1985 – Abriss einer geplatzten Fusion

Das Jahr 1985 hatte es in sich: das „Vier-Bundesländer-Kind“ wurde geboren, das Bobbele gewann erstmals in Wimbledon, und der erste Minister der Grünen wurde vereidigt. Joschka Fischer in Turnschuhen und Jeans. In Hessen war’s. Die Schachfreunde Hannover waren 35 Jahre alt und hatten so etwas wie eine Midlife-Crisis. In solchen Fällen sehnt man sich nach einem Umbruch. Der sollte auf der Jahreshauptversammlung besiegelt werden.

Das Protokoll der Jahresversammlung vom 14. Juni 1985 hatte Erwin Kusche verfasst. Es umfasste 4 DIN-A4-Seiten und endete mit den Worten: „Die Unterzeichneten geloben außerhalb des Protokolls, nie wieder so viel über ein JHV zu schreiben!“

Unter TOP 2 gab es einen Abriss zur Vereinsgeschichte der letzten sieben Jahre. Ein Flop war der Einzug in das Clubhaus des TKH im August 1982:

„Unsere Hoffnungen trogen auf der ganzen Linie. Kein TKH-Mitglied zeigte sich am Schachspielen interessiert, die Restauration war meist geschlossen, unsere Jugend wurde als störend empfunden. Der schmucklose Raum wurde nicht renoviert. Die Sonntagsspiele wurden zum Problem, weil immer öfter der Hausmeister nicht kommen konnte oder ein zu hoher Stundenlohn verlangt wurde. Viel Unlust machte sich breit und erfasste auch den Vorstand.“

Es erfolgte der Umzug in das 100 m entfernt gelegene „Haus der Jugend“. Nichtsdestotrotz stand die Fusion mit dem SK Anderten auf der Tagesordnung. Der SK Anderten war 1922 gegründet und als ausgesprochener Arbeiterverein in der Nazi-Zeit verboten worden. Nach der Neugründung 1950 hatte der Verein besonders anfangs der 70er Jahre schöne Erfolge und gehörte zu den spielstärksten Vereinen im Bezirk. In den letzten vier Jahren war es jedoch trotz aller Bemühungen abwärtsgegangen. Die Fusion sollte beiden Vereinen die Aufstellungssorgen nehmen. Der Freitagsspielabend sollte im „Sporthaus am Kanal“ in Anderten stattfinden. Das Sporthaus liegt recht abgelegen und kann nur über einen beschrankten Bahnübergang erreicht werden. Der wurde unserem 1. Vorsitzenden, Dr. Hans Wiehler, einmal fasst zum Verhängnis, als sein Auto auf den Bahngleisen stehenblieb.

Die Fusion wurde nach hitziger Diskussion mit 16 Ja-, 4 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen angenommen. Der Jahresrückblick sah dann so aus:

„Trotz vieler Widerstände bis hin zu persönlichen Anfeindungen gelang es den Verantwortlichen schließlich, eine breite Mehrheit zumindest für ein Jahr Probezeit von diesem Vorhaben zu überzeugen, so daß zum 1. Juli 1985 durch Fusion die Schachfreunde Hannover-Anderten entstanden. Unsere Erwartungen wurden in der Folgezeit sowohl im Positiven wie im Negativen weit übertroffen.“

Ein Jahr später platzte die Fusion. Der NSV hatte aus formellen Gründen etwas dagegen. Die beiden Vereine hatten u.a. getrennte Kassen behalten. Das geht nun gar nicht. Fortan gingen der SK Anderten und die Schachfreunde Hannover getrennte Wege. Die wenigsten haben das bereut.

