter. 25…gxf3 26.Lxf3 a6 27.Lc1? Tempoverlust. Ich verliere ein wenig den Faden. [27.g4!? Kh7 28.gxf5 Txf5 29.Lg4 Dg8 30.Dg3 Tff8 31.Dg2 mit guten Aussichten für Weiß bei komplizierter Stellung.] 27…Kh7 28.Dd4 Dg6 29.Kh2 Dg7 30.Lf4 Tac8 31.Lh5 Sa5 32.Ta3 Sc6 [32…Sb7!? mit Druck gegen c5] 33.Da1 Tg8 34.Td1? besser gleich Tc1 34…Se7 35.Tc1 Sg6 36.Lxg6+ Dxg6

Stellung nach 36... Dg7xg6
Stellung nach 36… Dg7xg6

37.Txa6!! Für diesen Zug gebe ich mir zwei Ausrufezeichen. Nicht, weil das Qualitätsopfer tatsächlich korrekt wäre, sondern weil es mir Chancen eröffnet, die ich sonst nicht gehabt hätte. 37…Lxa6 38.Dxa6 De8 39.Tb1 Tc6? Danach ist Schwarz nicht mehr zu retten. Manfred Heilemann musste stattdessen mit 39… Tg7 vorbeugen. Nach der Partie haben wir die Stellung lange analysiert. Manfred wollte nicht wahrhaben, dass das Qualitätsopfer korrekt war. Erstaunlicherweise behielt ich auch bei der Analyse meistens die Oberhand. 40.Tb7+ Tg7 41.Txg7+ Kxg7 42.Db7+ Kg6 43.h5+ Kxh5 44.Dg7 Dg6 45.Da7? Ein Lapsus in höchster Zeitnot. Zum Glück gewährt mir Manfred einen zweiten Anlauf. [45.De7 Dg4 (45…Dg8 46.Dh4+ Kg6 47.Df6+ Kh7 48.Dxh6#) 46.De8+ Dg6 47.Dxc6+-] 45…Dg8? [45…De8 46.Dh7 Df8 47.Dd7 Txc5 48.Dxe6±] 46.De7 Kg6 47.Df6+

Stellung nach 47. De7-f6+
Stellung nach 47. De7-f6+

1-0 [47… Kh5 (47…Kh7 48.Dxh6#) 48.Dxh6+ Kg4 49.Dh3#)