Schachregion Hannover – Das unbekannte Wesen

Die Ausschreibung zum Regions-Dähnepokal hat mich neugierig gemacht. Der Gewinner darf nämlich auf Bezirksebene weiterspielen. Nur, wo sind die Grenzen zwischen der Region und dem Bezirk? Im Netz habe ich darauf keine Antwort gefunden.

Auf der Webseite des Schachbezirks Hannover sind derzeit 39 Vereine aufgelistet. Eine Zuordnung zur Region Hannover oder zu den verbleibenden Landkreisen gibt es nicht. Meine Geographiekenntnisse haben zu folgender Sortierung geführt: Von den 39 Schachvereinen gehören 32 zur Region Hannover, 3 zum Landkreis Schaumburg (SV Bückeburg, SC Stadthagen und SK Rinteln), 3 zum Landkreis Nienburg (SK Stolzenau, Eystruper SK und SV Warmsen) sowie einer zum Landkreis Diepholz (SF Sulingen).

Für die Region Hannover (32 Vereine) und für den Kreis Schaumburg (3 Vereine) gibt es einen eigenen Vorstand unterhalb der Bezirksebene. Die 4 Vereine im Landkreis Nienburg und Diepholz haben offenbar keinen eigenen Vorstand. Das heißt, die höhere Instanz, der Bezirksvorstand, vertritt lediglich 7 Vereine mehr als der Vorstand der Region Hannover. Welch ein Wahnsinn!

Mal abgesehen von der Aufblähung des Funktionärswesens ist meines Erachtens selbst in den Satzungen die Zuordnung der Schachvereine nicht eindeutig ablesbar.

Satzung Schachregion Hannover
§1 Name und Sitz des Vereins
Der Verein führt den Namen „Schachregion Hannover“ und hat seinen Sitz in Lehrte. Nach Eintragung ins Vereinsregister erhält der Name den Zusatz „e.V.“.
§ 2 Zweck des Vereins
Zweck des Vereins ist es, das Schachspiel in der Region Hannover zu betreiben und in seiner Gesamtheit zu fördern und auszubreiten. Durch sportliche Übungen und Jugendpflege soll die sittliche, geistige und körperliche Ertüchtigung seiner Mitglieder gefördert werden.

Dass die Schachvereine, die sich in den politischen Grenzen der Region Hannover befinden, damit ausdrücklich und ausschließlich Mitglied in der Schachregion Hannover sind, steht nirgendwo in der Satzung. Das Schachspiel soll lediglich betrieben, gefördert und ausgebreitet werden.

Anders steht es in der Satzung des Schachbezirks Hannover e.V:
§ 1 Name
(2) Die Grenzen des Bezirks entsprechen grundsätzlich den Grenzen des bis zum 31.12.2004 bestehenden Regierungsbezirks Hannover.
(4) Der Schachbezirk Hannover e.V. ist Rechtsnachfolger des „Schachbezirk 1 Hannover im Niedersächsischen Schachverband e.V.“.

Damit sind die Grenzen abgesteckt, wobei der Bezug auf den Regierungsbezirk Hannover obsolet ist. Denn der Osten Hannovers gehörte damals nicht zum Regierungsbezirk. Vereine wie SC Hämelerwald oder SC Uetze-Hänigsen dürften formal gar nicht zum Bezirk Hannover gehören. – Wer sich im Netz über die Schachregion Hannover sachkundig machen möchte, muss im Bezirk auf Externes(!) klicken.

Meines Erachtens sollten die Strukturen dringend neu geordnet werden. Hierarchien unterhalb der Bezirke sind kontraproduktiv. Wichtiger ist es, die Schachspieler zum Schachspielen zu bewegen. Und daran krankt es. Nur 13 Schachspieler aus 32 Vereinen sind heute Fritz Oberts Aufruf gefolgt, am Regions-Dähnepokal teilzunehmen. Fritz‘ Enthusiasmus tut das offenbar keinen Abbruch, aber mit dem satzungsgemäßen Fördern und Ausbreiten des Schachspiels hat das nichts zu tun.

Von der 1. Runde bei Kargah habe ich euch zwei Fotos mitgebracht. Einziger Teilnehmer unseres Vereins ist Torsten Gans. Möge er zumindest die Bezirksebene erreichen.

Dähne-Pokal-02Dähne-Pokal-01

Oktoberbilanz

Wir können uns nicht beklagen. Der Oktober war voll cool, obwohl er zu warm war. Er begann mit dem Wahnsinn und endet mit dem Wahnsinn. Heute wird hier und da bekanntlich das über den Großen Teich geschwappte Horrorfest namens „Halloween“ gefeiert. Das ist nichts für Schachspieler. Wir gruseln uns schon oft genug. Jede Verlustpartie ist ein Beleg dafür. Da halten wir es eher mit Margot Käßmann. Die freut sich auf den 500. Jahrestag der Reformation, der heute begangen wird. Luther sei kein makelloser Held gewesen, weiß sie gestern in der HAZ zu berichten. Man kann es auch anders ausdrücken: Martin Luther war ein richtiger Stinkstiefel. Womit wir bei uns Schachspielern sind. Anscheinend neigen einige zu rüpelhaftem Benehmen. So verstehe ich jedenfalls Fritz Oberts Ausschreibung zum 1. Regions-Dähnepokal 2014/2015:

„Verhalten am Brett und im Spiellokal:
Wer durch unangemessenes Verhalten, insbesondere in Folge von Alkohol- und Drogengenuss den Spielbetrieb stört, kann mit Partieverlust, Verweis aus dem Spiellokal bis zum Turnierausschluss belegt werden.“

Im Klartext: Seid friedlich, wenn ihr besoffen und bekifft Schach spielt!

Ganz nüchtern möchte ich hiermit Fritz‘ Bitte nachkommen, die Ausschreibung am „Schwarzen Brett“ unseres Schachvereins zu veröffentlichen. Schwarze Bretter und Schwarze Kanäle sind indes out. Deshalb mache ich das mit diesem Link:

http://schachbezirk-hannover.de/

Los geht’s am 5. November um 18:00 Uhr bei Kargah. Das ist dort, wo das Leine-Open stattfindet.

„Was bewegt Schachspieler an so einer Meisterschaft teilzunehmen? Das Faszinierende beim Spiel der Könige ist, dass es dort weder Würfel, Karten noch Glück gibt: es ist eine Mischung aus Reaktion und Gegenreaktion.“

Das ist ein Original-Auszug aus der Pressemitteilung des Schachbezirks I zur BEM in Lehrte. Keine Würfel, keine Karten, kein Glück. Und wenn dann noch Pech dazukommt… Ihr wisst schon. Torben Schulze (Hannover 96) hat Reaktion und Gegenreaktion am besten gemischt. Er wurde Bezirksmeister aller Klassen. Herzlichen Glückwunsch! Seitdem er regelmäßig unser Blog liest, wird er immer stärker. – Mitglieder unseres Vereins haben sich wacker geschlagen. Die Ergebnisse könnt ihr auf der Webseite des Schachbezirks Hannover nachlesen. Es wäre schön, wenn der eine oder andere an dieser Stelle von seinen Erlebnissen berichten würde.

So viel zu den Einzelschicksalen. Einmal mussten unsere 4 Mannschaften im Oktober ran. Bis auf die Zweite konnten alle gewinnen. Das ist eine Ausbeute, die Mut macht. Die Gewinner wissen, warum sie sich den Sonntag um die Ohren schlagen. Die anderen stellen sich berechtigterweise die Sinnfrage. In der besagten Pressemitteilung erfahren wir, dass nicht der Weg das Ziel ist, sondern: „Das pragmatische Ziel bleibt freilich, den Monarchen des Gegenspielers schachmatt zu setzen.“

Noch Fragen? Eine pragmatische Antwort gibt es von Arthur Schopenhauer:

Hindernisse überwinden ist der Vollgenuss des Daseins.