Jede Ähnlichkeit mit real existierenden und/oder geplanten Fusionen ist rein zufällig. Von zeitloser Gültigkeit ist jedoch folgender Mahnruf des damaligen Spielleiters, Werner Zoch, im Jahresrückblick von 1985:

„Ein Verein kann nur bestehen, wenn zumindest ein Großteil seiner Mitglieder aktiv mitarbeitet. Auf Mitglieder, deren Beitrag lediglich darin besteht, unregelmäßig (und oft erst nach mehrmaliger Aufforderung) an den Mannschaftskämpfen teilzunehmen, zu denen sie am liebsten noch von zu Hause abgeholt werden wollen, die noch unregelmäßiger ihre Vereinsbeiträge bezahlen, aber dafür hin und wieder mal eine Schachuhr mit nach Hause nehmen, die dann am Vereinsabend fehlt, können wir jedenfalls verzichten.“


Deutsche Schach-Online-Liga

Gestern war Meldeschluss für einen Versuch, die Corona-Auszeit mit Leben zu füllen. 176 Schachvereine haben 246 Mannschaften gemeldet, der Hamburger SK allein zehn. Vier Spieler gehören zu einer Mannschaft, sodass davon auszugehen ist, dass inklusive Ersatzspieler bis zu 2.000 Schachfreundinnen und Schachfreunde zum Einsatz kommen werden. Es ist ein Experiment mit unbekanntem Ausgang. Die Cheating-Versuchung ist bei einer Bedenkzeit von 45 Minuten plus 15 Sekunden pro Zug natürlich groß.

Grundsätzlich stehe ich dem Online-Schach skeptisch gegenüber. Es kann nur ein Lückenfüller und Zeitvertreib sein. Wettkämpfe um echte Meisterschaften kann es nicht ersetzen und das Spiel von Angesicht zu Angesicht schon gar nicht. Wenn das in absehbarer Zeit nicht mehr möglich ist, verliert das Schachspiel sein Ansehen in der Gesellschaft und damit viele organisierte Anhänger. Nichtsdestotrotz begrüße ich die Online-Liga, obwohl ich sie aus sportlicher Sicht für wertlos halte. Wenn man sich die Meldungen genauer ansieht, fällt auf, dass das Interesse von Titelträgern gering ist. Und so ist die Veranstaltung überwiegend für den Nachwuchs von Bedeutung. Die 1. Runde wird in der kommenden Woche ausgetragen. Wir dürfen besonders auf die Nebenwirkungen gespannt sein.

In Niedersachsen ist das Interesse der Schachvereine an der Online-Liga überschaubar. Damit wir deren Abschneiden besser verfolgen können, habe ich die gemeldeten, niedersächsischen Mannschaften herausgefiltert und den Bezirken zugeordnet. Die Zahl vor dem Vereinsnamen ist die derzeitige Rangliste anhand der DWZ. Der Hamelner SV hat für die 1. Mannschaft (18. Platz) offenbar seine Besten gemeldet. Der HSK Lister Turm fehlt trotz Beteiligung an der Quarantäne-Liga indessen komplett.

Schachbezirk 1 (5 Vereine/7 Mannschaften)
025. SK Rinteln I   DWZ 2128 = 1. Liga Gruppe A
162. SK Rinteln II   DWZ 1713 = 6. Liga Gruppe B
223. SK Rinteln III   DWZ 1326 = 8. Liga Gruppe C
060. SK Lehrte von 1919  DWZ 2004 = 2. Liga Gruppe D
066. SG Weiß-Blau Eilenriede   DWZ 1989 = 3. Liga Gruppe B
089. SF Barsinghausen   DWZ 1930 = 3. Liga Gruppe A
147. TuS Wunstorf   DWZ 1755 = 5. Liga Gruppe C

Schachbezirk 2 (2 Vereine/2 Mannschaften)
095. SC Braunschweig Gliesmarode   DWZ 1903 = 3. Liga Gruppe A
165. SF Fallersleben   DWZ 1707 = 6. Liga Gruppe D

Schachbezirk 3 (3 Vereine/5 Mannschaften)
018. Hamelner SV I   DWZ 2170 = 1. Liga Gruppe B
135. Hamelner SV II   DWZ 1786 = 5. Liga Gruppe B
051. ESV Rot-Weiß Göttingen I   DWZ 2030 = 2. Liga Gruppe C
155. ESV Rot-Weiß Göttingen II   DWZ 1735 = 5. Liga Gruppe C
151. SC Bad Salzdetfurth   DWZ 1750 = 5. Liga Gruppe B

Schachbezirk 4 (2 Vereine/2 Mannschaften)
141. SK Verden  DWZ 1766 = 5. Liga Gruppe D
209. FC Lachendorf   DWZ 1525 = 7. Liga Gruppe D

Schachbezirk 5 (1 Verein/1 Mannschaft)
105. VfR Heisfelde   DWZ 1869 = 4. Liga Gruppe A

Schachbezirk 6 (4 Vereine/5 Mannschaften)
027. SV Osnabrück   DWZ 2123 = 1. Liga Gruppe C
102. SV Lingen   DWZ 1873 = 4. Liga Gruppe B
148. SV Bad Essen I   DWZ 1754 = 5. Liga Gruppe D
232. SV Bad Essen II   DWZ 1232 = 8. Liga Gruppe C
224. SC Rochade Hollage   DWZ 1320 = 8. Liga Gruppe B

Hannoverscher SK gegen Spartacus Budapest

15. bis 18. Juni 1970. Im Hannoverschen Schachklub existiert ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl, das weit über die vielzitierte Thekenromantik hinausgeht. Diese Worte stammen von Kurt Pfaff, dem Kolumnisten des HSK aus der Zeit des Kalten Krieges. Vor genau 50 Jahren gab es in Hannover einen Freundschaftskampf gegen Spartacus Budapest, der heute in dieser Form undenkbar wäre: Eine Anreise, die 21 Stunden dauerte, Empfang durch Bürgermeister Otto Barche, eine Barkassenfahrt auf dem Maschsee, ein Bowlingabend in Döhren, Besichtigung des VW-Werks in Stöcken, ein Stadtbummel in Hannover, ein Besuch des Historischen Museums, ein Altstadt-Bummel und ein Abschiedsessen in den Herrenhäuser Brauereigaststätten. Zwischendurch wurden zwei Mannschaftskämpfe ausgetragen. Den ersten gewannen die Budapester mit 8 : 3 Punkten, der zweite endete Unentschieden mit 5,5 : 5,5 Punkten. Gespielt wurde im Hotel Interconti; damals eine Nobelherberge, heute ein leerstehendes Spekulationsobjekt von Immobilienhaien.

Kurt Pfaff hatte die Ereignisse auf zwei Seiten eines HSK-Rundschreibens zusammengefasst. Die solltet ihr euch im Anschluss in Ruhe durchlesen. Es lohnt sich. Nach 50 Jahren stellt sich die Frage, wer von den damaligen Akteuren noch lebt. Auf Seiten des HSK sind dies Manfred Heilemann (mittlerweile 86 Jahre alt) und Jürgen Juhnke (mittlerweile 70 Jahre alt). Manfred Heilemann war damals auf dem Zenit seines Könnens. Kurz zuvor (1. bis 16. Mai 1970) hatte er bei der Deutschen Einzelmeisterschaft in Völklingen (es gewann GM Hans-Joachim Hecht) den 10. Platz belegt. Am 1. Brett konnte Manfred den Ungarn István Csom in der 2. Runde besiegen. In der ersten Partie hatte es ein Remis gegeben.

1970 war István Csom Internationaler Meister, 1973 wurde er Großmeister. 1976 weilte er wiederum in Hannover und konnte das Turnier gewinnen, das der HSK anlässlich seines 100-jährigen Bestehens veranstaltet hatte. Dabei konnte er den Spieß umdrehen und Manfred Heilemann in 26 Zügen  besiegen. Von István Csom befinden sich 2.625 Partien im Netz. Das zeugt von einem erfüllten Schachleben. Am 2. Juni wurde er 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch nachträglich!