Derart gewappnet können wir uns auf einen harten Winter einstellen. Merke folgende Bauernregel:

Will's Laub nicht von den Bäumen weichen, ist dies ein hartes Winterzeichen
Will’s Laub nicht von den Bäumen weichen, ist dies ein hartes Winterzeichen

Partnerstadt Leipzig

Gestern wurde in Leipzig das gefeiert, was wir Schachspieler durch unseren unscheinbaren Einsatz vorbereitet hatten: die friedliche Revolution. Für die 200 geladenen Gäste gab es ein Drei-Gänge-Menü. Vorspeise: Fläminger Reh-Parfait und Käse vom Landgut Nemt, Hauptgang: Steinbuttfilet auf Kürbis-Ingwermousseline, Dessert: Leipziger Lerche auf Waldbeerenragout. Anno 1988 gab es Grünkohl im Ratskeller Hannover. Leipzig hatte eine 6-köpfige Schachauswahl nach Hannover geschickt. Das war ein außergewöhnliches Ereignis. Niemand ahnte, dass sich das deutsch-deutsche Verhältnis alsbald radikal ändern würde. Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg ließ es sich nicht nehmen, die Leipziger Delegation zu begrüßen. Gespielt wurde im Gobelinsaal des Neuen Rathauses. Da darf nicht jeder hinein. Frank Palm hat darüber einen lesenswerten Artikel (siehe Galerie) geschrieben, der am 22.12.1988 in der HAZ veröffentlicht wurde. Zu dem Artikel gehören die Fotos von Norbert Müller (Leipzig) und Peter Panzer (Hannover). Wir konnten einen knappen Sieg mit 3,5:2,5 Punkten verbuchen. Aber das war nebensächlich. Frank Palm formulierte es so: „Das positive Bild von der Weltoffenheit der Sachsen wurde bestätigt, während das Klischee von den steifen Hannoveranern eine erneute Widerlegung fand.“

Hannover-Leipzig Dezember 1988 – die Einzelergebnisse:
1. Panzer, Peter               ½  Trescher, Manfred
2. Mende, Andreas        1-0  Heinsohn, Günther
3. Cablitz, Achim           0-1  Müller, Norbert
4. Streich, Gerhard       1-0  Broberg, Horst
5. Herrmann, Andreas  ½  Kuhn, Udo
6. Naumann, Frank       ½  Gempe, Thomas

Leipzig-02Als wir ein Jahr später in Leipzig zum Rückkampf antraten, sah die Welt schon anders aus. Die DDR befand sich in der Auflösung. Das Hartgeld bestand noch aus Alu-Chips, aber unsere westdeutschen Münzen wurden gern genommen. Als ich einer Klofrau im Leipziger Hauptbahnhof ein Markstück auf den Teller legte, sah sie mich an, als sei ich der Heiland. Unsere Mannschaft bestand ausschließlich aus Spielern unseres Vereins. Einzelergebnisse sind mir leider abhanden gekommen.

 

 

Joachim Just anno 2014
Joachim Just anno 2014

Wimpel waren in der DDR sehr beliebt. Ich bekam diesen von der BSG Lok Leipzig. Aus dem SV Lok Leipzig-Mitte wurde im Jahr 2011 nach der Fusion mit dem SC Leipzig-Gohlis ein Großverein mit über 200 Mitgliedern. Die haben derzeit 2 Frauen-, 11 Männer- und 10 Jugendmannschaften. Ob solch eine Vereinsgröße zweckmäßig ist, will ich an dieser Stelle nicht beurteilen. Joachim Just hat jedenfalls das Weite gesucht und spielt jetzt beim SV Motor Zeitz.  Wie ich bereits an anderer Stelle berichtet habe, übernachtete ich 1989 bei Joachim in Leipzig. – 1990 kam es zum Rückkampf in Hannover. Danach gab es meines Wissens keine weiteren Begegnungen zwischen Leipzig und Hannover. Das Leben hat sich normalisiert.

Einen sensationellen Fund aus meinem Archiv möchte ich euch noch zeigen. Bereits im Jahr 1957 gab es einen Freundschaftskampf zwischen der BSG Lok Leipzig und unserem Verein (damals Schachfreunde Badenstedt). Wer hätte gedacht, dass das damals überhaupt möglich war?

Leipzig-01

Calm After the Storm

Die Wurst hat besser abgeschnitten. Sonst hätte das holländische Duo „The Common Linnets“ den ESC 2014 gewonnen. Der Titel passt zu unserem derzeitigen Gemütszustand. Der Sturm hat sich gelegt. Der Wahnsinn ist vorbei. Wir Hannoveraner sind wieder unter uns. Alle sind fort: die wissbegierigen und feierfreudigen deutschen Bürger und Bürgerinnen sowie der schachspielende Nachwuchs. Um den Nachwuchs ist es gut bestellt, ist mein Eindruck. Ansonsten löst eine Null die andere ab, Göttingen erhält einen onanierenden Kragenbären als Denkmal, und was machen wir Schachspieler? Wir üben Selbstzweifel. Das muss nicht sein.

Der Herbst ist eine ehrliche Haut. Er zeigt uns seine Emotionen, ohne sie zu beschönigen. Er kann so traurig sein, dass Himmel und Erde zu einem Grau verschmelzen, er kann zürnen und stürmen, dass uns Angst und Bange wird, aber er kann auch die Sonne rauslassen, als würde er sich wie ein Honigkuchenpferd freuen. Solch einen Tag hatten wir vorgestern. Ich wollte ihn in aller Stille genießen. Dazu eignet sich vorzüglich der Georgengarten. Obwohl er riesengroß ist, war er fast menschenleer. Walker, Jogger, Studenten, Rentner, Hausfrauen und Pfandflaschensammler hatten offenbar Pause. – Unser Überleben sichern wir durch Weisheiten. Diese haben wir zwar verinnerlicht, müssen sie aber stets aufs Neue aktivieren: „In der Ruhe liegt die Kraft“, und „Nach dem Sturm ist vor dem Sturm.“ Die nächsten Stürme toben in unserer Nähe: in Laatzen, in Isernhagen, in Neustadt und in Berenbostel. Darauf muss der rasende Verstand mental vorbereitet sein. Damit das gelingt, habe ich euch ein paar Fotos mitgebracht. Sie sollen euch die Ruhe vermitteln und die Selbstzweifel nehmen. Dann haben die angesprochenen Vorstadtschachspieler gegen uns keine Chance.

Wahnsinn!

Wahnsinn! Vor 25 Jahren war dieses Wort in aller Munde. Selbst der besonnene Joachim Just benutzte es, als er mir am 02.01.1990 einen Brief aus Leipzig schrieb: „Am 22./23. war ich anläßlich der Eröffnung des Brandenburger Tores bei einem Studienkollegen in Berlin. Das häufig gebrauchte Wort „Wahnsinn“ traf auch hier zu.“ Was gestern in Hannover abging, hat es verdient, dass dieses eigentlich abgedroschene Wort wiederbelebt wird. Für diesen einen Tag zumindest. Das Vorspiel am Donnerstag war verhalten. Den ganzen Tag über ließ sich die Sonne nicht einmal blicken. Ab Mittag strömten zwar die Besucher, aber es war angesichts des Werktags nicht überwältigend, und die wenigsten gelangten dorthin, wo Schachspielen angesagt war. 

Am Feiertag muss jemand den Schalter umgelegt haben. Die Sonne schien von der ersten bis zur letzten Minute, nicht eine einzige Wolke verirrte sich am Himmel, es herrschte T-Shirt-Wetter, und die Menschen strömten und strömten. 500.000 sollen es laut Polizeiangaben gewesen sein. Bei nicht politisch motivierten Veranstaltungen hängt die Polizei gern eine Null hinten dran. Diese Zahl entspricht indes meinen eigenen Schätzungen. Bevor ich über den „Tag der Deutschen Einheit“ und die Feier im Allgemeinen ein paar Worte verliere, möchte ich mich der real praktizierten Öffentlichkeitsarbeit unserer Schachorganisationen widmen. 

Es gehört viel Idealismus dazu, sich mit ein paar Utensilien auf einen öffentlichen Platz zu stellen und fürs Schachspiel zu werben. So ähnlich müssen sich die Zeugen Jehovas fühlen, wenn sie mit dem Wachtturm in der Hand auf dem Trottoir stehen. Kein Mensch interessiert sich dafür bis auf die wenigen Anhänger, die meist unter sich bleiben. Bis Freitagmittag war das wohl auch so in der Spielmeile. Dann schwappte der Besucherstrom über, und der Nachwuchs sorgte für Stimmung. Die Mädchen und Jungen, die von der Deutschen Ländermeisterschaft herübergekommen waren, bereicherten nicht nur quantitativ die Szene, sondern sorgten mit „Kondischach“ für Action, das viele Zuschauer in ihren Bann zog. 

Simulationsschach konnte ich nicht entdecken. Auch fand die angekündigte Live-Übertragung von Partien der Ländermeisterschaft nicht statt. Doch dafür hätte sich sowieso keiner interessiert. Aus meiner Sicht ist die Öffentlichkeitsarbeit gelungen. Deshalb sollten wir denen danken, die sich dafür eingesetzt haben. Einen aktuellen Bericht gibt es auf der Webseite des NSV. Ich lasse meine Fotos sprechen:

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Dass der Tag der Deutschen Einheit durchaus kritisch gesehen werden kann, möchte ich nicht verschweigen. Die Medaille hat eine Kehrseite, und die sieht nicht nach Schlaraffenland aus. Am Donnerstagabend gab es auf dem Opernplatz eine Gegenveranstaltung, bei der die Berliner Pop-Punk-Band namens „The toten Crackhuren im Kofferraum“ auftrat. Das muss eine Gesellschaft aushalten, wenn sie sich zugleich die „Wildecker Herzbuben“ leistet. Wer den berechtigten Weltschmerz zum Anlass nimmt, nicht fröhlich zu sein, macht etwas verkehrt. Von einem übertriebenen Nationalstolz ist die Mehrheit der Deutschen zum Glück weit entfernt.

Insofern war es richtig zu feiern. Wir Hannoveraner kennen solche Veranstaltungen. Schorsenbummel, Autofreier Sonntag und Entdeckertag sind ähnlich strukturiert. Nur diesmal war alles viel, viel größer. Dass der Wettergott mit einem Kaisertag seinen Beitrag geleistet hat, ist eben dieser „Wahnsinn“. Nicht auszudenken, wenn es gestürmt und geschüttet hätte. Und so konnte sich unser Volk, das sich die Vielfalt auf die Fahnen geheftet hat, so vielfältig wie möglich präsentieren. Für diejenigen, die nicht dabei waren, habe ich in meiner Bildergalerie einige Motive zusammengefasst.

Einen Minuspunkt bekommen die Veranstalter der Einheitsfeier dennoch von mir. Die Schlussfeier mit der Lasershow und dem Feuerwerk wurde dadurch gestört, dass der Mond mittendrin unbeirrt weiterleuchtete. Konnte den Mond niemand solange abdecken? Mit einem Handtuch oder so?

Schach auf der Einheitsfeier

In einer Woche geht’s in Hannover zur Sache. Die Deutsche Einheit wird gefeiert. Da dürfen wir Schachspieler nicht fehlen. Bekanntlich sind wir die Feierbiester schlechthin. Der Schachbezirk Hannover wird zusammen mit der Deutschen Schachjugend ein Programm auf die Beine stellen. Es geht am Donnerstag, dem 2. Oktober, gegen Mittag los und wird am Tag der Deutschen Einheit in den Abendstunden enden. Austragungsort ist die Sportmeile. Die befindet sich zwischen der HDI-Arena und dem Maschsee. Im offiziellen Programm ist von „Schach für jedermann“ und „Simulationsschach“ die Rede. Gemeint ist vermutlich „Simultanschach“, aber ich will nicht kleinlich sein.

Ganz in der Nähe, und zwar in der Jugendherberge Hannover (Ferdinand-Wilhelm-Fricke-Weg 1), beginnt am Freitagmorgen die Deutsche Ländermeisterschaft der Schachjugend. Das gleiche haben wir Senioren gerade in Bergen hinter uns gebracht. Die Veranstaltung endet nach 7 Runden am 7. Oktober. Geplant ist, bestimmte Partien der 1. Runde live zu übertragen und am Nachmittag unter den Teilnehmern der Ländermeisterschaft eine „Kondiblitzmeisterschaft“ auszutragen.

Um dieses Programm und das Equipment kümmern sich die Funktionäre. Es fehlt allerdings an Helfern. Der 1. Vorsitzende des Schachbezirks Hannover, Horst Schilling, bittet daher um Unterstützung beim Auf- und Abbauen. Wer Zeit und Lust hat, möge sich bis zum 29. September bei ihm melden. Seine Anschrift und seine Telefonnummern findet ihr auf der Seite des Schachbezirks 1.

Mit einem hohen Besucheraufkommen wird gerechnet. Dafür sind Betreuer gefragt. Freiwillige vor! Wer Glück hat, kann Angie Merkel bei einer Blitzpartie über den Tisch ziehen. Ob mit oder ohne Politprominenz sollten wir Schachspieler uns nicht lumpen lassen und eindrucksvoll demonstrieren, dass Schachspielen eine staatstragende Beschäftigung ist.

Zur Einstimmung zeige ich euch beispielhaft zwei Fotos vom Entdeckertag der Region Hannover, die ich am 14. September 2014 in der Georgstraße aufgenommen habe. Das Schachzentrum Bemerode war dort federführend tätig. Am Tag der Deutschen Einheit wird alles selbstredend viel größer und richtig aufregend.
Einheit-01Einheit-02

*******************************************************************************Ergänzung am 30.09.2014

Der Schachbezirk Hannover hat Lagepläne mit Terminen erstellt. Für Feierbiester gibt’s die jetzt online:   140929 Lageplan Anfahrt Einheitsfeier

Ergänzung am 30.09.2014 gegen 18:30 Uhr

Ich komme gerade von meinem Kontrollgang zurück. Auf dem Festareal stehen bereits Zelte soweit das Auge reicht. Überall wird gewerkelt. Der Aufwand ist gigantisch. Lediglich dort, wo wir Schachspieler unsere Kunst feilbieten sollen, ist noch tote Hose. Womöglich müssen wir Schachspieler mit Simulationszelten vorliebnehmen. Haltet vorsichtshalber eure Tapeziertische und Klappstühle bereit. Ich halte euch auf dem Laufenden.

Ergänzung am 01.10.2014

Hannover. Walter-Rodekamp-Platz. High Noon. Melde: Eine Schar junger Männer hat mit dem Aufbau der Zelte begonnen. Der rechtzeitigen Inbetriebnahme für Zwecke der Schachsimulation steht nichts im Wege. – Eure Butterbrote könnt ihr zuhause lassen. Zu Essen und zu Trinken gibt es satt. Vaterlandsliebe geht bekanntlich durch den Magen. Für Bürger, die z.B. Brandenburg in der Ländermeile aufsuchen, heißt das: Spreewaldgurken und Kaninchenspezialitäten aus Beelitz. Schleswig-Holstein wird demnächst in Goschland umbenannt, jedenfalls gewinnt man den Eindruck, wenn man dessen Präsentation sieht. Die Fischkette „Nordsee“ nimmt sich nebenan bei den Bremern dagegen bescheiden aus. Klotzen werden auch die McPommer mit ihrem Klippengriller. „Little Captain Smoker“ heißt das Ding und sieht etwa so aus wie der Dieselmotor eines Ozeanriesen. Zur festen Nahrung gehören für einen echten Deutschen natürlich Bier und Wein. Das Angebot ist riesig. Deutschland, einig Schlaraffenland.

Ergänzung am 02.10.2014 

Um 13:00 Uhr war der Ansturm auf unsere Schachwelt überschaubar:

Mittendrin: Niedersachsens Schachpräsident Michael S. Langer
Mittendrin: Niedersachsens Schachpräsident Michael S. Langer

Wie opulent mein Abschlussbericht ausfällt, weiß ich noch nicht. Das hängt von meinen subjektiven Eindrücken ab. Der Besucherstrom ist auf der Einheitsfeier im Laufe des Nachmittags kräftig angeschwollen. Aber es verlieren sich nur wenige Menschen dorthin, wo Schach gespielt wird.

Bergener Nachlese

„Stell dir vor, dein Vereinskamerad wird Deutscher Meister und keiner kommt auf die Idee, die Homepage damit zu schmücken.“

Diesen Eindruck muss man gewinnen, wenn man sich die Webseiten der jeweiligen Vereine anguckt. Das sind die Schachfreunde, die vor 10 Tagen „Deutscher Seniorenmannschaftsmeister“ geworden sind: 

Christian Clemens   SC Braunschweig Gliesmarode v. 1869 (Bezirk Braunschweig)

Juri Ljubarskij         Schachabteilung von Hannover 96 (Bezirk Hannover)

Matias Jolowicz       Schachvereinigung Salzgitter (Bezirk Braunschweig)

Dieter Jentsch          Schachklub Wolfsburg (Bezirk Braunschweig)

Berichterstattung: Fehlanzeige 

Eine rühmliche Ausnahme bildet der Hamelner SV mit „Oldies but Goldies“ und der Meldung über das ausgezeichnete Ergebnis von Gerhard Kaiser. Wobei Gerhard mit mir in der zweiten Mannschaft gespielt hat und damit nicht Deutscher Meister geworden ist. Die Enthaltsamkeit wundert umso mehr, weil auf diesen Webseiten extra Rubriken für „Aktuelles“ oder „News“ vorgesehen sind. Aktualität ist im Internet-Zeitalter das A und O. Einige Schachvereine bewegen sich allerdings im Schneckentempo oder sind einfach ignorant gegenüber den Erfolgen ihrer Vereinskameraden oder haben die falsche Person an den Schalthebeln ihrer Homepage oder sind einfach nicht im Bilde.