Petitesse am Rande: Manfred Heilemann spielte damals für den HSK und befindet sich heute in den Reihen der Schachfreunde Hannover. Jürgen Juhnke gehörte damals der Schachvereinigung (heute Teil der Schachfreunde) an und wechselte 1981 zum HSK, für den er noch heute aktiv ist. Jürgen verstärkte damals den HSK als Gastspieler. Jürgen spielte eine bärenstarke Saison. Bei der 17. Studenten-Mannschaftsweltmeisterschaft in Haifa holte er für die Deutsche Mannschaft (Brett 1 Helmut Pfleger) 8 Punkte aus 9 Partien!

Was ist aus der Thekenromantik des HSK geworden? Die heutigen Jungspunde stellen viel auf die Beine. Das ist lobenswert. Aber gibt es noch jemand, der sich um die Geschichte des eigenen Vereins kümmert? Auf dessen Webseite sucht man danach vergeblich. In 6 Jahren wird der HSK 150 Jahre alt. Wer weiß, was ein Winzling namens Corona bis dahin mit dem HSK Lister Turm im Besonderen und der Schachszene im Allgemeinen macht!? Die Erinnerungen kann uns keiner nehmen.

Würzburg – 24 Jahre danach

Wisst ihr noch, was ihr 1996 gemacht habt? Schon vergessen? Mir fällt die Erinnerung leicht, weil ich den Sonnenkönig aufbewahrt habe. In der Ausgabe Nr. 13 steht: Gerhard hat an drei Schach-Open teilgenommen, in Velden am Wörthersee, in Wiesbaden beim Schlosspark-Open und in Würzburg beim 12. Open. – In den vergangenen Wochen waren Reisen tabu. Meine letzte Fahrt mit dem ICE hatte ich am Rosenmontag in die Narrenhochburg Mainz. Wenige Tage später kam der Shutdown. Die Deutsche Bahn sucht seitdem händeringend nach Fahrgästen. „Ein Ticket in die Vergangenheit kann für Abhilfe sorgen“, dachte ich mir und kaufte mir für gestern (Fronleichnam) eine Rückfahrtkarte nach Würzburg mit einem Abstecher nach Schweinfurt.

„Wieso Schweinfurt?“, werdet ihr fragen. Schweinfurt liegt rund 40 km nordöstlich von Würzburg und fristet in unserer Wahrnehmung ein Mauerblümchen-Dasein. Dieses Image passt gar nicht zu Gunter Sachs, Deutschlands berühmtesten Gentleman-Playboy, der in Schweinfurt geboren wurde und hier seine Kohle generiert hat (Fichtel & Sachs). Heute scheffelt dort Frau Schaeffler mittels Wälzlager (SKF). – In Schweinfurt konnte ich 1996 meinen Beruf mit meinem Hobby verbinden. Das einzige Mal in meinem Leben hatte ich eine Baustelle in Bayern – genauer gesagt in Unterfranken – zu leiten. Und so bot es sich an, dass ich in der Endphase des Projekts in Würzburg an dem Schach-Open teilnahm und täglich nach Schweinfurt pendelte, um dort nach dem Rechten zu sehen. Das Würzburger Open lief gut, die Schweinfurter Baustelle dank ortsansässiger Unternehmen ausgezeichnet.

1996 hatte ich weder in Würzburg noch in Schweinfurt die Gelegenheit, mir die Städte genauer anzugucken. Das habe ich gestern nachgeholt. Heraus kamen 6 Stunden Fußmarsch bei bedecktem Himmel. Schweinfurts Altstadt ist überschaubar. Nichtsdestotrotz gibt es dort sehenswerte Eyecatcher; z.B. diese Skulptur vor der Kunsthalle. „Power-Mädchen ohne Schachbrett“ würde ich sie nennen.