Sozusagen als Ersatzvornahme möchte ich die vier Deutschen Meister noch einmal ins rechte Bild rücken. Es war deren einzige (unglückliche) Niederlage gegen Hessen 1:

Von vorn nach hinten: Christian Clemens 0–1 Klaus Klundt / Juri Ljubarskij 0-1 Jürgen Haakert / Matias Jolowicz ½ Georg Haubt / Dieter Jentsch ½ Matthias Kierzek
Von vorn nach hinten: Christian Clemens 0–1 Klaus Klundt / Juri Ljubarskij 0-1 Jürgen Haakert / Matias Jolowicz ½ Georg Haubt / Dieter Jentsch ½ Matthias Kierzek

Ein spezieller Gruß geht an die Schachvereinigung Salzgitter, die ansonsten eine lebendige Webseite betreibt. Statt einer ehrenden Erwähnung von Matias Jolowicz finden wir dort auf der ersten Seite eine Torte aus der Mottenkiste. – Besser eine Fachsimpelei über Elektrofahrräder als eine Niederlage im Schachspiel, sagte sich Matias‘ Gegner in der letzten Runde. Matias und seiner Mannschaft war’s recht. Viermal Remis und der Titel war perfekt.

Matias Jolowicz (links) und Horst Weisenburger (Württemberg 1) im Fachgespräch vertieft
Matias Jolowicz (links) und Horst Weisenburger (Württemberg 1) im Fachgespräch vertieft

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Ergänzung am 20.09.2014

Bergener Spätlese

Ein Fuhrwerk mit 11 Pferden und 68 Männer waren erforderlich, um das 35 Zentner schwere Gipfelkreuz im Jahr 1886 auf den Hochfelln zu befördern. Am Sockel finden wir den 1. Vers eines schwülstigen Gedichts, das König Ludwig I geschrieben hat. Ludwig I ist der Großvater vom Märchenkönig, Ludwig Nr. 2. Beide bemühten sich als Herrscher und Dichter. In Bayern ist das bis heute so üblich.

Bergen-16Bergen-15

Auch mir warst du des Trostes  mächt’ges Zeichen,                                   Auf dich geheftet weilten meine Blicke,
Dass sich mein Herz am Glauben
fromm erquicke
Und freudig fühlte ich mich
Selbst dein eigen.

So viel Aufwand für so wenig Kunst, sage ich mir. Das geht heute leichter. Erhellendes liest man nicht mehr auf Berggipfeln, sondern ganz bequem online. Zum Beispiel in diesem Blog.

Seit gestern wissen wir, dass die Theorie der Schottischen Partie nicht umgeschrieben wird, und schottische Whiskybrenner keine Durststrecke befürchten müssen. – Eine Meldung aus dieser Woche hat mich indessen aufgeschreckt: Flaschenverbot bei Nordderby. Was heißt das für unser Auswärtsspiel morgen in Braunschweig? Dürfen wir nur mit einem Rumpfteam antreten? Dann las ich im Kleingedruckten, dass mal wieder die prolligen Fußballfans von Hannover 96 gemeint sind, wenn deren 2. Mannschaft am kommenden Dienstag gegen die zweite von Eintracht Braunschweig spielen wird. Wir Schachfreunde müssen niemand zuhause lassen. Wir werden mit einer schlagkräftigen Truppe antreten!

Nichts zu verBergen

„Springer am Rand“ im Bergener Kurpark
„Springer am Rand“ im Bergener Kurpark

Woran erkennt man, dass eine Schachpartie von einem Senioren gespielt wurde? Am Vornamen! Hans und Franz hießen meine Gegner. Wer so gerufen wird, muss verdammt alt sein, aber keinesfalls aussortiert. Ich werde euch im Anschluss vier meiner sieben Partien zeigen, die einen Eindruck über die nicht versiegende Spielstärke im Alter zeigen. Mit meinen 65 Jahren gehörte ich zu den Jungsenioren unter den Aktiven. Das ist kein Bonus, wenn es darum geht, einem Achtzigjährigen gegenüber zu sitzen. Die meisten von denen, die in Bergen aktiv waren, verfügen über eine aktuelle Spielpraxis, gegen die ich ein Waisenknabe bin.

Mit der Qualität meiner Partien bin ich zufrieden. Rumpelschach war selten dabei. Nur einmal stand ich schlecht (gegen Hans Werchan, Jahrgang 1933). Nur eine einzige Partie habe ich verloren (gegen Rainer Albrecht, Jahrgang 1952). In dieser Partie habe ich mich selbst umgebracht in einem Moment, als ich mich auf der Siegerstraße wähnte. Sechs von sieben Partien endeten also mit einem Unentschieden. Das ist kein Grund zur Euphorie, aber auch kein Grund, den Kopf hängenzulassen. Immerhin habe ich die Erwartung in Bezug auf meine derzeitige ELO-Zahl erfüllt.

Sieger-Wimpel
Sieger-Wimpel

Bevor ich zum Thema komme, muss ich mein Déjà-vu-Erlebnis loswerden. Bayern ist nämlich ein gutes Pflaster für Senioren aus Niedersachsen. Im Jahr 1987 befand ich mich in der 4-köpfigen Seniorenmannschaft des Radsportverbands Niedersachsen. Wir haben dort an der Bayern-Rundfahrt teilgenommen, das war damals die inoffizielle Deutsche Mannschaftsmeisterschaft für Senioren. Es begann in Lenggries mit einem Einzelzeitfahren und endete in der Oberpfalz mit einem Straßenrennen. Wir gewannen die Mannschaftswertung und stellten mit Hansjoachim Schippel den Einzelsieger. – Wenige Jahre später wurde aus der Seniorenrundfahrt eine Profiveranstaltung. Es ist die einzige Landesrundfahrt in Deutschland, die überlebt hat. Alle anderen wurden wegen der Dopingmisere gecancelt.

So war der Verlauf meiner Partien am 2. Brett der 2. Mannschaft:

1. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Berlin 1 (6./3.) Ergebnis 1:3
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Thormann, Wolfgang FM 2256
2. Runde
Schleswig-Holstein 2 (26./22.) – Niedersachsen 2 (19./15.) Ergebnis 2:2
Felser, Franz 2044 ½ – ½ Streich, Gerhard 2124
3. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Hamburg 2 (10./18.) Ergebnis 2:2
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Dr. Liersch, Andreas 2257
4.Runde
Berlin 2 (18./20.) – Niedersachsen 2 (19./15.) Ergebnis 2:2
Albrecht, Rainer 2109 1 – 0 Streich, Gerhard 2124
5. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Sachsen-Anhalt 1 (16./4.) Ergebnis 1,5:2,5
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Dr. Werchan, Hans 2141
6. Runde
Hessen 2 (22./23.) – Niedersachsen 2 (19./15.) Ergebnis 0,5:3,5
Falk, Thomas 2080 ½ – ½ Streich, Gerhard 2124
7. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Bayern 2 (12./14.) Ergebnis 2:2
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Dr. Röder, Frank FM 2197

In Klammern hinter den Landesnamen stehen die Platzierungen in der Ratingliste und das tatsächliche Endergebnis.

Meine erste Partie gegen FM Wolfgang Thormann (Berlin 1) endete mit einem unspektakulären Remis. In der zweiten Partie gegen Franz Felser (Schleswig-Holstein 2) war ich erwartungsfroh, versäumte es indes, zum entscheidenden Schlag auszuholen.

Felser, Franz (2040) Schleswig-Holstein 2 – Streich, Gerhard (2124) [B07]

DSMM (2), 02.09.2014

1.e4 d6 Pirc. Ein Experiment. 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Lg5 An dieser Stelle kann man fast alles spielen. Am energischsten ist 4.f4. 4… Lg7 5.e5 Der frühe Bauernvorstoß bereitet Schwarz keine Probleme. 5…Sfd7 6.exd6 [6.f4 Sb6 7.Sf3 0-0 8.Le2] 6…cxd6 7.Sf3 h6 8.Le3 Sf6 9.Le2 0-0 10.0-0 Sbd7 11.h3 Sb6 12.Sd2 Le6 13.Sce4 Sxe4 Aus der Eröffnung bin ich gut herausgekommen. Bis zum Ende der Partie habe ich ständig einen leichten Stellungsvorteil. Allein, mir fehlt eine zündende Idee. [13…Sfd5 14.c4 Sxe3 15.fxe3 f5 16.Sc3 Tc8=+] 14.Sxe4 Tc8 15.Dd2 Kh7 16.c3 Sc4 17.Lxc4 Lxc4 18.Tfe1

Stellung nach 18.Tfe1
Stellung nach 18.Tfe1

18… Ld5 [Das wäre eine gute Idee gewesen: 18…f5 19.Sg3 e5 20.dxe5 dxe5 21.Dxd8 Tfxd8 22.Lxa7 Td2 und Schwarz ist am Drücker.] 19.f3 Da5 20.Sf2 Tfe8 21.Sd3 Lc4 22.Lf2 Df5 23.Sc1 La6 24.Se2 b6 25.Tad1 d5 26.Lg3 g5 27.Sc1 e6 28.Sd3 Lxd3 [28…h5!?] 29.Dxd3 Dxd3 30.Txd3 Tc6 31.f4 Kg6 32.Tf3 f5 33.fxg5 hxg5 34.Le5 Lxe5 35.Txe5 Th8 36.Tfe3 Kf6 37.Kf2 b5 38.a3 Th4 39.Tf3 Te4 40.Te3 Solch ein Tête-à-Tête dreier Türme hat man auch nicht alle Tage auf dem Brett.

Stellung nach 40.Tf3-e3
Stellung nach 40.Tf3-e3

40…Txe5 41.Txe5 a5 42.g4 fxg4 43.hxg4 b4 44.axb4 axb4 45.Te3 Weiß gibt sich keine Blöße. Das Turmendspiel ist Remis. 45… bxc3 46.bxc3 Ta6 47.Tf3+ Kg7 48.Te3 Kf6 ½-½

Rainer Albrecht
Rainer Albrecht

Nachdem ich in der 3. Runde ein Remisangebot des Hamburgers Dr. Andreas Liersch angenommen hatte, hieß mein nächster Gegner Rainer Albrecht (Berlin 2). Er überraschte mich vor der Partie, als er mir sagte, dass wir bereits 1976 in einem Länderkampf zwischen Berlin und Niedersachsen gespielt hätten. Die Partie sei mit der Tarrasch-Variante in der Französischen Verteidigung eröffnet worden. Sie endete mit einem Remis. Boah! Es dauerte eine Weile, bis die Erinnerung zurückkam. – Nach spannendem Verlauf musste ich meine einzige Niederlage einstecken.

Albrecht, Rainer (2109) Berlin 2 – Gerhard, Streich (2124) [E70]

DSMM (4), 04.09.2014

1.d4 Sf6 2.c4 d6 3.Sc3 g6 4.e4 Lg7 5.Sge2 Der Textzug gehört zu den seltenen Varianten in der Königsindischen Verteidigung. Furchterregend ist er nicht. 5…0-0 6.Sg3 c6 7.Le2 Sbd7 8.Lg5 h6 9.Le3 Te8?! [Besser 9…e5] 10.Dd2 Kh7 11.h4 h5 12.0-0-0 Da5 13.Kb1 a6 14.f3 [14.f4 b5 15.e5 b4 16.Sce4 Sxe4 17.Se4 Sb6 18.Sg5+ Kg8=] 14…b5 15.Sd5 Gegen den Damentausch habe ich nichts einzuwenden.

Stellung nach 15.Sc3-d5
Stellung nach 15.Sc3-d5

15…Dxd2 16.Sxf6+ Lxf6 17.Txd2 Sb6 18.cxb5 axb5 19.b3 Die kritische Stellung. Wohin soll der Lc8 entwickelt werden?

Stellung nach 19.b2-b3
Stellung nach 19.b2-b3

19…La6?! Ursprünglich hatte ich 19… Ld7 geplant, damit der Bauer b5 nach d4-d5, c6-c5 gedeckt bleibt. Doch dann befand ich es für besser, das Feld d7 für den Springer freizuhalten. Dazu kam es allerdings nicht. 20.Tc1 Tec8 21.Tdc2 Lb7 Der Läufer wird vorübergehend zurückbeordert. Den Tempoverlust hätte ich mir schenken können. 22.d5 c5 23.Lxb5 Ta5 [Vorsichtiger war der sofortige Rückgewinn des Bauern. 23…Lxh4 24.Se2 Lf6=] 24.a4?! Tca8 Droht Txb5 nebst Ta1# 25.Ta2 La6! Zurück nach a6. Der Zug ist bärenstark. Jetzt muss Weiß auf der Hut sein.

Stellung nach 25... Lb7-a6
Stellung nach 25… Lb7-a6

26.Lxa6 [26.Ld2? Lxb5 27.Lxa5 Ld3+ 28.Tcc2 Txa5-+; 26.b4? cxb4 27.Lxb6 Lxb5 28.Lxa5 Ld3+ 29.Tcc2 b3 30.Kc1 Txa5-+ siehe Analysediagramm]

Analysediagramm
Analysediagramm

 

 

26…T5xa6 27.Sf1 c4 28.bxc4 Sxa4 29.Kc2 Sc3?! An dieser Stelle hätte ich mir die Zeit für Lxh4 nehmen sollen. 30.Txa6 Txa6 31.g3 Ta2+??

Stellung nach 31... Ta6-a2+
Stellung nach 31… Ta6-a2+

Ein schrecklicher Fehler. Als Antwort hatte ich nur Kd3 gesehen und wollte dann mit Ta3 fortsetzen. Die Partie hätte sich im Gleichgewicht befunden. 32.Kb3 Te2 Zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, dass der Springer verloren ist. Der Rest ist nur noch Agonie. 33.Ld2 Tf2 34.Lxc3 Txf3 35.Sd2 Txg3 36.Kb4 Lxh4 37.Tf1 f6 38.Sf3 Tg4 39.Sxh4 Txh4 40.e5 f5 41.e6 Tg4 42.Lf6 exf6 43.Te1 1-0

Dr. Hans Werchan
Dr. Hans Werchan

5. Runde. Ende letzten Jahres wurde Dr. Hans Werchan 80 Jahre alt. Welchen Stellenwert der Magdeburger in seiner Heimat genießt, erfahrt ihr, wenn ihr folgende Seite anklickt:

http://www.schach-sachsen-anhalt.de/index.php/seniorenschach/aktuelles-seniorenschach/425-wir-gratulieren-unserem-vizepraesidenten-dr-hans-werchan-ganz-herzlich-zu-seinem-80-geburtstag.html

Hans Werchan ist drei Wochen älter als der zehnfache Niedersachsenmeister Manfred Heilemann. Dass Manfreds Lebenswerk von keinem niedersächsischen Funktionär anlässlich seines 80. Geburtstags gewürdigt wurde, ist mir noch immer ein Rätsel.

Streich, Gerhard (2124) – Dr. Werchan, Hans (2154) Sachsen-Anhalt 1 [A34]

DSMM (5), 05.09.2014

1.Sf3 c5 2.c4 Sf6 3.Sc3 Sc6 4.g3 d5 5.cxd5 Sxd5 6.Lg2 e5? [Offenbar hat Schwarz die Zugfolge vertauscht. Üblich und notwendig war 6… Sc7, bevor der Vorstoß e7-e5 erfolgt.  6…Sc7 7.0-0 e5 8.d3 Le7] 7.d3? Leider versäume ich, einen gesunden Mehrbauern einzuheimsen: [7.Sxe5 Sxc3 8.Lxc6+ (8.Sxc6 Sxd1 9.Sxd8 Kxd8 10.Kxd1) 8…bxc6 9.dxc3 Dxd1+ 10.Kxd1 Ld6] 7…Sc7 8.0-0 Le7 9.Ld2?! Der Zug ist zu blass. Die Theorie empfiehlt 9.Sd2 oder 9.Le3!? In der Folge gerate ich in eine passive Stellung, die nicht der Sinn des Anzugsvorteils sein kann. 9…Le6 10.b3 Dd7 11.Te1 Tc8 12.Tc1 b6 13.Dc2 0-0 14.Db1 Tfd8 15.Se4 Es ist schwer, einen vernünftigen Plan für Weiß zu finden. Da ich meiner Zugpflicht nachgehen muss, stochere ich ein wenig mit meinen Springern im Zentrum herum. 15…h6 16.Lc3 f6 17.La1 Sb5 18.Sc3 Sbd4 19.Se4 f5 20.Sed2 Lf6 21.Lf1 Der e-Bauer soll beweglich werden. 21…g5 22.Sxd4 exd4 23.e3 dxe3 24.fxe3 Dg7 25.Lxf6 Dxf6 26.Sf3

Stellung nach 26.Sd2-f3
Stellung nach 26.Sd2-f3

26… Td6?! Erlaubt mir eine Verschnaufpause. Ein Großmeister hätte mich an dieser Stelle auseinandergenommen, z.B. [26…f4 27.exf4 (27.Da1 Dxa1 28.Txa1 fxg3 29.hxg3 Sb4 30.Tec1 Sxd3 31.Tc3 Lf5-+) 27…Ld5 28.Lg2 gxf4 29.Tf1] 27.Le2 Tcd8 28.Tf1 Se5 [28…g4 29.Sd2 De5 30.e4 Sd4 31.Ld1 h5 32.exf5 Sxf5-+] 29.Se1 Sg6 30.Da1 Dxa1 31.Txa1 Se5 32.Tc1 Kg7 33.Tc3 Kg6 34.Sf3 Sxf3+ [34…Sxd3?? 35.Lxd3 Txd3 36.Txd3 Txd3 37.Se5+ und Weiß gewinnt.] 35.Txf3 Ld5 36.Tf2 Te8 37.d4 Endlich bekomme ich Gegenspiel. 37…cxd4 38.exd4 Le4 39.Tc7 a5 40.Lc4 Ted8

Stellung nach 40... Te8-d8
Stellung nach 40… Te8-d8

41.g4!! Allein wegen dieses Zuges hat sich die Reise nach Bergen gelohnt. Dabei ist 41.d4-d5 womöglich stärker. Aber die psychologische Wirkung von g4 ist entscheidend. [41.d5 Lxd5 42.Lxd5 Txd5 43.Te2 Trotz Minusbauern sollte das Endspiel remis enden.] 41…Txd4 [41…fxg4? 42.Lf7+ Kg7 43.Ld5+ T6d7 44.Txd7+ Txd7 45.Lxe4 Txd4 46.Lc2+-; 41…f4 42.Te7 Txd4 43.Te2 b5 (43…Ld5?? 44.Lxd5 T4xd5 45.T2e6#) 44.Lxb5 Ld5] 42.gxf5+ Lxf5 43.Lf7+ Kf6 44.Lh5!