Würzburg hat doppelt so viele Einwohner wie Schweinfurt, eine Menge Studenten und eine Festung, die ich bislang nur vom Vorbeifahren kannte. Gestern bin ich hinaufgestiefelt. Es lohnt sich. Für den Aufstieg empfehle ich euch die Rückseite des Marienberges. Dort fand 1990 die Landesgartenschau statt. Geblieben ist eine wunderschöne, gepflegte Anlage, die bei einigen Höhenmetern kostenlos durchschlendert werden darf. Die Marienfestung selbst ist beeindruckend. Es gibt einen äußeren Burghof und einen inneren Burghof, die von mächtigen Wänden aus Quadersteinen umfasst sind. Für den Rückweg empfehle ich euch den steilen Abstieg auf der Mainseite. Man landet direkt vor der historischen Mainbrücke, die gestern für Stehpartys genutzt wurde.

Am 12. Würzburg-Open 1996 nahmen 117 Schachspieler teil. Das Turnier gewann Aleksander Wojtkiewicz (* 15. Januar 1963 in Lettland; † 14. Juli 2006 in USA) vor Zbigniew Ksieski (* 1. Januar 1954 in Polen; † 26. Mai 2018 in Polen) mit je 6:1 Punkten. Ich holte 4:3 Punkte, wobei ich zwei Partien verlor: gegen GM Valentin Arbakov (* 28. Januar 1952 in Russland; † 30. November 2003) und Andreas Luft. Gegen den Dähne-Pokalsieger von 1977, Peter Dankert (* 1953; † 2004), erzielte ich ein Remis. Höhepunkt war mein Sieg gegen den FM Andre Lisanti. Die Partie begann für mich ernüchternd. Durch eine Ungenauigkeit in der Eröffnung hatte ich einen Bauern verloren, was mich dazu beflügelte, einen weiteren Bauern ins Geschäft zu stecken. Dieses Danaergeschenk bekam meinem Gegner nicht. Er revanchierte sich durch ungenaue Züge, wodurch wir diese Stellung auf dem Brett hatten:

FM Andre Lisanti – Gerhard Streich
Schwarz am Zug

Angesichts des Damengewinns zog ich freudig erregt 28… Txb2+ und gewann die Partie problemlos. Erst 24 Jahre später habe ich entdeckt, dass ich meinen Gegner an dieser Stelle zwangsläufig mattsetzen konnte. Guckt euch dieses Diagramm bitte eine Weile an und entscheidet euch für einen anderen Zug. Weiß kann das Matt maximal 6 Züge hinauszögern.

Hier ist die ganze Partie:

Sehenswert ist auch mein Sieg in der ersten Runde gegen Erich Kaiser. Ein Figurenopfer im 20. Zug brachte mich auf die Siegerstraße:

Hau die Fontäne!

Wer weiß, ob die Schachligen nach Corona noch so aussehen wie vor Corona!? Dazu ist ein Schaubild hilfreich. Ursprünglich wollte ich dafür den Lukas nehmen, den wir von Jahrmärkten kennen. „Hau den Lukas“ ist etwas für junge Leute, die ihre Kräfte zeigen wollen. Mann oder Frau schlagen mit einem schweren Holzhammer auf einen gefederten Kopf, wodurch ein Metallkörper nach oben schnellt und je nach Schlagkraft zum Halten kommt. Ihr kennt das. An den entsprechenden Haltestellen gibt es Tafeln mit lustigen Aufschriften, angefangen z.B. bei Weichei über Warmduscher, Frauenheld, Großmaul, Kraftprotz bis hin zum Champion.

Die Jahrmärkte haben bekanntlich dicht. Deshalb habe ich mir stattdessen die Große Fontäne in den Herrenhäuser Gärten als Maßstab gewählt. Gestern Abend wurde anlässlich ihres 300. Geburtstags eine Ausstellung im Schloss Herrenhausen eröffnet. Mit einer Spritzhöhe von 72 Metern ist sie die höchste Gartenfontäne Europas. Auf die Schlagkraft der elektrischen Pumpen kommt es an. Wer im Schachbezirk Hannover beheimatet ist, muss von der Kreisklasse bis zur Bundesliga  neun Stufen schaffen:

Nun will ich nicht den Teufel an die Wand malen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass dem Virus die eine oder andere Liga zum Opfer fällt, ist groß. Vorübergehend müssen wir uns mit diesem Anblick zufriedengeben:

Hoffentlich wird das kein Dauerzustand.