Stellung nach 44.Lf7-h5
Stellung nach 44.Lf7-h5

Ein sensationeller Rundlauf des Läufers: von e2, c4, f7 nach h5. Damit deckt der Läufer das Feld d1 und stellt weitere Drohungen auf, z.B. Tf7+ 44…T4d7 Wenn Schwarz gewinnen will, muss er stattdessen 44… Ke6 versuchen. Angesichts der gefährdeten Königsstellung und der knappen Bedenkzeit hätte der Schuss auch hinten losgehen können. 45.Tc6+ Td6 46.Tc7 T8d7 47.Tc8 ½-½

In der 6. Runde wollte ich gegen den Schachfreund Thomas Falk (Hessen 2) endlich einen Sieg einfahren. Sein Remisangebot im 16. Zug konnte ich aus mannschaftstaktischen Gründen indes nicht ablehnen. Die letzte Runde bescherte mir FM Dr. Gerd Röder (Bayern 2) als Gegner. In der Eröffnung ging es gleich richtig zur Sache. Nach ungenauem Spiel meines Gegners hätte ich meinen Stellungsvorteil in einen Bauerngewinn ummünzen können. Ich gab einem doppelten Qualitätsopfer den Vorzug und musste mich wieder mit einem Remis begnügen.

Streich, Gerhard (2124) – FM Dr. Röder, Gerd (2197) Bayern 2 [D11]

DSMM (7), 07.09.2014

1.Sf3 d5 2.d4 Sf6 3.c4 c6 4.e3 Lg4 5.Sbd2 e6 Die Stellung wurde in der Praxis schon einige Male angewandt. Mein folgender Zug ist sozusagen eine Neuerung. 6.a3 a5 7.h3 Lh5 8.g4 Lg6 9.Se5 Sfd7 Besser war 9… Sbd7 10.Sxg6 hxg6 11.Lg2 Le7 12.De2 a4?! Den Zug habe ich nicht verstanden. Vielleicht wollte Schwarz das Feld a5 für seine Dame freimachen. Die Vollendung der Entwicklung mit 12… Sf6 war allemal vorziehen. Jetzt kann ich im Zentrum aktiv werden. 13.e4 dxe4 14.Sxe4 Sf6 15.d5!

Stellung nach 15.d4-d5
Stellung nach 15.d4-d5

Die Antwort kostete Schwarz 45 Minuten seiner Bedenkzeit. [15.Sxf6+ gxf6 16.Le3 Da5+ 17.Ld2 Db6 18.d5!?] 15…exd5 [15…Sxe4 16.Dxe4 exd5 17.cxd5 0-0 18.0-0] 16.Sxf6+ gxf6 17.cxd5 0-0 [17…cxd5 18.0-0 Sc6 19.Td1 d4 20.Le3 Db6 21.Lxc6+ Dxc6 22.Tac1 Da6 23.Dxa6 bxa6 24.Txd4 Txh3 25.Txa4+=] 18.0-0 Te8 19.Td1 Ld6 20.Dd3c5 21.Ld2 [21.Db5 Ta5 22.Dxb7?? Te7-+] 21…Sd7 [21…Sc6!? 22.dxc6?! Lh2+ 23.Kxh2 Dxd3 24.Lc3 Db5 25.cxb7 Tab8 26.Lxf6 wäre sogar spielbar für Weiß.] 22.Lc3 Dc7 Wohin mit der weißen Dame? Auf den Königsflügel oder auf den Damenflügel? 23.Df3 [23.Db5 war womöglich stärker.] 23…Le5? [23…b5! 24.Lxf6 Sxf6 25.Dxf6 Ta6 26.Dc3 Le5 und Schwarz hat Gegenspiel für den Bauern.]

Stellung nach 23... Ld6-e5
Stellung nach 23… Ld6-e5

24.d6! Der Zug lag auf der Hand. Meine folgende Vision weniger. 24…Lxd6 25.Txd6!? Ein doppeltes Qualitätsopfer ist nichts für schwache Nerven. Mir war klar, dass Schwarz nicht sofort matt wird, weil der König über f8 fliehen kann. Dass mir ein Unentschieden durch Zugwiederholung so gut wie sicher war, habe ich indes gesehen. Darüber hinaus wollte ich in meiner letzten Partie für die Galerie spielen, wobei die folgende Variante mit Bauerngewinn objektiv besser war: [25.Dxb7 Dxb7 26.Lxb7 Ta7 27.Lc6 Te6 28.Ld5 Te7 29.Lxf7+ Kxf7 30.Txd6+=] 25…Dxd6 26.Td1 De6 27.Txd7 Dxd7 28.Dxf6 Dd1+ 29.Kh2 Kf8 30.Lxb7 Tad8 31.Dg7+ Ke7 32.Df6+ Kf8

Analysediagramm
Analysediagramm

[Wenn Schwarz versucht, über d7 zu fliehen, verliert er die Partie: 32…Kd7? 33.Lc6+ Kc7 34.La5+ Kc8 35.Lxe8+-] (33…Kc8 34.Lxe8 Txe8? 35.Dc6+ Kd8 36.Lf6+ Te7 37.Db6+ Ke8 38.Dxc5 und Weiß gewinnt, weil der Turm wegen Matt nicht ziehen kann; siehe Analysediagramm)

33.Dg7+ Ke7 34.Df6+ ½-½

Bergen war eine Reise wert

Die Hinfahrt war grauenhaft. Es schüttete wie aus Kübeln. Erst nachdem Christine Harderthauer zwei Tage später zurückgetreten war, besserte sich das Wetter schlagartig. Zum Vorschein kam eine Landschaft, wie sie lieblicher kaum sein kann. Bevor ich mit meinem Bericht fortfahre, zeige ich euch einen Blick auf den Ort Bergen aus der Seilbahngondel, die mich auf den 1.674 m hohen Hochfelln gehievt hat. Hinten links ist der Chiemsee zu sehen.
Bergen-01Bislang hatte ich Seniorenschach eher skeptisch betrachtet. Nach diesem Turnier bin ich voll des Lobes. Es gibt auf Landes- und Bundesebene einige engagierte und fähige Funktionäre, die solche Turniere zu einem Erlebnis machen. Auch die Berichterstattung im Internet ist vorbildlich, sodass ich auf die Wiedergabe der nackten Daten verzichten kann. Stattdessen möchte ich euch meine persönlichen Eindrücke vermitteln.

Es gibt Momente im Leben, da passt alles zusammen. Reinhard Piehl hatte zwei Teams aufgestellt, in denen die Chemie stimmte. Das war die Voraussetzung für einen unvergleichlichen Lauf, der zum erstmaligen Gewinn der Deutschen Mannschafts-meisterschaft unserer 1. Mannschaft führte. Auch unsere zweite konnte sich gut verkaufen. Allen voran Gerhard Kaiser am 1. Brett. Er verlor nicht ein einziges Mal und konnte zweimal gewinnen. Lediglich zwei der sieben Mannschaftskämpfe gingen verloren. Bei den unentschiedenen Kämpfen standen wir zweimal auf Gewinn. Dazu und zu meinem Abschneiden komme ich im Laufe meines Beitrags zurück.