Ende Gelände

Schach stoppen. Gesundheit schützen! Der Österreichische Schachbund hat die Bundesligen abgebrochen. Und was macht der DSB? Er wartet ab. Auf was? Otto vom SV Hellern ist einen Schritt weiter: „Wir werden auch damit leben müssen, dass erst im Spätherbst 2021 das Turnierschach aus seiner katatonischen Starre erwacht. Dann werden wir zählen. Wer ist noch da? Wer hat noch Lust? Haben wir alle Jugendspieler an andere Hobbies verloren?“

In Wolfsburg gilt ab heute die Maskenpflicht:

Sind Masken für Schachspieler eine Lösung? Auch darauf hat Otto eine vorausschauende Antwort:

„Masken? Mal abgesehen davon, dass dies im stundenlangen Gebrauch möglicherweise eine ganz andere Geschichte ist als eine Maske beim Discounter zu tragen, muss man auch hier die goldene Regel der Virologen und Epidemiologen anwenden: Nichts kann empfohlen werden, wenn es nicht eine Studie gibt, die diesen Anwendungsfall untersucht hat. Nur dann hat man ein evidenzbasiertes Ergebnis.“

Worauf müssen wir uns einstellen? Auf Geisterschach? Ohne Spieler? Ohne Zuschauer?

Es wäre klug, wenn sich die Verantwortlichen auf einen Neustart im Spätherbst 2021 einstellen würden. Im Idealfall denken Schachspieler einige Züge im Voraus. Wer sich auf die verschiedenen Varianten rechtzeitig vorbereitet, handelt verantwortungsbewusst.

Zuversicht 2.0

Wer hätte das gedacht? An Silvester 2019 war Zuversicht für das kommende Jahrzehnt in aller Munde. Auch in meinem. Und nun das. Das Coronavirus hat der Menschheit einen Strich durch die Rechnung gemacht und für gigantische Rettungspakete gesorgt: 2 Billionen Dollar in den USA, 750 Milliarden Euro in Deutschland, 4,4 Milliarden Euro in Niedersachsen, 10 Millionen Euro in Hannover. Die schwarze Null ist implodiert. Plötzlich geht alles; inkl. Verbote. – Zuversicht ist jetzt wichtiger denn je. Und deshalb möchte mit diesem Update 2.0 keine großen Worte machen, sondern auf das verweisen, was für uns alle am wichtigsten ist:

Himmelfahrt 2020 – Kölner Domturm mit Hängegerüst
Weltseifenblasentag am 5. Oktober 2020 – Archivbild: Seifenblasen am Kölner Dom

Ist die Bundesliga am Ende?

Die Titelstory ist 39 Jahre alt. Sie bezog sich auf die Fußballbundesliga.

Heute müssen wir die Frage noch einmal stellen. Aber im Plural: Sind die Bundesligen am Ende? Auch die Schachbundesliga? Wer weiß!? Zuversicht sieht anders aus. Der Pleitegeier kreist und nimmt keine Rücksicht auf Profisportler und Boutique-Besitzerinnen. Er wird sich so viele krallen wie nie zuvor. Ausgenommen sind Klopapierfabrikanten. Wir befinden uns am Anfang einer verrückten Zeit und müssen uns davor hüten, selbst verrückt zu werden.

Vor wenigen Wochen haben sich Regierungspolitiker noch verächtlich über Oppositionsparteien geäußert. Sie seien Verbotsparteien. Nun sprechen dieselben Politiker drastische Verbote aus, weil sie den Ernst der Lage erkannt haben. Damit soll die kurzfristige Gefahr gebannt werden. Die mittel- und langfristigen Gefahren der Menschheit sind weitaus schlimmer. Hoffentlich findet im Anschluss an die Corona-Krise ein Umdenken statt.