Reinhard Piehl
Reinhard Piehl

Das Dream Team

Von links nach rechts: Christian Clemens, Juri Ljubarskij, Matias Jolowicz, Dieter Jentsch, Reinhard Piel, Gerhard Kaiser, Gerhard Streich, Alexander Schneider und Mihail Davydov
Von links nach rechts: Christian Clemens, Juri Ljubarskij, Matias Jolowicz, Dieter Jentsch, Reinhard Piel, Gerhard Kaiser, Gerhard Streich, Alexander Schneider und Mihail Davydov

Für mich war das Turnier wie eine Zeitreise. Ich habe Schachfreunde wieder getroffen, die ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Bis zurück in meine Kindheit gingen meine Erinnerungen. Es ist 60 Jahre her, als dieses Foto aufgenommen wurde:

Bergen-04

 

 

Der kleine Junge bin ich. Es war 1954 mein erster richtiger Urlaub, und zwar in Inzell, das liegt einen Katzensprung von Bergen entfernt.

 

 

Etwas älter als ich auf dem Foto war Stephan Buchal (Bremens 1. Brett), als ich ihm das erste und einzige Mal begegnet bin. Es war beim Jugendturnier des Osterkongresses 1967 in Hannover. Am 17.10.2013 habe ich euch darüber berichtet. Stephan konnte sich meiner vage erinnern. In den Jahren 1970 und 1971 wurde er Niedersächsischer Jugendmeister. Seinen jugendlichen Charme hat sich Stephan bis heute bewahrt.

Joachim Just
Joachim Just

In der 2. Mannschaft von Sachsen-Anhalt spielte Joachim Just aus Leipzig. Wir hatten uns seit 1991 nicht mehr gesehen. Vor und nach der Wende haben wir uns bei Freundschaftskämpfen kennen und schätzen gelernt. Ich habe bei ihm in Leipzig übernachtet, er bei mir in Hannover. Joachim ist pensionierter Lehrer. Seine Familie ist „schachverrückt“. Seine Frau Dr. Gabriele, seine Tochter Dr. Anita und sein Sohn Wolfgang sind ebenfalls aktiv. Und das nicht schlecht…!

Einen Schachspieler hatte ich noch nie gesehen. Dafür war sein Name in meinem Hinterkopf gespeichert: Dr. Peter Kopp. Er war bei Hessen 2 am 3. Brett aufgestellt. Gegen Peter Kopp habe ich 1967/68 eine Fernschachpartie gespielt. Damals war er Mathematik-Student im 3. Semester an der UNI Darmstadt. Auf diese Partie habe ich ihn im Turniersaal angesprochen. Er konnte sich kaum erinnern und stellte die naheliegende Frage: „Wie ist die Partie denn ausgegangen?“ Die Antwort kann ich mit seiner letzten Postkarte nachliefern. Es war seine Aufgabe, die er in nette Worte gefasst hatte:
Bergen-06
Ich habe mir die Partie noch einmal angesehen. Es war ein heißes Match. Sie hat nichts von ihrem Feuer verloren, deshalb könnt ihr sie in meinem Kommentar gern nachspielen.

Das Niveau der 110 aktiven Senioren und Seniorinnen (Anzahl 3) war ausgesprochen hoch. Drei Internationale Meister und sieben FIDE-Meister waren darunter. Ich hatte nicht einen Gegner <ELO 2000. Der ELO-Durchschnitt unserer jeweiligen Gegner stellte sich wie folgt dar:

1. Mannschaft
1. Brett FM Prof. Dr. Christian Clemens   ELO 2235  Ø 2242   5,0 Punkte
2. Brett Juri Ljubarskij                                 ELO 2258  Ø 2238   4,5 Punkte
3. Brett Dr. Matias Jolowicz                         ELO 2175  Ø 2165    4,5 Punkte
4. Brett Dieter Jentsch                                  ELO 2138  Ø 2170    4,5 Punkte

2. Mannschaft
1. Brett Gerhard Kaiser                                ELO 2120  Ø 2120    4,5 Punkte
2. Brett Gerhard Streich                              ELO 2124  Ø 2155     3,0 Punkte
3. Brett Alexander Schneider                     ELO 2061  Ø 2087    3,5 Punkte
4. Brett Mihail Davydov                              ELO 2061  Ø 2118     3,0 Punkte

Juri Ljubarskij
Juri Ljubarskij

Mit 81 Jahren war Juri Ljubarskij der älteste Niedersachse. Was er trotz seines hohen Alters aufs Brett zaubert, ist bewundernswert. Hier eine Kostprobe aus der 2. Runde gegen FM Berthold Bartsch (2243) Bayern 1:

Juri Ljubarskij-Berthold Bartsch
Juri Ljubarskij-Berthold Bartsch

Der letzte schwarze Zug 19… Lc5-b4 war ein schlimmer Fehler. Richtig war 19… Lc5-e7 und Schwarz kann sich vorerst halten. Juris Zug war eine Granate: 20.Td7!! Schwarz gab auf. Auf ähnliche Weise hätte 20.Sf6+ gewonnen: z.B. 20… Kh8 21.De4 g6 22.Se8+

Das war die einzige Niederlage von FM Berthold Bartsch. Er holte trotz dieses KO-Schlags mit 5,5 Punkten das beste Ergebnis aller Teilnehmer am 2. Brett.

Mihail Davydov
Mihail Davydov

Aber es gab auch Reinfälle. Mihail Davydov versäumte in der 2. Runde gegen eine Dame aus Schleswig-Holstein seinen 40. Zug (er hatte Schwarz) rechtzeitig auszuführen. Er drückte die Uhr eine Sekunde zu spät. Dabei stand er total auf Gewinn. Das kostete uns den Sieg gegen Schleswig-Holstein. Mihails Missgeschick glich sich allerdings wieder aus, als sein Gegner aus Hessen in der 6. Runde eine klar gewonnene Stellung verdaddelte.

 

Dieter Jentsch
Dieter Jentsch
Der Kantersieg gegen Nordrhein-Westfalen aus der Vogelperspektive
Der Kantersieg gegen Nordrhein-Westfalen aus der Vogelperspektive

Einen unglaublichen Schreckmoment erlebte Dieter Jentsch im Kampf gegen Michail Bogorad (ELO 2195) aus Nordrhein-Westfalen. Dieter hatte folgende Stellung auf dem Brett:

Bogorad-Jentsch
Bogorad-Jentsch

 

 

 

 

 

Dieter war am Zug. Zuvor hatte er mit seinem Läufer den Turm auf f1 geschlagen. Statt aufzugeben, hatte sein Gegner Bauer d6-d7 gezogen und auf ein Wunder gehofft. Das wäre beinahe eingetreten. Dieter war ein bisschen in Zeitnot. Zwei Minuten standen noch auf seiner Uhr, und für jeden weiteren Zug gab’s 30 Sekunden Aufschlag. Also kein Grund zur Panik. Doch Dieter war so nervös, dass er nach d6-d7 nicht innehielt und dann d2-d1D zog, sondern sich sofort seinen Läufer schnappte und diesen auf dem Feld a6 absetzen wollte. Dann sah er das Malheur: der Läufer hatte die falsche Diagonale im Visier. Die Damenumwandlung der weißen Partei war nicht mehr zu verhindern. Zum Glück hatte Dieter den Läufer nicht losgelassen. Etwa eine Minute lang ließ Dieter den Läufer in verständlicher Erregung über dem Brett kreisen, bis er die Rettung Ld3 fand. Nach d7-d8D und d2-d1D+ ließ Dieter nichts mehr anbrennen und gewann die Partie in wenigen Zügen. Ohne diesen wichtigen Brettpunkt wäre aus der Deutschen Meisterschaft voraussichtlich nichts geworden.

Über meine eigenen Partien werde ich euch in einem gesonderten Beitrag am Wochenende informieren. Wer mehr über die DSMM erfahren und weitere Fotos sehen möchte, die aus meiner Kamera stammen, sollte die Senioren-Webseite des NSV anklicken. Die ist bei Alfred Newerla in ausgezeichneten Händen:

http://nds-schachsenioren.de/

Ohne das richtige Ambiente macht Schachspielen keinen Spaß. In Bergen stimmte alles: das Spiellokal, der Ort, die Umgebung und die freundlichen Menschen. Wer gut zu Fuß war, unternahm stundenlange Spaziergänge. Ein Muss ist die Fahrt mit der Seilbahn auf den Hochfelln. Der höchste Berg weit und breit ist sozusagen die Aussichtsterrasse des Chiemgaus. Wer oben ankommt, kann etwas für seine Bildung tun. Dass die Alpen in Wirklichkeit aufgetürmter Meeresboden sind, wissen wir natürlich. Aber wer kann auf Anhieb folgende Frage richtig beantworten, die am Gipfellehrpfad gestellt wird?