Dass nicht alles so bleibt, wie es einmal war, zeigt ein Vergleich der STERN-Ausgaben. Die Siebziger- und Achtzigerjahre waren die fetten Jahre. Der STERN Nr. 16 vom 9. April 1981 hatte Übergewicht: 700 g. Die Fettpolster sind mangels Werbeanzeigen verschwunden. Die heutigen Ausgaben bringen es auf knapp 200 g. Die Auflage ist von 1,5 Mio. auf ein Drittel geschrumpft.

Der Vergleich der Werbung macht den Existenzkampf auf dem Zeitschriftenmarkt deutlich. In der Ausgabe von 1981 gab es 22 Doppelseiten mit Werbung und 83 ganzseitige Anzeigen; d.h. 127 der 322 Seiten waren der Werbung vorbehalten. Heute umfasst die gesamte Ausgabe lediglich 122 Seiten in kleinerem Format, von denen nur wenige durch Werbeanzeigen fremdfinanziert sind.

Ich trinke Jägermeister, weil ich ein Lachverständiger bin

Die Werbesprüche aus Wolfenbüttel hatten Kultcharakter. Heute weiß jeder engagierte Schachfreund, dass Wolfenbüttel die Heimat von Deutschlands Schachverständigen Nr. 1 ist. Dank seiner Tatkraft müssen wir uns die Schachszene nicht schöntrinken.

Schön ist das Stichwort. Den STERN aus dem Jahr 1981 habe ich nur aufgehoben, weil sich darin eine wunderschöne Schachpartie befindet, die ich gegen Norbert Henze anlässlich des Hannover-Cups für Vereinsmannschaften gespielt hatte. Nach der Partie verschwand Norbert aus Hannover. Heute unterrichtet er als Prof. Dr. der Mathematik (Stochastik) in Karlsruhe. Ob es Meister Zufall oder Meister Google war, weiß ich nicht, aber ich war hocherfreut, dass er sich 33 Jahre später in unserem Blog gemeldet hat. Die Älteren unter euch werden sich erinnern. Guckt ihr: Ich bin drin (7).

Rosenmontagsumzug 2020 in Mainz

No Sports – Chance auf einen Neuanfang im DSB

„Mit Träumen beginnt die Realität“, heißt ein lesenswertes Buch von Daniel Goeudevert. Derzeit erleben wir einen nicht für möglich gehaltenen Einschnitt in unser Leben. Weltweit. Der Sport ruht, die Kunst ruht, die Kultur ruht, die Reisefreiheit ruht. Unser Leben wird sich auf unbestimmte Zeit im Energiesparmodus befinden. Einige werden sich davon nicht erholen. Das ist die Realität.

Symbolbild: Leere Sportstätte

Niemand weiß, wann und wie es weitergeht. Dabei hat unser Alltag natürlich Priorität. Früher oder später können wir uns wieder dem Schachspiel widmen. Dabei werden viele Fragen zu klären sein. Werden die Ligen zu Ende gespielt? Wer steigt auf, wer steigt ab? Wie werden Härten vermieden? Sind Schachprofis inzwischen pleite?

Heute Nacht habe ich geträumt. Was? Das verrate ich euch jetzt:

1. Der DSB-Vorstand tritt komplett zurück
2. Neuer DSB-Präsident wird Uwe Pfenning
3. Michael S. Langer wird Master of the Rest
4. Conrad Schormann wird Presseattaché
5. Die Landesverbände werden abgeschafft und neu sortiert
6. Sämtliche Schachbezirke und Schachkreise werden abgeschafft
7. Schiedsrichter werden nur noch in der 1. Bundesliga eingesetzt (außer Turniere)
8. DWZ werden abgeschafft – es gilt nur noch Elo
9. DSB und DSJ haben sich wieder lieb
10. Schachspielen macht wieder richtig Spaß!

Dann bin ich aufgewacht und musste an Hermann Hesse denken: „Und jedem Anfang steckt ein Zauber inne.“ Okay, die Bedenkenträger werden das Coronavirus überleben. Mit oder ohne Impfstoff. Ja. Das Parkinsonsche Gesetz gehört zur Menschheit wie der Zwang zu Hamsterkäufen.