„Ein Felsbrocken, der auf der Erdoberfläche 1 Tonne wiegt, wiegt wieviel, wenn er sich im Erdmittelpunkt befindet?“ Antwort: „Nichts!“

Rund 50 Schachfreunde und Schachfreundinnen nahmen an einem Ausflug nach Salzburg teil. Ich auch. Wie sehenswert Salzburg ist, können die, die es noch nicht wissen, anhand meiner Bildergalerie nachvollziehen. Unser Busfahrer hieß Stefan Pletschacher. Der Name bürgt für Qualität. Schachspielen kann er nicht, verriet uns der sympathische Stefan, aber in einer anderen Disziplin ist er amtierender Deutscher Meister: im Eisspeedway. Die Sportart ist in Deutschland etwa so populär wie 4er Synchronschwimmen, nur viel erotischer.

Wer in Bergen übernachtet, muss pro Tag einen Euro Kurtaxe bezahlen. Das Geld habe ich gern gegeben, denn der Ort ist wunderschön. Das gilt auch für das Bergener Moos, einem Naturschutzgebiet, das sich in Richtung Westen erstreckt. All die Schönheiten habe ich auf vielen Fotos festgehalten. Achtzehn davon habe ich für die Bildergalerie ausgesucht.

Peter Brunotte wird 70

Ihr seid nicht irrtümlich im Hamelner Blog gelandet. Peter Brunotte ist ein Eigengewächs unseres Schachvereins. In den Sechzigerjahren, als wir noch Schachfreunde Badenstedt hießen, wuchs Peter zu einer Lichtgestalt heran, die sowohl unseren Verein als auch mich wesentlich geprägt hat. Heute wird Peter 70 Jahre alt. Deshalb ist es mein herzliches Anliegen, ihm hiermit zum Geburtstag zu gratulieren. 

Seit über vierzig Jahren bin ich Peter Brunotte nicht mehr begegnet. Das lag wohl vor allem daran, dass er sich für einige Jahrzehnte vom Schachspiel zurückgezogen hatte. Als Senior ist er inzwischen wieder aktiv. Insofern schließt sich der Kreis – auch in Bezug auf meine eigene Vita. Ich weiß noch, als er 1970 aus beruflichen Gründen in eine Gegend zog, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen, ein Fertighaus auf sein Grundstück pflanzte, und wenn es nicht umgekippt ist, noch heute darin lebt.
Pokal

In den Jahren 1962, 1963, 1964, 1968 und 1969 wurde Peter Brunotte insgesamt 5x Vereinsmeister. Ich hatte die Ehre, ihn mit einem Hattrick in den Jahren 1970-1972 abzulösen. Darum steht der Pokal für immer in meiner Vitrine. Darüber hinaus wurde Peter in den Jahren 1960, 1962 und 1963 dreimal Vereinsblitzmeister. Übrigens wurde der Pokal von Walter Frees gestiftet. Walter war ein Unikum. Am 28. August wäre er 100 Jahre alt geworden.

 

 

 

Aber auch auf Landesebene war Peter in jungen Jahren eine Größe. Das belegen die beiden Dokumente aus der damaligen Zeit:
Brunotte 1Brunotte 2

 

 

 

 

 

 

 

Meine Geburtstagsgrüße möchte ich mit einer Partie abschließen, mit der Peter 1969 zuletzt Vereinsmeister wurde. Es handelt sich um seinen Original-Kommentar aus unserem Vereinsrundschreiben, das damals „Schachkurier“ hieß:

Bauer, Achim – Brunotte, Peter [B07]
Vereinsmeisterschaft Schachfreunde Badenstedt, 1969
[Original-Kommentar: Peter Brunotte]

1.e4 d6 Idee dieser Eröffnung: Schwarz wartet ab, wie sich Weiß aufbaut und sucht dann Angriffspunkte. Achim Bauer spielt „immer“ 2.f4 (außer auf 1… e5). 2.f4 g6 3.Sf3 Lg7 4.Lc4 Sf6 5.d3 Sc6 6.a3 0-0 7.c3 Üblich ist ein weißer Aufbau mit e4, d4, f4, Sc3, Lc2 oder Ld3. Was Weiß hier spielt, ist sicher nicht gut: zunächst aggressiv f4 und Lc4 und dann unscheinbare Bauernzüge. Schwarz kann schon jetzt die Initiative ergreifen. 7…d5! 8.e5? Erforderlich war 8.exd5. 8…dxc4 9.exf6 Lxf6 10.d4! Nach 10.dxc4 Dxd1 11.Kxd1 Sa5 nebst Le6 verliert Weiß den Bauern c4. 10.d4 ist besser, weil der Mehrbauer von Schwarz noch nicht viel wert ist und Weiß ein starkes Zentrum hat. Aber der Bauer c4 beherrscht 2 Punkte im feindlichen Lager und das kann Schwarz ausnutzen. Weiß ist in der Eröffnung leichtsinnig gewesen und theoretisch vielleicht schon verloren. 10…Sa5 11.0-0 Sb3 12.Ta2 Auf diesem beschaulichen Platz bleibt der Turm bis zum 26. Zug. Schwarz gönnt ihm die Ruhe von Herzen.

Stellung nach 12.Ta1-a2
Stellung nach 12.Ta1-a2

12…c5 Das weiße Zentrum muss angegriffen werden. 13.dxc5 Dc7? Hier dachte Schwarz 40 Minuten lang nach und verzichtete dann auf Dxd1, weil man nicht tauschen soll, wenn man besser steht. Aber hier wäre der Damentausch besser gewesen, weil Weiß ohne Dame keine Chancen auf Königsangriff hätte und sich auf die Verteidigung beschränken müsste. 14.Le3 Td8 15.De2 Sxc5 16.Sbd2 16.Dxc4? Le6 und Weiß verliert die Qualität. 16…b5 17.Sd4 a6 Die 1. Phase um die Verwertung des schwarzen Vorteils ist abgeschlossen. Schwarz hat einen „gesunden“ Mehrbauern; Weiß hat seine Entwicklung vollendet, einen starken Springer auf d4 und versucht jetzt einen Königsangriff. Der Schlüsselzug, der von Weiß durchgesetzt werden muss, ist f5. 18.Df3 Weiß opfert ein Tempo, weil er die Felder h3 und h4 für den Angriff braucht. Ta1 war besser, weil der schwarze Läufer sowieso nach b7 muss. 18…Lb7 19.Dg4 Lxd4 Nach Ta1-e1 hat Weiß gefährlichen Angriff. Schwarz entschließt sich deshalb zum Abtausch, muss jetzt aber aufpassen, dass nicht ein Endspiel entsteht, in dem der Mehrbauer nichts mehr wert ist. 20.cxd4 Nach 20.Lxd4 Se6 21.Le3 dringt Schwarz mit Td3 in die weiße Stellung ein; aber cxd4 schafft eine Schwäche auf d4. 20…f5 Notwendig, um f5 von Weiß zu verhindern. 21.Dh4 Se6 22.Sf3 22.d5 nebst Ta1-e1 war eine andere beachtliche Möglichkeit, den Angriff fortzuführen. 22…Lxf3 Der Springer darf nicht nach e5 oder g5. Wenn Weiß Gelegenheit hätte, die schwachen schwarzen Felder auszunutzen, wären 19…Lxd4 und 20…f5 Fehler gewesen. 23.Txf3 Sxd4 24.Th3 h5 25.Dg5 Kf7 Ein kritischer Punkt. Reicht das Turmopfer 26.Txh5 zum Remis?

Stellung nach 25... Kg8-f7
Stellung nach 25… Kg8-f7

26.Ta1 Der Herr bequemt sich zu spät zum Kampfplatz. Jetzt kann Schwarz die Stellung festigen und die nächstbeste Gelegenheit zum Übergang ins Endspiel suchen. [26.Txh5 gxh5 27.Dxh5+ Ke6 28.Dg6+ Kd5 29.Lxd4 Kxd4? (29…Dxf4 Daher muss sich Schwarz statt Kxd4 mit der Qualität begnügen und steht dann trotz der gefährdeten Königsstellung auf Gewinn.) 30.Ta1 und Schwarz verliert 30…Kc5 31.b4+! Trotzdem hätte Schwarz das Turmopfer versuchen sollen, denn Schwarz war in Zeitnot und hätte vielleicht nicht die stärksten Züge gefunden.] 26…Se6 27.Dg3 Td3 28.Df3 Tad8 29.Te1 Sd4 30.Df2 Dd6 31.Lxd4? Beschleunigt das Ende erheblich. Weiß musste den Übergang ins Endspiel so lange wie möglich verhindern, denn mit 2 Bauern weniger hat er im Endspiel keine Chance. 31…Dxd4 32.Dxd4 T8xd4 33.The3 Txe3 34.Txe3 Txf4 Bauer Nr. 3 fällt. 35.Te5 Td4 36.Tc5 Td1+ 37.Kf2 Td2+ 38.Kf3 Txb2 Bauer Nr. 4 fällt. 39.Tc6 Tb3+ 0-1